Praxis des Bußgeldverfahrens im Kapitalmarktrecht. André-M. Szesny

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Название Praxis des Bußgeldverfahrens im Kapitalmarktrecht
Автор произведения André-M. Szesny
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Год выпуска 0
isbn 9783811406605



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Beiordnung eines anwaltlichen Vertreters

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      Neben dem Wahlvertreter kommt die Beiordnung eines anwaltlichen Vertreters in Betracht. Für die Beiordnung eines Rechtsanwalts oder einer anderen Person, die als Verteidiger bestellt werden darf, ist die BaFin gem. § 88 Abs. 1 OWiG zuständig. Auf Antrag oder von Amts wegen bestellt die BaFin gem. § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 428 Abs. 2 StPO der Nebenbeteiligten bereits im Ermittlungsverfahren[134] einen Rechtsanwalt, wenn wegen der Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage, soweit sie die Verbandssanktionierung betrifft, die Mitwirkung eines Rechtsanwalts geboten erscheint oder wenn ersichtlich ist, dass die Nebenbeteiligte ihre Rechte nicht selbst wahrnehmen kann.

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      Für die Zurückweisung eines Vertreters gilt gem. § 88 Abs. 1 Hs. 2 OWiG die Regelung des § 60 S. 2 OWiG entsprechend,[135] d.h. zuständig ist die BaFin. Ist der anwaltliche Vertreter der betroffenen Gesellschaft im einheitlichen Verfahren zugleich der Verteidiger des betroffenen Leitungsorgans, kann dieser nach h.M. nicht wegen Interessenkollision gem. § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m § 146 StPO zurückgewiesen werden.[136]

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      Die BaFin kann Auskunftspersonen als Zeugen vernehmen, § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. §§ 48 ff. StPO. Zeugen unterliegen der Pflicht zum Erscheinen vor der BaFin sowie zur wahrheitsgemäßen Aussage.[137]

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      Erscheinen die Zeugen trotz ordnungsgemäß zugestellter Ladung (zumeist per PZU) nicht, kann die BaFin gegen sie ein Ordnungsgeld festsetzen, §§ 46 Abs. 2 OWiG i.V.m. §§ 161a Abs. 2, 51 Abs. 1, 77 Abs. 1 StPO. Die zwangsweise Vorführung darf hingegen nur der Richter anordnen, § 46 Abs. 5 OWiG. In einem solchen Fall muss die BaFin bei dem zuständigen Ermittlungsrichter des Amtsgerichts Frankfurt a. M. (vgl. § 162 Abs. 1 StPO) einen Antrag auf richterliche Anordnung der Vorführung beantragen, wenn diese Maßnahme zuvor dem Betroffenen oder dem Zeugen angedroht worden war. Nach Erlass wird die richterlich angeordnete Vorführung des Zeugen durch die Polizei vollstreckt.

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      Zwangsmittel können auch angedroht werden, wenn der Zeuge unberechtigt die Aussage verweigert. Berechtigt ist die Aussageverweigerung, wenn der Zeuge ein Auskunftsverweigerungsrecht (§ 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 55 StPO) oder ein Zeugnisverweigerungsrecht (§ 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. §§ 52 ff. StPO) hat. Während der Zeuge über das Auskunftsverweigerungsrecht nicht selten zu belehren ist (§§ 46 OWiG, § 55 Abs. 2 StPO), muss der Zeuge über sein Zeugnisverweigerungsrecht erst dann belehrt werden, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass er Angehöriger des Betroffenen ist.[138]

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      Im Bußgeldverfahren ist es wegen des nach § 47 Abs. 1 OWiG der BaFin eingeräumten Verfolgungsermessens grundsätzlich möglich, gegenüber dem zur Auskunftsverweigerung berechtigten Zeugen eine Nichtverfolgungszusage zu erklären, um die Verfolgungsgefahr im Sinne des § 55 StPO für diesen Zeugen auszuschließen.[139] Hierin würde sich die BaFin verpflichten, nicht gegen den § 55-Zeugen zu ermitteln, um dessen Aussagebereitschaft trotz Verfolgungsrisikos zu erhöhen.

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      Vertiefung (Zur Nichtverfolgungszusage im Bußgeldverfahren)

      Die Zulässigkeit von Nichtverfolgungszusagen im Bußgeldverfahren ist nicht unumstritten.[140] Das Bundeskartellamt nutzt sie im Kartellbußgeldverfahren zur verbesserten Sachverhaltsaufklärung.[141] Die Nichtverfolgungszusage ist neuerdings in § 59 Abs. 4 GWB geregelt. Die Voraussetzungen sowie die Bindungswirkung sind in der Rechtsprechung nicht geklärt.[142] Der Gesetzgeber geht davon aus, dass mit der Nichtverfolgungszusage ein Vertrauenstatbestand geschaffen wird, der nach den Grundsätzen eines fairen Verfahrens und dem Verbot widersprüchlichen Verhaltens eine Selbstbindung der Behörde bewirkt.[143] Solange die zulässigen Grenzen des Ermessens nicht überschritten sind, darf die Behörde von der gegebenen Zusicherung nicht wieder abweichen.[144] Bei Ausübung des Verfolgungsermessens soll neben der Bedeutung des Verstoßes und der Rolle des Betroffenen auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit des Verfahrensaufwands und das Interesse an der Aufklärung und Ahndung schweren Unrechts Berücksichtigung finden können. Dementsprechend kann es nach der Vorstellung des Gesetzgebers angemessen sein, mit einer Nichtverfolgungszusage das Ziel zu verfolgen, an eine wahrheitsgemäße Aussage zu gelangen, die geeignet ist, in Bezug auf einen Anderen den Nachweis einer schweren Ordnungswidrigkeit zu erleichtern und insbesondere die Verhängung abschreckend hoher Bußgelder gegen Gesellschaften zu ermöglichen.[145] Ob und inwieweit die Nichtverfolgungszusage bei der Aufklärung von kapitalmarktrechtlichen Ordnungswidrigkeiten sinnvoll sein kann, ist in der Praxis – soweit ersichtlich – bislang nicht erprobt.

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      Die BaFin kann im Ermittlungsverfahren aus unterschiedlichen Gründen Geschäfts- und Wohnräume durchsuchen und aufgefundene Beweismittel sicherstellen oder beschlagnahmen. An dieser Stelle soll die Erlangung von Gegenständen zu Beweiszwecken gem. § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 94 StPO bzw. zur Auffindung von Beweismitteln gem. § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. §§ 102 ff. StPO dargestellt werden.

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      Zu Beweiszwecken können körperliche Gegenstände wie beispielsweise Geschäftsunterlagen, Datenträger und Computerausdrucke sichergestellt werden.[146]

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      Im Allgemeinen werden Gegenstände im Straf- und Bußgeldverfahren im Grundsatz sichergestellt und nur, wenn sie sich im fremden Gewahrsam befinden und nicht freiwillig herausgegeben werden, beschlagnahmt, § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 94 Abs. 2 StPO.[147] Die Beschlagnahme ist gegebenenfalls mit der Durchsuchung gem. § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. §§ 102 ff. StPO oder – sofern Adressat der Beschlagnahme kein Betroffener[148] bzw. kein zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigter Zeuge ist – mit dem Herausgabeverlangen gem. § 95 StPO durchzusetzen.

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      Die Anordnungskompetenz der Beschlagnahme liegt beim Ermittlungsrichter gem. §§ 46 Abs. 1 OWiG iVm § 162 Abs. 1 StPO des Amtsgericht Frankfurt a. M. Nur bei Gefahr im Verzug (d.h. bei drohendem Beweismittelverlust) ist die BaFin befugt, die Beschlagnahme von Beweismitteln anzuordnen, §§ 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 98 Abs. 1 2. Variante StPO.

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      Die materiellen Voraussetzungen der Sicherstellung bzw. Beschlagnahme sind:

- Anfangsverdacht einer Ordnungswidrigkeit
- Potentielle Beweisbedeutung des Gegenstandes
- Verhältnismäßigkeit der Eingriffsmaßnahme Gegenüber Behörden oder öffentlich-rechtlichen Banken ist in der Regel ein Auskunftsverlangen gem. § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 161 Abs. 1 StPO das mildere Mittel. Wenn Bankunterlagen sichergestellt werden sollen und die Erstellung von Fotokopien zu Beweiszwecke ausreichend sind, sollte