Anwendbares Recht beim grenzüberschreitenden Warenkauf. Patrick Boll

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Название Anwendbares Recht beim grenzüberschreitenden Warenkauf
Автор произведения Patrick Boll
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Год выпуска 0
isbn 9783737577922



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9 I Var. 2 CISG bestimmt die Bindung der Parteien an die zwischen ihnen entstandenen Gepflogenheiten. Die Norm spiegelt den Grundsatz von Treu und Glauben wider69 und findet eine Entsprechung im unvereinheitlichten deutschen Recht. So ergibt sich für die Parteien im Geltungsbereich des HGB aus dem Bestehen einer Geschäftsverbindung eine Sonderverbindung, aus der ebenso Gepflogenheiten und entsprechende Treuepflichten i.S.d. § 242 BGB resultieren.70

      § 346 HGB bezieht sich ausdrücklich auf Kaufleute, während die Kaufmannseigenschaft i.S.d. Art. 9 CISG i.V.m. Art. 1 III CISG nicht voraus gesetzt wird.

      III. Form

      Für das CISG gilt der i.S.d. Art. 11 CISG normierte Grundsatz der Formfreiheit.71 Explizit bezieht sich dieser i.S.d. Art. 11 S. 1 CISG auf den Abschluss und den Nachweis des Kaufvertrags und schließt damit alle entsprechenden Erklärungen wie Angebot, Annahme, Rücknahme und Widerruf ein. Art. 11 S. 2 CISG ergänzt diesen Grundsatz bezüglich der prozessrechtlichen Zulässigkeit jeglicher Beweismittel.72 Obgleich sich die Vorschrift ausdrücklich auf den Kaufvertrag bezieht, gilt dieser Grundsatz der Formfreiheit i.S.d. Art. 7 II CISG für alle Erklärungen der Parteien, welche dem CISG unterfallen.73 Bei Geltung des unvereinheitlichten deutschen Rechts gilt für den Abschluss des Kaufvertrags ebenso der Grundsatz der Formfreiheit.74 Die Beweisaufnahme bezüglich eines fraglichen Abschlusses bestimmt sich i.S.d. § 284 ZPO. Ohne Einverständnis der Parteien i.S.d. § 284 S. 2 ZPO kommen als Beweismittel Augenschein i.S.d. §§ 371 ff. ZPO, Zeugen i.S.d. §§ 373 ff. ZPO, Sachverständige i.S.d. §§ 402 ff. ZPO, Urkunden i.S.d. §§ 415 ff. ZPO und Parteivernehmung i.S.d. §§ 445 ff. ZPO in Betracht.75

      Bezüglich der Form bestehen insoweit keine vorliegend relevanten Unterschiede.

      Allerdings bestimmt der nicht dispositive Art. 12 CISG, dass entgegen Art. 11 CISG eine andere als die schriftliche Form nicht gestattet ist, wenn sich die Niederlassung i.S.d. Art. 10 CISG einer Partei in einem Vertragsstaat befindet, welcher den Vorbehalt i.S.d. Art. 96 CISG erklärt hat. Vorliegend beachtlich haben aktuell weder China noch Deutschland einen entsprechenden Vorbehalt erklärt.76

      D. Abschluss des Vertrages

      Die Regelungen des CISG über den Abschluss des Vertrages und damit über Angebot und Annahme bestimmen sich i.S.d. Art. 14-24 CISG (Teil II).

      I. Angebot

      Bei Geltung des CISG werden die Voraussetzungen für das Zustandekommen eines Angebots i.S.d. Art. 14 I CISG geregelt. Ein Angebot liegt insoweit dann vor, wenn ein die essentialia negotii i.S.d. Art. 14 I S. 2 CISG beinhaltender sowie den Bindungswillen des Anbietenden ausdrückender Vorschlag zum Vertragsschluss an eine oder mehrere Personen gerichtet wird. Neben der Bestimmtheit der wesentlichen Vertragsbestandteile muss für den Empfänger des Vorschlags der Bindungswille erkennbar sein. Bei dessen Feststellung ist die objektive Erklärungsbedeutung aus Sicht eines objektiven Empfängers i.S.d. Art. 8 CISG maßgeblich.77 Dabei ist die Bestimmtheit des Vorschlags von Bedeutung.78

      Die korrespondierende Vorschrift des BGB ist knapper gehalten. Der Antrag auf Vertragsschließung i.S.d. § 145 BGB erfordert jedoch in Bezug auf einen Kaufvertrag ebenso die Erkennbarkeit der wesentlichen Vertragsbestandteile.79

      Hinsichtlich der Bindung an ein Angebot sowie der Rücknahme- und Widerrufsmöglichkeiten bestehen hingegen Unterschiede zwischen CISG und unvereinheitlichtem deutschen Recht. Hierfür ist das Wirksamwerden des Angebots beachtlich, weshalb darauf zunächst eingegangen wird.

      Ein grundsätzlicher Unterschied besteht bezüglich des Zeitpunktes des Zugangs und damit des Wirksamwerdens von Willenserklärungen gegenüber Abwesenden zwischen den Regelungen des Teils II des CISG und des BGB. Art. 24 CISG stellt hierfür auf die Zustellung und somit das Gelangen in den Machtbereich ab, während es i.S.d. § 130 I S. 1 BGB der Möglichkeit der Kenntnisnahme bedarf.80

      I.S.d. Art. 15 I CISG wird ein Angebot wirksam, sobald es dem Empfänger zugeht. Dies geschieht i.S.d. Art. 24 CISG mündlich oder durch Zustellung. Eingeschlossen werden von Art. 24 CISG auch Erklärungen durch Verhalten.81

      Bei Geltung des BGB beurteilt sich das Wirksamwerden eines Angebots nach der allgemeinen Vorschrift für Willenserklärungen i.S.d. § 130 I S. 1 BGB und damit nach dem Zeitpunkt des Zugangs. Die Vorschrift bezieht sich nach ihrem Wortlaut auf Erklärungen gegenüber Abwesenden. Nach deutscher Rechtsprechung ist der Zugang einer Willenserklärung dann gegeben, wenn sie so in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, dass er von ihr unter gewöhnlichen Umständen Kenntnis gelangen kann.82 Eine verkörperte Willenserklärung gegenüber einem Anwesenden geht daher analog regelmäßig durch Übergabe zu,83 eine nicht verkörperte Willenserklärung bei unmittelbarer sinnlicher Wahrnehmbarkeit.84 Konkludente Willenserklärungen gelten als nicht verkörpert.85

      Abgesehen vom Zeitpunkt des Zugangs bestehen hinsichtlich des Wirksamwerdens eines Angebots somit keine relevanten Unterschiede.

      Betrachtet werden im Folgenden die Regelungen zur Bindung an ein Angebot sowie zu dessen Rücknahme und Widerruf.

      Bei Geltung des unvereinheitlichten deutschen Rechts ist der Antragende i.S.d. § 145 BGB durch seinen Antrag unmittelbar an diesen gebunden, es sei denn, er hat dies aktiv ausgeschlossen. Die Bindung des Antragenden an seine Willenserklärung entfällt ansonsten nur i.S.d. § 130 I S. 2 BGB, wenn sein Widerruf dem Empfänger vorher oder gleichzeitig mit dieser zugeht. Die Willenserklärung des Antrags wird dann nicht wirksam.

      Das entspricht der Regelung i.S.d. Art. 15 II CISG, dessen Begrifflichkeiten sich jedoch von denen des BGB unterscheiden. Abweichend von der Vorschrift des Allgemeinen Teils des BGB normiert Art. 15 II CISG anstelle des allgemeinen Begriffs der Willenserklärung den Begriff des Angebots. Anstatt des Widerrufs regelt Art. 15 II CISG die Rücknahme eines Angebots, selbst wenn es unwiderruflich ist. Das CISG unterscheidet zwischen der Rücknahme und dem Widerruf eines Angebots. Diese Differenzierung besteht im BGB ausgehend von der grundsätzlichen Bindung des Antragenden an sein Angebot i.S.d. § 145 BGB nicht.

      Über die Rücknahme hinaus wird dem Antragenden bei Geltung des CISG i.S.d. Art. 16 I CISG die Möglichkeit eröffnet, sein Angebot auch nach dessen Zugang noch zu widerrufen, soweit der Widerruf dem Empfänger vor dessen Absendung seiner Annahmeerklärung zugeht. Diese Möglichkeit unterliegt allerdings den Einschränkungen i.S.d. Art. 16 II CISG. I.S.d. Art. 16 II lit. a CISG ist ein Angebot dann nicht widerruflich, wenn es dies durch eine Annahmefrist oder anderweitig zum Ausdruck bringt. Es folgt dasselbe i.S.d. Art. 16 II lit. b CISG, wenn der Empfänger im vernünftigen Vertrauen auf die Unwiderruflichkeit des Angebots gehandelt und insoweit Dispositionen getroffen hat. Hierin kommt der Grundsatz von Treu und Glauben i.S.d. Art. 7 I CISG zum Ausdruck.86

      Bei Geltung des BGB entsteht bereits mit der Bindung des Antragenden i.S.d. § 145 BGB ein vorvertragliches Schuldverhältnis, aus welchem sich für den Empfänger Ansprüche i.S.d. §§ 280 I, 311 II BGB ergeben können.87

      Demgegenüber ist das vorvertragliche Verhältnis der Parteien grundsätzlich nicht Regelungsgegenstand des CISG.88 Widerruft der Anbietende i.S.d. Art. 16 I CISG, führt dies zum Erlöschen des Angebots.89 Widerruft er trotz Unwiderruflichkeit i.S.d. Art. 16 II CISG, bleibt das Angebot bestehen, womit dem Empfänger die Annahme möglich bleibt.90 Verweigert der Anbietende die Erfüllung, stehen dem Empfänger die Rechtsbehelfe des Übereinkommens zur Verfügung.91 Eine Haftung aus culpa in contrahendo ergibt sich aus den abschließenden Regelungen des CISG nicht.92 Ungeachtet dessen wird im Schrifttum eine Haftung des Anbietenden gegenüber dem Empfänger teilweise dann bejaht, wenn dieser i.S.d. Art. 16 II lit. b CISG gehandelt hat und die Vertragsverhandlung entgegen Treu und Glauben durch den Anbietenden abgebrochen wird.93

      Das Erlöschen eines Angebots bestimmt sich bei Geltung des CISG ausdrücklich i.S.d. Art. 17 CISG durch den Zugang einer Ablehnung beim Anbietenden. Dies entspricht der Regelung des § 146 Var. 1 BGB.

      Ein Angebot erlischt zudem durch Fristablauf. Bei Geltung des CISG ergibt sich dies,