Handbuch des Verwaltungsrechts. Группа авторов

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isbn 9783811488625



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Juristischen Wochenschrift auf das Fehlen von Grundrechtskatalogen in den Gemeinschaften und schlussfolgerte daraus die Bindung aller Gemeinschaftsorgane an die nationalen Grundrechte. Er argumentiert gegen die These vom Vorrang des Gemeinschaftsrechts, zu der auch Zuleeg sich im Sinne einer Grundrechtsverdrängung im Einzelfall positioniert hatte,[150] und wirft der „deutschen Verfassungslehre“ vor, das Problem der fehlenden demokratischen Bindung einer „verselbständigten Herrschaft von Vertragsorganen […] behend zu überspringen.“[151] Rupp fordert eine schrittweise Anpassung des Gemeinschaftsrechts an diejenigen Standards, „die eine freiheitlich-rechtsstaatliche Demokratie europäischer Nation besitzen muß, um von allen ihren Bürgern aus innerer Überzeugung erhofft und erstrebt zu werden.“[152] Diese Generalkritik wird bei ihren Adressaten in der Rechtswissenschaft verstanden und umgehend beantwortet. Hans Peter Ipsen bescheinigt Rupp in seinem Vortrag vor der Berliner Rechtswissenschaftlichen Gesellschaft, der Bundesstaatskonzeption des 19. Jahrhunderts nachzuhängen und die Erkenntnis der funktionalen Teilintegration unberücksichtigt zu lassen. Die Verfassungsstrukturen der Mitgliedstaaten, jenseits der Wirtschaftsordnung und Sozialgestaltung, und die Rechtspositionen der Bürger als Marktbürger in ihren Konstitutionsprinzipien würden nicht angetastet, während die nationalen Verfassungsordnungen „nach den Erfahrungen der Gemeinschaftsverfassung und ihres Vollzuges“ überprüfbar werden würden.[153] Die Kontroverse ging bekanntlich anders aus, als von der deutungsmächtigen Hamburger Schule des Europarechts gedacht: mit dem Paukenschlag aus Karlsruhe, dem Solange I-Beschluss des Zweiten Senats im Jahr 1974. Die Entscheidung enthielt nicht nur den Prüfvorbehalt für Gemeinschaftsrechtsakte am Maßstab der deutschen Grundrechte, sondern wies indirekt auch die Gesamtakttheorie zurück, weil Art. 24 GG keine völkerrechtlichen Verträge tragen könne, „die die Identität der geltenden Verfassung der Bundesrepublik Deutschland durch Einbruch in die sie konstituierenden Strukturen aufheben würde.“[154] Der Gerichtshof setzte seine Bemühungen um die Gemeinschaftsgrundrechte fort; weil der geplante Beitritt der Gemeinschaften zur EMRK scheiterte, erklärten die Organe 1977 ihre Selbstbindung an die als allgemeine Rechtsgrundsätze geltenden, ungeschriebenen Gemeinschaftsgrundrechte.[155]

      34

      Habilitationsschriften

      Ein wichtiger Merkposten für die Thematik der verfassungsrechtlichen Bindung an Grundrechte und Rechtsstaatlichkeit sind die allgemeinen Rechtsgrundsätze. Dazu erscheint 1977 eine weitere Habilitationsschrift. Der Autor, Hans-Werner Rengeling, hatte bereits zuvor in einem Aufsatz zum nationalen Verwaltungsvollzug von Gemeinschaftsrecht die von Hans Peter Ipsen 1968 eingeführte Formulierung von der „Öffnung“ der nationalen Verwaltungen aufgenommen und das „Eindringen“ des Gemeinschaftsrechts in den Bereich der nationalen Infrastruktur durch den Verwaltungsvollzug als zu wenig beachtetes Thema identifiziert.[156] Nun folgte eine ausführliche Untersuchung des Verwaltungsvollzugs, den er detailliert in verschiedene Spielarten differenzierte.[157] Im Mittelpunkt steht die Funktion von Rechtsgrundsätzen, deren Anwendung in den Mitgliedstaaten Rengeling vergleicht und an die sich eine Analyse der Existenz und Anwendung von Rechtsgrundsätzen im Gemeinschaftsrecht und eine Verhältnisbestimmung nationaler und gemeinschaftsrechtlicher Rechtsgrundsätze anschließt. Methodisch bewegt er sich also auf dem für das Verwaltungsrecht vor den Gesetzeskodifikationen vertrauten Terrain, auf dem Verwaltungsgerichte und die -rechtswissenschaft die Grundsätze als Rechtsquelle verstehen. Bereits ein Jahr zuvor erschien die Freiburger Habilitationsschrift von Jürgen Schwarze, in der er die Rolle des EuGH als „Gesetzgeber“ im „unvollkommen geregelten Gemeinschaftsrecht“ anhand der bisher ergangenen Entscheidungen untersuchte und damit methodisch den Schritt machte, dass der Gerichtshof berechtigt sei, etwa über die allgemeinen Rechtsgrundsätze, die fehlenden Grundrechte durch Rechtsfortbildung zu schaffen und Normdefizite zu überwinden.[158]

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      Europäische Publikationslandschaft

      Die 1960er Jahre sind das Jahrzehnt, in dem sich die Publikationslandschaft durch die Gründung spezifisch europarechtlicher Zeitschriften verändert.[159] Diese Gründungen waren programmatisch motiviert und weniger einem Mangel an Publikationsmöglichkeiten für gemeinschaftsrechtliche Beiträge geschuldet, für die eine Vielzahl juristischer Zeitschriften zur Verfügung stand. Hinsichtlich der Lehrbücher bestätigt die Gesamtschau, dass Bezugnahmen auf das Gemeinschaftsrecht zunächst nicht vorhanden waren.[160] Eine bemerkenswerte Ausnahme, die zugleich den psychologischen Affekt gegen das „Eindringen“ des Gemeinschaftsrechts in das deutsche Verwaltungsrecht belegt, ist das zweibändige Verwaltungsrechtslehrbuch des in Tübingen lehrenden Wilhelm Merk. Die EWG findet im ersten Band, der 1962 erschienen ist, nur zwei Mal Erwähnung, beobachtend, als Beispiel für regionale europäische Zusammenschlüsse und als Beispiel für überstaatliche Verwaltungsträger.[161] Der zweite Band aus dem Jahr 1970 enthält tiefgreifende Kritik an der EWG-Landwirtschaftspolitik.[162] Merks Lehrbuch zeigt quasi als Gegenperspektive, dass ein wesentlicher Grund für die zunächst sehr geringe Responsivität des Lehrbuchmarktes das Fehlen eines ausbildungsrelevanten Referenzgebiets im besonderen Verwaltungsrecht gewesen sein könnte. Landwirtschafts- und Zollrecht sind Spezialistenmaterien, die in der universitären Ausbildung – von Ausnahmen abgesehen – nahezu keine Rolle spielen; das Kartellrecht liegt im akademischen Sprengel der Zivilrechtswissenschaft. So wäre die kompetenzielle Ausdehnung des Gemeinschaftsrechts in die Wirtschaftsverwaltung, in den Umwelt- und Verbraucherschutz eine rechtstatsächliche Voraussetzung für die durchdringende Europäisierung der Verwaltungsrechtswissenschaft. Die Bezüge in der Literatur unterlagen einer allmählichen Steigerung, die proportional zu der Bedeutung des Themas „Europa“ verlief – exemplarisch kann das an den Lehrbüchern von Hans Julius Wolff,[163] Ingo von Münch[164] sowie Hans-Uwe Erichsen und Wolfgang Martens nachvollzogen werden. Fritz Ossenbühl bemerkte 1975 selbstreflexiv in seinem Beitrag „Die Quellen des Verwaltungsrechts“ in dem letztgenannten Lehrbuch, man werde der Bedeutung des Gemeinschaftsrechts nach dem derzeitigen Stand der Entwicklung am ehesten dadurch gerecht, wenn man es an die Spitze der Rechtsquellen des Verwaltungsrechts stellen würde, was allein der Entwicklungsgeschichte nicht entspräche. Weiter heißt es: „Über den hohen Stellenwert des Europäischen Gemeinschaftsrechts in unserer Rechtsordnung besteht im Prinzipiellen kaum Streit. Um so merkwürdiger erscheint die Feststellung, daß das Europäische Gemeinschaftsrecht in neueren verwaltungsrechtlichen Darstellungen entweder ganz fehlt oder nur am Rande erwähnt wird.“[165]

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      Rechtsvergleichung als methodischer Hebel

      Bereits in den 1960er Jahren ist die Rechtsvergleichung ein anspruchsvolles Instrument, auf das Erwartungen im Hinblick auf das neue Gemeinschaftsrecht und die Rechtsvereinheitlichung gerichtet werden. Die Mitgliedstaaten hatten etwas Gemeinsames geschaffen, für dessen Rechtsfragen es nahe lag, gemeinsame Antworten aus dem Vorhandenen zu entwickeln, wie einstmals das gemeine deutsche Staatsrecht im 19. Jahrhundert.[166] Zunächst begrenzten sich diese Erwartungen darauf, rechtsvergleichend europäisches Eigenverwaltungsrecht zu schaffen, wofür in den Gemeinschaftsverträgen sogar normative Ansätze vorhanden sind.[167] Diese Bezugnahmen auf die allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts, die im Wege der wertenden Rechtsvergleichung der mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen zu ermitteln seien, wurden (und werden) als Ermächtigung zur Rechtsfortbildung verstanden.[168] Das öffentliche Dienstrecht der Gemeinschaften entsteht durch vergleichende Anleihen beim deutschen und französischen Beamtenrecht. Ein internationaler Kongress des Heidelberger Max-Planck-Instituts für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht schuf die rechtstatsächliche Grundlage für das Haftungsrecht der Gemeinschaften.[169] Die Gemeinschaftsgrundrechte sollen sich aus einem „wertenden Rechtsvergleich“ der gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten ergeben.[170] Doch mit der Zeit wird deutlich, dass es bei den rechtsvergleichenden Bemühungen auch darum geht, dass ein einheitliches europäisches Verwaltungsrecht entsteht, nach dessen Maßgabe das Gemeinschaftsrecht vollzogen wird.[171] Diese, das Verhältnis von deutschem und europäischem Recht betreffende Frage bezeichnete Otto Bachof als „Merkposten“. Für Bachof war