Название | Kriminalfälle aus der DDR - 2. Band |
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Автор произведения | Walter Brendel |
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Издательство | |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783966512282 |
Sabine Teske war unpolitisch, genoss die privilegierte Stasi-Existenz mit Westwaren und besuchte Konzerte der oppositionellen Liedermacher Wolf Biermann und Bettina Wegner. Bei offiziellen Feiern der Stasi fiel ihr auf, wie die Männer einheimische „Club“-Zigaretten statt „Marlboro“ rauchten und die Frauen ihren Schmuck aus dem Westen versteckten. Die alltägliche Heuchelei des Arbeiterstaates, nur auf gehobenem Niveau. Sabine Teske kam ebenfalls in Haft. Im Gefängnis blieb sie ohne Anklage und ohne Auskunft über das Schicksal ihres Mannes. Eines Tages brachte man sie so überraschend, wie die Verhaftung erfolgt war, in eine konspirative Wohnung. Ein Stasi-Mann sagte ihr, soeben sei ihr Mann wegen Spionage hingerichtet worden. Dann ließ man sie frei. Im Vollstreckungsprotokoll heißt es, die Exekution sei am 26. Juni 1981 um 10 Uhr 10 „ordnungsgemäß vollzogen“ worden.
Daraufhin begann die Stasi eine Vertuschung. Sabine Teske musste ihren Mädchennamen Kampf annehmen und von Berlin nach Schwerin umziehen. Sie wurde gezwungen, den Kontakt zu Freunden abzubrechen. Ihren Verwandten durfte sie nur die offizielle Version der Todesursache mitteilen: Selbstmord in Haft. Die Stasi durchsuchte ihre Wohnung und wählte eine Arbeitsstelle für sie aus. Die Überwachung war total. Das MfS fuhr sie zur psychotherapeutischen Behandlung nach Berlin, einer ihrer Aufpasser sagte, sie müsse über das Erlebte reden.
Sabine Kampf wehrte sich auf ihre Weise. Sie pöbelte Polizisten an und verhielt sich auffällig, bis die auf Konspiration bedachte Stasi den Umzug nach Halle gestattete. Sie erzählt ihre Geschichte im ungerührten Tonfall, in dem Berliner über die Wechselfälle des Lebens reden. Doch manchmal ringt sie um Fassung.
Die DDR ist vor 30 Jahren untergegangen, Vergangenheit ist sie noch nicht. Der Konflikt um die Deutung der Geschichte hält bis heute an. Ein Vorposten in diesem Kampf befindet sich am Berliner Mehring-Platz, im Gebäude des früheren Zentralorgans „Neues Deutschland“, wo früher eine Marx-Büste und ein Volkspolizist den Eingang und den Sozialismus bewachten. Hier befinden sich die Büros der Selbsthilfeorganisationen, mit denen die ostdeutsche Nomenklatura das ihr in der Bundesrepublik angetane Unrecht anprangert. Die GRH, die Gesellschaft zur rechtlichen und humanitären Unterstützung, kümmert sich um die vor Gericht gestellten Staatsfunktionäre. Hilfe erhielt auch der Militärstaatsanwalt, der die Anklage gegen Teske und Trebeljahr vertreten hatte und deshalb 1998 zu vier Jahren Haft wegen Rechtsbeugung verurteilt wurde.
Nach dem Tod des Militärjuristen schrieb der GRH-Vorsitzende Hans Bauer, der Verstorbene habe „an vorderster Front gegen Feinde und Verräter unseres Staates“ gestanden und sei deshalb von der westdeutschen Klassenjustiz verfolgt worden. Bauer, einst stellvertretender Generalstaatsanwalt seines Staates, will die Todesurteile nicht als Unrecht bezeichnen. „Die DDR hat Recht gesprochen. Das ist für mich bindend und nicht das, was ein BRD-Gericht dazu findet“, sagt er freundlich, aber ohne den Anflug eines Zweifels. Die GRH hat 1500 Mitglieder und bildet ein Netzwerk, in dem sich zahlreiche hohe Stasi-Offiziere organisieren. Inzwischen propagiert die Gesellschaft ihr Geschichtsbild auch öffentlich. Bekannt wurde sie durch Aktionen gegen die Gedenkstätte im Stasi-Gefängnis Hohenschönhausen, wo auch das Ehepaar Teske einsaß, ohne voneinander zu wissen.
Was damals Recht war, kann heute nicht Unrecht sein. Darin unterscheidet sich der kommunistische Generalstaatsanwalt nicht von Hans Filbinger, dem nationalsozialistischen Militärrichter. Die deutsche Justiz kennt Kontinuitäten über Systemgrenzen hinweg. Nach dem Ende der Diktatur kam die Aufarbeitung der Regierungskriminalität schleppend in Gang. Bundesregierung und Bundesländer überließen die Aufgabe zunächst Berlin, nur zögerlich stellten sie Personal für eine Sonderstaatsanwaltschaft bereit. Es dauerte, bis der Bundesgerichtshof Leitlinien für die Aburteilung eines untergegangenen Staates formuliert hatte. Er suchte einen Mittelweg zwischen Bürgerrechtlern und Betroffenen, die der DDR-Justiz jede Rechtmäßigkeit absprechen, und den Altkadern, die über die Siegerjustiz klagen.
Der Bundesgerichtshof entschied, sämtliche Formen von Regierungskriminalität nach DDR-Recht abzuurteilen. Es sollte kein „Feind-Strafrecht“ zur Anwendung kommen. Vor allem das Verbot der rückwirkenden Bestrafung sollte unangetastet bleiben. Anderseits machte man einen naturrechtlichen Vorbehalt: Wo schwerstes Unrecht vorlag, hätten die ostdeutschen Juristen dies erkennen müssen. Gemäß seiner Politik des pragmatischen Mittelwegs hielt der Bundesgerichtshof auch die Anwendung der Todesstrafe in der DDR prinzipiell für legal. Er urteilte aber, dass sie gegen Teske und Trebeljahr nicht hätte verhängt werden dürfen, weil diese die Spionage nie ausgeführt hätten.
Wegen der Todesurteile wurde nur eine Handvoll Richter und Staatsanwälte belangt. „Viele Leute haben dies als ungenügend empfunden“, erklärt Christoph Schaefgen, der die Berliner Sonderstaatsanwaltschaft leitete. Aber er gibt zu bedenken, dass die meisten Verantwortlichen tot oder aus Altersgründen verhandlungsunfähig waren. Immerhin setzte man mit dem Strafrecht das in den Nürnberger Prozessen zunächst für das Völkerrecht entwickelte Prinzip durch, dass kein Staat die Machthaber und ihre Helfershelfer vor nachträglicher Verfolgung schützen kann. Funktionäre wie Honecker und Krenz wurden ebenso zur Rechenschaft gezogen wie Mauerschützen oder Richter. Diese Leistung regulärer Gerichte steht in einer Reihe mit den Sondertribunalen zu den Kriegsverbrechen in Jugoslawien und Rwanda. Gewürdigt wird dies in Deutschland kaum, weil das in der Wiedervereinigung Erreichte weniger beachtet wird als das Unzulängliche und Unvollendete.
Sabine Kampf wollte den Tod ihres Mannes lange nicht wahrhaben. Bis in die neunziger Jahre gab sie sich der Hoffnung hin, ihr Mann werde eines Tages auftauchen. In den Wirren der Wende wandte sie sich an das Ostberliner Militärgericht, wurde dort aber abgewimmelt. Erst als Schaefgens Team Kontakt zu ihr aufnahm und den verantwortlichen Militärstaatsanwalt wegen Rechtsbeugung anklagte, begann sie das Unabänderliche zu akzeptieren. Bei der Stasi hatte sie sich verpflichten müssen, über ihr Schicksal zu schweigen. „In dem Prozess wegen der Todesurteile brach alles aus mir heraus.“ Ein später Akt der Befreiung, mit den Mitteln der Justiz.
Unsere Berichte bringen Licht ins Dunkel der Kriminalgeschichte des Arbeiter- und Bauernstaates und fokussiert dabei auf Morde aus sexuellen Motiven. Doch jeder Fall erzählt auch ein Stück Geschichte. Authentische Dokumente aus dem umfangreichen Stasi-Unterlagen-Archiv, Gerichtsurteile und Vernehmungsprotokolle zeigen auf, unter welchen Umständen diese Fälle aufgeklärt wurden.
Doch lesen Sie die Fälle selbst.
13. Die Hinrichtung des Wolfgang M.
Wir sind in Leipzig und schreiben das Jahr 1972. Am 29. September stirbt der Stasi-Oberleutnant Wolfgang M., angeblich eines natürlichen Todes. Als Ursache stehen Bluthochdruck und Unterzuckerung im Totenschein. Doch diese Angabe ist falsch.
Wolfgang M. war zum Tode verurteilt worden und wurde hingerichtet. Still und heimlich.
Man ging natürlich in der DDR nicht mit der Todesstrafe hausieren, denn sie kratzte am Image.
Bei Wolfgang M. wurde Unterzuckerung angegeben, bei anderen Hingerichteten stand im Todesschein Herzversagen. Eine gewisse Prosa medizinischer Art gehörte zum Standardmodell sozialistischer Objektivität. Herzversagen, dass stimmt eigentlich immer, wenn man einen Kopfschuss bekommt.
Die Todesstrafe wird in der DDR erst 1987 abgeschafft. Doch schon vorher wird sie nur im Geheimen vollstreckt, um den Ruf des Landes nicht zu schädigen. Die Verurteilten werden in Leipzig, wie schon geschrieben, hingerichtet und anonym bestattet.
Das statistische Jahrbuch der DDR wies auch die Todesstrafen aus, aber wer hat das schon gelesen, wem hat das wirklich interessiert? Es wurde alles was im Zusammenhang mit Mord und Totschlag zusammenhing, versschwiegen. Das war wichtig, um die Bevölkerung um die Bevölkerung in den Glauben zu halten, dass es so etwas im Sozialismus nicht