Xaverna. Antonia Kraus

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Название Xaverna
Автор произведения Antonia Kraus
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Издательство
Год выпуска 0
isbn 9783944575094



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gar nicht mehr ins Bett gehen.

      Ganz im Gegensatz zu mir, denn meine Augen drohten bereits zuzufallen. Ich begnügte mich im Bad mit dem Nötigsten, sodass ich wenige Minuten später bereits unter meine Decke kroch. Zu meinem großen Leidwesen war zumindest meine geistige Müdigkeit mit einem Mal verflogen. Gedanken an das Erlebnis auf dem Heimweg marterten mein Gehirn, hinderten mich am Einschlafen.

      Sollte ich die Drohung ernst nehmen? Ich wollte aber partout nicht auf die Höhle verzichten, schon allein wegen ihrer inspirierenden Wirkung. Auf der anderen Seite, vielleicht steckte doch etwas dahinter und es lauerten dort verborgene Gefahren?

      Nur, was konnte das sein? Geister? Haha, wohl kaum. An solche Fantasiegespinste glaubte ich nicht. Wobei die schwarze Wolke mir ebenfalls sehr suspekt erschien. Hatte ich sie mir möglicherweise doch nur eingebildet? Eine blühende Fantasie hatte ich schon, aber doch nicht so stark! Dachte ich jedenfalls bisher. Wenn nun aber alles echt gewesen war, dann bedeutete das ja … weiter kam ich nicht mehr, bevor mich der Schlaf endlich übermannte.

       11. 07. 2010, Xaver

       Heute war ein Mädchen in der Höhle. Ich war nicht zugegen, aber Vater hat es mir erzählt, weswegen ich die Aufnahmen meiner geheimen Überwachungskameras geprüft habe. Stundenlang ist sie durch mein Reich gegeistert! Ich frage mich ernsthaft, wie sie den Eingang gefunden hat. Sie darf nicht wiederkommen!

       Macht meiner Warze habe ich ihr graue Papageien geschickt, als Warnung. Vielleicht lasse ich morgen noch etwas anderes folgen, das muss ich erst sehen. Auf dem Weg nach draußen, im Tunnel, hat das Mädchen gesungen. Ein Kinderlied, herrlich schräg.

      Aber ihr ist nicht der gesamte Text eingefallen. Recht seltsam erscheint mir das. Denn ein Kind ist sie wahrlich nicht mehr, warum also singt sie Kinderlieder? Wie dem auch sei, ich werde sie dank meiner Magie schon abschrecken. Dass von ihr eine Gefahr ausgeht, glaube ich nicht. Daher also nun zu dem spannenderen Thema. Heute war der 11. Juli, es war also Zeit für eine Entlassung. Haha! Ich halte mich an die Vorgaben! Gut, eigentlich wäre auch das Aufgabe meines Vaters gewesen, doch wie gehabt sprang ich notgedrungen als Vertretung für ihn ein. Natürlich gab es nur eine Person, die zu entlassen überhaupt möglich war – mein guter Bruder. Entsprechend hatte ich bereits vorgearbeitet, mit der Androhung des Ruhestandes. Ja, er war kein Minister, aber zumindest sind die Finanzen sein Steckenpferd. Und da Vater sowieso nicht mehr lange durchhält und ich mit Sicherheit kein Hoffnungsträger bin, ruhten alle Hoffnungen der Bücher (sie nämlich stellen mein Volk dar) auf ihm. Passenderweise hieß er ja auch noch Jacob. Wenn das nicht mit Jacques Necker harmoniert! Mich für meinen Teil amüsiert diese Parallele. Planmäßig überraschte ich ihn beim Mittagessen, welches er wie üblich spät einnahm. Sicher, er war dabei allein und ich musste den Gang persönlich erledigen, doch so genau nehme ich das nicht. Auch gab ich ihm keinen Brief, der seine Entlassung verkündete. Denn wie hätte ich es anders anstellen sollen, als ihn zu eliminieren, wo er doch ein Eingeweihter war? Keine Hürde, selbstverständlich nicht. Seinen Körper habe ich dezent in den Räumlichkeiten von Vater verwahrt, wo ich ihn bei der nächsten Reinigung „finden“ werde. Niemand hat etwas bemerkt, wer auch. Alles läuft nach Plan. Ah, drei Tage noch, dann ist der große Augenblick gekommen!

       Um diesen würdig vorzubereiten, habe ich heute endlich den neuen Stempel angefertigt! Anstelle von „Caverna librorum“ wird von jetzt an der Schriftzug „Xaverna“ auf der ersten Seite eines jeden Buches zu finden sein. Damit werden meine Verdienste rund um die Höhle der Bücher für all meine Nachfolger in diesem Amt gut ersichtlich und stets präsent sein, was mir ein gewisses Gefühl der Zufriedenheit verschafft.

       12. 07. 2010, Xaver

       Ich habe das Mädchen von gestern mithilfe der Warze beobachtet. Eine Radtour mit dem kleinen Bruder, welch putzige Idee! Verständlicherweise gönnte ich ihr die Harmonie nicht, ein bisschen Spaß muss schließlich sein! Ein paar Blätter haben völlig ausgereicht, um sowohl ihr als auch dem Bruder die Fassung zu rauben. Vielleicht war die Anspielung auf die Papageien der Nacht etwas zu deutlich, aber eine Warnung zu viel ist besser als eine zu wenig. Hauptsache, sie hält sich nun von hier fern! Ich werde die Beobachtung nicht einstellen, obwohl ich nach wie vor nichts befürchte.

       Doch natürlich steht es mir nicht offen, meine kostbare Zeit zu großen Teilen diesem Kind zu widmen. Nein! So viel Wichtigeres gibt es zu tun, stecke ich doch mitten in einer Revolution! Der 12. Juli war heute, ein ereignisreicher Tag in der Geschichte, so viel ist gewiss. Demnach hatte auch ich alle Hände voll zu tun, den Vorgaben gerecht zu werden. Der erste nennenswerte Schauplatz des Tages war das Palais Royal. Genügt nicht allein der Name, um die Erkenntnis zu gewinnen, dass dies gut und gern durch die Höhle symbolisiert werden kann? Nun sollte sich die Nachricht über Jacobs „Entlassung“ verbreiten, jedoch fand ich keinen Sinn darin, den Büchern davon zu berichten.

      So ließ ich es denn bleiben. Ohnehin ist dies nicht möglich, denn mein Volk (die Bücher!) befand sich ja bereits in unserem Palais Royal. Wenn sie hier auch keinen Tumult veranstalten können, viele sind es allemal. Meines Erachtens deckten sie das Kontingent auch der Aufständischen in der Pariser Oper (welche hier bedauerlicherweise nicht existent ist) und in den Tuilerien ab. So weit, so gut. Das Volk gewinnt an Macht, die Soldaten sind orientierungslos oder fliehen. Gut, hier ist kein Soldat, aber es läuft doch alles auf das Gleiche hinaus. In der Realität floss Blut, ja, doch wie sollen Bücher und nicht vorhandene Soldaten bluten? Dennoch hielt ich mich an die Vorgaben und erzählte die schaurige Geschichte des Massakers. Leider habe ich trotzdem keine Deserteure zu bieten, aber derart viele Details sind ohnehin Zeitverschwendung.

       Es folgte zum krönenden Abschluss im Rathaus, würdig vertreten durch mein Arbeitszimmer, die Organisierung der Revolte. Gewehre brauchte ich dazu glücklicherweise nicht zu verteilen. Dennoch steht außer Frage, dass ein arbeitsreicher Tag hinter mir liegt. Diese unzähligen Aufstände und Volkserhebungen sind eben schwer zu beherrschen! Jedoch ist es die Mühe selbstverständlich wert, so kurz vor dem Erreichen meines großen Ziels!

       Oh, oh, nur noch zwei Tage!

       11. 07. 2010, Marek

       Spanien ist soeben Fußballweltmeister geworden. Ich habe das Spiel geschaut, na ja, zumindest saß mein Körper vor dem Fernseher. Geistig war ich völlig abwesend. Leider, denn es soll spannend gewesen sein. Noch immer spukt mir das Bild von gestern im Kopf herum. Gleichzeitig bedaure ich es zutiefst, kein Foto von Cornelia zu haben. Und wenn es nur etwas wie ein Klassenfoto wäre, damit könnte ich schon glücklich sein. Doch es ist sinnlos, solange ich diesen Wunsch bloß still mit mir herumtrage, wird er sich nicht erfüllen. Andererseits fühle ich mich noch nicht bereit, mich jemandem anzuvertrauen. Wem denn auch? Meinen Eltern vielleicht? Mann, ich bin ein 16-Jähriger, schlimm genug, dass ich Tagebuch führe!

      Maria? Na ja, sie ist meine Schwester, aber zu jung, um das zu verstehen und mir zu helfen. Marlon? Ja, der kennt sich wenigstens aus mit seinen 19 Jahren Lebenserfahrung. Aber ich müsste ihn anrufen, am Telefon bespricht man so etwas nicht. Jemand vom Fußball? Das wäre peinlich. Eigentlich bleibt nur Cornelia selbst übrig. Ich werde mich wohl endlich überwinden müssen. Es ihr sagen. Irgendwie hat sie ja auch ein Recht darauf, davon zu erfahren, oder?

       gez. Marek

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