Echsenherz. David Dour

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Название Echsenherz
Автор произведения David Dour
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Издательство
Год выпуска 0
isbn 9783960082002



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zu seiner Linken, hieb mit seinen Klauen nach diesem, zog tiefe Furchen über dessen baren Brustkorb. Sehr schnell wendete er sich zu dem Angreifer zu seiner Rechten, sprang mit nahezu all der ihm innewohnenden Kraft auf ihn zu, einen letzten Blick zu Anna werfend. Während dieser Verwandelte aber geschickt auswich, gelang es der sehnigen Anna, einem weiteren der angreifenden Drachenartigen die Klinge, der Beschaffenheit nach ähnlich einem Kurzschwert, bis zum Heft in den Bauch hineinzustoßen; dieser Feind brach lautlos tot zusammen. Gegenwärtig hatte sich der Verwandelte mit den Furchen auf seiner Brust erholt, Pyron war bereits in einen Ringkampf mit dem Feind verwickelt, welchen er zuvor angesprungen und verfehlt hatte, da hörte er die in Lumpen gekleidete Anna von Seron schreien: „Helft mir, Pyron!“

      Aggressive Knurrlaute waren zu hören und mit einer ihm unbekannten Rage biss Pyron seinen Gegner, der gerade im Begriffe gewesen, Selbiges zu unternehmen, und zwar so tief und fest in dessen linken Arm, dass dieser allein noch von der geschuppten Haut gehalten wurde. Und wie mit einem entsetzlichen Ahnungsschauer zu vergleichen, wurde Pyron gewahr, dass er den Geschmack von Blut liebte … Es war in der Tat ein entsetzlicher Schmerzenslaut, den der Besiegte von sich gab, der Schrei wurde durch den Wind hindurch über die Dächer Masirs getragen, verscheuchte die restlichen Tauben hoch über den Kämpfenden auf den Giebeln der Dächer.

      Zwei der üblen Lakaien waren noch kampfbereit und Anna von Seron erwehrte sich tapfer mit Händen und Füßen einem der Verbliebenen, welcher sie niedergerungen hatte und sich anschickte, sie zu töten. Die Elfenartige in derartiger Notlage zu erblicken, ließ Pyron für einen Moment sein Leben und den nun flüchtenden Einarmigen vergessen, erweckte in ihm die Bereitschaft, sich für diese bildhübsche Maid zu opfern. Langsam wurde Pyron sich seiner neuen Kräfte bewusst und er kämpfte wie ein Verderber. Momentan hatte er zum Sprung angesetzt, um denjenigen Drachenartigen zu erreichen, der über Anna war: Doch griff der Verletzte – jener mit der tiefen Fleischwunde durch Pyrons Pranke auf der Brust – nach ihm und fasste ihn durch seinen Mantel hindurch fest an seinen Beinen. Pyron war nun auf allen vieren und strampelte hektisch mit seinen Beinen, und weil er zu Boden gerissen ward, klammerte er sich mit seinen Krallen in den steinigen Untergrund. In der Hoffnung, die lebensbedrohende Gefahr von der Edelblütigen abwenden zu können, griff er den Drachenartigen über ihr selbst an einem Bein und zog daran in der Absicht, Anna von Seron dadurch Luft zu verschaffen. Noch immer kreischte sie um Hilfe, doch waren sie tatsächlich auf sich allein gestellt, hier in der Gasse.

      In seiner bitteren Not tastete Pyron blindlings nach irgendeinem Gegenstand, erwischte etwas Scharfkantiges, schnitt sich daran, ließ jedoch nicht davon ab: Zu seiner Verblüffung handelte es sich dabei um Annas Kurzschwert, mit welchem sie zuvor ihren Feind niederstreckte, und Pyron umklammerte den Stahl, wandte sich zu dem nach ihm greifenden Drachenartigen um und stach todesmutig zu. Er traf ihn in seinen dunkel geschuppten Hals und abermals ertönte ein furchtbares Geheul, während ein weiterer Drachenartiger verschied.

      Pyron schubste den auf ihm liegenden Getöteten schnellstmöglich von sich runter, drehte sich zu der Elfenartigen und ihrem Peiniger – von demjenigen, welchen Pyron zuvor gebissen hatte, fehlte jede Spur. Anna von Seron hatte es gerade geschafft, der verwandelten Bestie über ihr einen Tritt gegen das Haupt mitzugeben, hatte sich für einen Moment freien Atem verschafft, und flink sprang Pyron auf diese, verwandte den Dolch der Elfenartigen und stieß ihn dem Monstrum in die Seite. Zum letzten Mal an diesem Nachmittag ertönte der Laut einer solchen Kreatur in ihrem Todeskampf und Pyron bot der blondhaarigen Schönheit, nachdem er sich stoßweise atmend Luft verschafft hatte, seine Pranke, verhalf Anna von Seron keuchend auf die Beine.

      Mit der ihren Hand in der seinen versuchte der Drachenmann Pyron zu Worten zu kommen, wollte sich nach ihrem Befinden erkunden, doch war sein Atem zu knapp bemessen – und die keuchende Frau deutete ihm, zu schweigen: „Vielen Dank für Eure Hilfe, werter Fremder – Pyron, ich hätte nicht erwartet, dass Ihr gegen Eure eigene Art zu bestehen, zu kämpfen bereit seid“, sprach sie sichtlich erleichtert.

      Pyron lockerte den Griff um ihre Hand, welche er noch immer hielt, versuchte sich zu formulieren, stockte, sagte dann aber: „Mein geblendeter Bruder Azan und ich, wir kennen Euch, holde Maid, aus dessen Sehungen. Ich weiß, dass Ihr auf der Flucht, dass Ihr äußerst kostbar seid und wir auf Eure Hilfe angewiesen sind!“

      Weiter kam er vorerst nicht, denn Anna mit den spitzen Ohren küsste den hässlichen Pyron, dessen Zunge nach wie vor unkontrollierbar hin und her zuckte, auf die Wange und fuhr fort: „Führt mich zu ihm!“

      Wie sie sich auf den Weg machten, starrte Pyron mit einem letzten Blick voller Ehrfurcht und Abscheu auf die Kadaver der getöteten Verwandelten. Wenig später erreichten sie das gemeinsame Quartier und während der geblendete Azan das Gesicht von Anna betastete, hin und wieder befremdlich nickte, so als würde er etwas, das nur er verstünde, bestätigt sehen, versuchte Pyron erneut, sich für die vorangegangenen Missverständnisse zu rechtfertigen.

      Doch die elfenartige Frau mahnte ihn ab: „Ich weiß bereits, wer Ihr seid und was es mit Euch zu schaffen hat. Doch kannte ich nicht Euer wahres Aussehen in Gänze, war verunsichert, wollte im Angesichte der Bedrohung kein Risiko eingehenden. Gerne werde ich Euch helfen, Euren Bruder zu erlösen, den Plan und die Absichten der Gottheiten zu erfüllen, Euch beistehen. Doch falls Ihr mir einen Wunsch gestattet“, die immer noch jugendliche Anna lächelte keck, „werde ich Euer vormaliges Hilfeangebot nicht ausschlagen und mich gerne an Rast, Erfrischung und Nahrung erfreuen.“

      Die beiden Brüder nickten einvernehmlich.

      Dass man Elfen und Elfenartigen ihr Alter ab einem gewissen Zeitpunkt nicht mehr ansehen kann, sinnierte Pyron verträumt, dann nickte er wieder zur Bestätigung und wandte sich fragend an seinen Bruder: „Azan, weißt du etwas Neues?“

      Dieser wog nachdenklich seinen Kopf, dann verneinte er, schüttelte sein Haupt: „Nein, aber so, wie die Umstände beschaffen sind, sollten wir uns alsbald auf den Weg zu dem Verbannten der Gottheiten, Lamag, machen. Er wird uns Weiteres weisen können.“

      Noch während sie ins Bad verschwand, rief Anna von Seron zu ihnen herüber: „Ich habe schon einmal von ihm gehört! Ihr werdet meine Hilfe benötigen, wollt Ihr zügig zu ihm gelangen!“

      Erfreut strich Pyron seinem geblendeten Bruder mit seiner Pranke über das Haupt.

      Weniger, dass er Furcht vor Nachstellung hatte, nein, es war vielmehr sein Verlangen, sich in den Erinnerungen an seine Familie zu wiegen, das ihn band, ihn schon fast zwanghaft dazu trieb, sich in der Abgeschiedenheit der Wälder auf seinem Wege zum königlichen Hofe Atuks herumzutreiben. Zwar entsann sich der Magier bisweilen noch des bohrenden Blickes in seinem Rücken bei seiner Flucht nach dem Raub auf den Kaufmann und seine Frau, doch: Mit seinen Gedanken und Erinnerungen noch immer in den Gefilden der auserwählt Gefallenen verhaftet, fing der einstige Hoflehrer des vormaligen Elfenkönigs Nekket von Troff I. an daran zu zweifeln, überhaupt jemals vor neunhundert Sonnen verstorben oder klaren Verstandes zu sein: Ob vielleicht eher etwas mit meinen Zaubern während der Kämpfe gegen Mata, das mythische Drachenwesen, und seine verbündeten Dämonen falsch gelaufen ist?, sinnierte Luvi, eher darüber belustigt als ernsthaft damit befasst, dass er sich womöglich in einer ihm angepassten Wahrnehmung befunden hatte und nicht tatsächlich in den Gefilden, dass ihn seine ehemaligen Verbündeten somit einfach – ihn vielleicht tot glaubend – zurückgelassen hätten.

      Hier und jetzt aber war seine Beute von größter Bedeutung; der gestohlene „Schatz“ von 1500 Silberlingen war in dieser Zeit ein kleines Vermögen, und den Elfenmagier tatsächlich ausfindig oder gar dingfest zu machen, war – in dessen Erachten – bei seinem Talent ein Ding der Unmöglichkeit. Für ihn war für eine ganze Zeit gesorgt, wenn nicht sogar bis zur Erfüllung seiner Mission, so war’s gut. In Gedanken mit seiner Aufgabe befasst, zweifelte der Elfenmagier bisweilen daran, die an ihn gerichtete Erwartung tatsächlich erfüllen zu können.

      Nun befand er sich in einem Waldgebiet unweit der Grenze zu Laileb, dem Land der Zwerge, auf dem direkten Weg nach Godan, in die königlich-höfische Stadt des Königs Atuk – Restru. Luvi fror noch immer erbärmlich und sein Schweiß hatte sich in der Kleidung und