Название | Handbuch des Verwaltungsrechts |
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Год выпуска | 0 |
isbn | 9783811488618 |
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Missbräuchliche Verwaltung
Eine verhängnisvolle, allerdings zu keinem Zeitpunkt intendierte Folge der unterlassenen Länderneugliederung war, dass frühe Erfolge der NSDAP in Kleinstaaten wie Schaumburg-Lippe (26,9 %, 1931) oder Braunschweig (22,9 %, 1930) reichsweite Aufmerksamkeit erhielten.[169] Auch die Einbürgerung des staatenlosen Adolf Hitler durch eine rechtsmissbräuchliche Beamtenernennung zum Landesbeamten, also zum Angehörigen einer Landesverwaltung, war im „kleinstaatlichen“ Kontext erfolgt. Nachdem 1930 Ernennungen zum Polizeikommissar in Thüringen[170] und zum Professor in Braunschweig scheiterten, wurde Hitler 1932 zum braunschweigischen Regierungsrat ernannt;[171] er nahm unmittelbar nach Ernennung Urlaub und hatte offen als einziges Motiv den Erwerb der „Reichsangehörigkeit“ benannt. Auch nach damaligem Recht hätte Hitler nicht ernannt werden dürfen.[172]
1. Innenverwaltung
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„Republikanisches Bollwerk“
In den größeren Ländern zählte zu der inneren Verwaltung ein beeindruckender Apparat. Mit Abstand wichtigster Einzelstaat blieb, entgegen aller gegenläufigen Bestrebungen, weiter Preußen, einerseits durch seine Größe, andererseits durch Kontinuität der politischen Leitungsebene[173] unter dem langjährigen Ministerpräsidenten Otto Braun.[174] Dem preußischen Innenministerium, noch immer eine der wichtigsten und mit fünf Abteilungen größten deutschen Behörden, unterstanden das Statistische Landesamt, das Domkapitel Brandenburg, die Domstifte Merseburg, Naumburg und Zeitz, der Deutsche Sparkassen- und Giroverband, der Verband öffentlicher Feuerversicherungsanstalten, der Verband öffentlicher Lebensversicherungsanstalten und nicht zuletzt die Polizei.
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Polizei in Preußen
Unmittelbar dem Ministerium unterstanden das Polizeipräsidium in Berlin, die höhere Polizeischule in Eiche bei Potsdam sowie die Polizeischule für Leibesübungen in Berlin-Spandau. Landespolizeibehörden waren dem Regierungspräsidenten nachgeordnet. Landes- und Gemeindepolizisten handelten „im Namen des Staates“, bei einer insbesondere in den Provinzen Rheinland und Westfalen erkennbaren Tendenz zur „Verstaatlichung“ mit Polizeipräsidien als Landesbehörden; 1929 bestand in 45 Städten für 16 Mio. Einwohner staatliche Polizei.[175] Preußen zählte rund 91.000 Polizisten, seit 1926 auch Frauen in der „Weiblichen Kriminalpolizei“[176] und besaß mit der paramilitärischen „Sicherheitspolizei“ die nach der nur wenig größeren Reichswehr größte bewaffnete Truppe. Die nach Vorbild der französischen Gendarmerie 1812 gebildete „Landjägerei“ für das „platte Land“ war 1923 der allgemeinen Landesverwaltung unterstellt und von militärischer auf zivile Organisation umgestellt worden.[177] Die Kodifikation des disparaten preußischen Polizeirechts fand 1931 mit dem Polizeiverwaltungsgesetz einen Abschluss.[178] Es war die größte Leistung Preußens auf dem Gebiet der Verwaltung in der Weimarer Republik und das Werk von vier Praktikern, dem Präsidenten des preußischen OVG Bill Drews[179] und der Beamten im preußischen Innenministerium Christian Kerstiens, Erich Klausener und Robert M. W. Kempner.[180] Auch in anderen Ländern war das Polizeirecht vom Nebeneinander staatlicher und kommunaler Polizei geprägt. Das preußische Polizeirecht spielte nach 1945 weiter eine wichtige Rolle im besonderen Verwaltungsrecht der Bundesrepublik.[181]
2. Finanz- und Wirtschaftsverwaltung
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Schlösser und Staatsweingüter
Die Finanzverwaltungen der Länder spielten infolge der „Verreichlichung“ nur noch eine untergeordnete Rolle. Gewisse Bedeutung erlangten sie durch Zuständigkeit für die meiste öffentliche Bautätigkeit (Hochbauabteilung) und die Verwaltung landeseigener Liegenschaften. Bei dem preußischen Finanzministerium kam die Verwaltung beschlagnahmter Vermögensmassen des Hauses Hohenzollern hinzu, darunter Schlösser, Bauämter, die Berliner Schlossbibliothek und die Münchener Schackgalerie. Nach einer Vermögensauseinandersetzung mit dem preußischen Staat wurde am 1. April 1927 die „Verwaltung der Staatlichen Schlösser und Gärten“ gebildet. Auch in anderen Ländern betrieb die Finanzverwaltung die Auseinandersetzung mit dem ehemaligen Domänen-, Forst- und Schlössereigentum.[182] Zur Finanzverwaltung gehörten schließlich auch die wirtschaftliche Betätigung des Staates, im Falle Preußens die Preußische Staatsbank („Preußische Seehandlung“), die Preußische Zentralgenossenschaftskasse („Preußenkasse“), die Generallotteriedirektion, die Preußische Bergwerks- und Hütten AG sowie seit 1927 die Preußische Elektrizitäts AG („Preußen-Elektra“).[183] Die preußische Domänenverwaltung mit dem Staatsweingut Kloster Eberbach gehörte zum Ministerium für Landwirtschaft, Domänen und Forsten. Zum preußischen Ministerium für Handel und Gewerbe gehörte neben der Staatlichen Porzellanmanufaktur Berlin (KPM) auch wie in den meisten Ländern die Bergverwaltung; mit Oberbergämtern als Oberbehörde und Bergämtern als Unterbehörde, zudem die Geologischen Landesanstalten.
3. Arbeits- und Sozialverwaltung
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Fürsorge und Anstalten
Die Sozialverwaltung, im damaligen Sprachgebrauch mit „Volkswohlfahrt“ oder „Fürsorge“ umschrieben, war auf Ebene der Länder relativ schwach. Traditionell ein genuines Betätigungsfeld der Kommunen, hatte das Reich hier unter der WRV, mehr Zwängen als einem Plan gehorchend, erhebliche Kompetenzen erworben. Bei den Kompetenzen der Länder verblieben die Gesundheitsverwaltung mit der gewichtigen Selbstverwaltung der Ärzte und Heilberufe, die als Sozialpolitik verstandenen staatlichen Pfandbriefbanken, Anstalten für Waisen, Taubstumme und Blinde und schließlich als wichtige Krankenhäuser in Trägerschaft Preußens etwa die Berliner „Charité“ und das Elisabethhospital Kassel. Auf Ebene der Provinzen bestanden „Provinzialanstalten“, besondere Krankenhäuser wie das Landarmen- und Krankenhaus Geseke, die Augenheilanstalt Münster und Entbindungsanstalten (Landesfrauenkliniken), in der Regel in Verbindung mit einer Hebammenlehranstalt. Die Anstalten zur „Pflege der Gebrechlichen“ und die „Krüppelfürsorge“, so der damalige Sprachgebrauch, durch die Verordnung über die Fürsorgepflicht von 1924 auf eine solide Grundlage gestellt, unterstanden den Landefürsorgeverbänden auf Provinzialebene.[184]
I. Justiz
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Sparzwänge
Die