Das Biest in Dir. Felix Hänisch

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Название Das Biest in Dir
Автор произведения Felix Hänisch
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Издательство
Год выпуска 0
isbn 9783967525793



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nun erstmalig ein gewisses Verständnis für seine Lage aufzubringen.

      Dennoch meinte der junge Mann einsilbig und strikt darum bemüht, so kühl wie möglich zu klingen: »Fahre fort.« Skal nickte und während er mühsam der Versuchung widerstand, erneut hinab ins Tal zu sehen, von wo aus jetzt zum ersten Mal das Geräusch aufeinanderprallender Schwerter erklang, sprach er weiter.

      »Die vielen kleineren und größeren Kriege, sowie die Abschottung der anderen Zivilisierten Völker von Epsor, waren ein Dämonenkreis, welchen wir aus eigener Kraft nicht mehr zu überwinden vermochten. Im Gegenteil. Von Jahr zu Jahr wurde es schlimmer. Auch unserer eigener Orden, die Iatas, war schon lang nicht mehr dazu in der Lage, der Sache Herr zu werden, wie du weißt.

      Wann immer wir gehofft hatten, unter den vielen Herrschern einen auszumachen, der in der Lage sein könnte, die anderen zu führen, haben wir alles daran gesetzt, ihn zu unterstützen. Mit dem Erfolg, dass jeder von ihnen uns früher oder später in den Rücken gefallen ist – vorausgesetzt, dass er sich dafür lang genug an der Macht halten konnte. Die meisten wurden ja schon frühzeitig von ihren Generälen, Beratern oder den eigenen machthungrigen Familienmitgliedern geputscht. Andere wiederum starben durch die Hände einfacher Kopfgeldjäger, die wie Unkraut aus der Erde gesprossen sind.

      All diese Schwätzer im Hohen Rat verstanden sich nur allzu gut darauf, beim nächsten Mal alles besser zu machen. Doch sie sahen nicht, dass es immer wieder und wieder ein nächstes Mal gab. Wir Menschen sind einfach nicht dazu gemacht, in Frieden miteinander zu leben. Zumindest nicht, wenn wir nur auf uns gestellt sind. Ich habe das erkannt, Cedryk. Ich habe erkannt, dass wir jemanden brauchen, der schützend seine Hand über uns hält. Wie eine Mutter, die ihr närrisches Kind auf den rechten Weg weist.

      Aber im Gegensatz zum Hohen Rat habe ich nicht die Hände in den Schoß gelegt und darauf gewartet, dass andere für mich in die Bresche springen. Ich habe gehandelt! Lange Zeit war ich zwar gewillt, etwas zu verändern, doch fehlte es mir an Möglichkeiten. Ich wusste einfach nicht, was ich tun sollte. Denn an wen hätte ich mich wenden können, wo die Elfen und Zwerge uns bereits aufgegeben hatten? Die langlebigen Geschöpfe saßen solche Problemsituationen mit unserem Volk aus, wie sie es immer taten. Hundert oder zweihundert Jahre sind für sie keine allzu lange Dauer und mit der Zeit, so dachten sie sich wohl, würde die Menschheit des Kämpfens müde und schließlich auch wieder zur Besinnung kommen. Doch solange konnte und wollte ich nicht warten. Ich wollte mein Volk jetzt retten!«

      »Und da kamen dir die Alben in den Sinn?«, mutmaßte Cedryk, der den Zusammenhang endlich zu verstehen schien.

      »Ja.« Skal nickte. »Dass sie ganz ausgestorben waren, habe ich sowieso nie glauben wollen. Und eines Tages war es dann tatsächlich soweit, dass ich durch Zufall einem von ihnen begegnet bin. Es war zu der Zeit, als du in Iramalu mit einer schweren Beinverletzung ans Bett gefesselt warst. Als ich eines Nachts von einem Krankenbesuch bei dir in meine Herberge zurückkehren wollte, traf ich in einer dunklen Gasse, unweit deines Lazaretts, auf Pahrafin.

      Ich weiß nicht, was er dort getan oder weshalb er mich nicht angegriffen hat, als ich im flackernden Schein meiner Laterne seine schwarzen Augen erkennen konnte. Im Nachhinein habe ich es einfach als einen Wink des Schicksals gesehen. Ein Zeichen dafür, dass ich nun endlich einen Weg gefunden hatte, um mein Volk zu retten. Denn er, der mich anhand meines Umhangs sofort als einen Iatas identifizieren konnte und in mir ebenfalls eine Chance auf die Erfüllung seiner Pläne sah, hielt unser Zusammentreffen wohl auch für vorherbestimmt. Vielleicht war es das sogar.

      Nachdem ich ihm von meinen Sorgen und Ängsten über die Zukunft des Menschengeschlechtes berichtet hatte und mit der Frage endete, ob er denn nicht einen Rat wüsste, da auch seine Rasse dem Untergang mehr als nahe stand, unterbreitete er mir einen tollkühnen Plan. Seit dem Ende des Großen Krieges vor zweihundert Jahren verfolgten er und sein Bruder ebenso ehrgeizig wie erfolglos das Ziel, ihren Gott, Loës, aus der Verbannung der anderen Götter zu befreien.

      Und so absurd sich der Gedankenblitz, der mir da durch den Kopf geschossen war, im ersten Moment auch anhörte, so sicher war ich mir doch bald, dass ich in ihm, einer fremden Gottheit, die Lösung all unserer Probleme gefunden hatte. Loës, da war ich mir sicher, besaß die Macht und die Stärke, die die Menschenherrscher nicht in der Lage waren, aufzubringen. Er würde sich die Welt unterwerfen und uns mit der eisernen, aber liebevollen Härte führen, die wir Menschen nun einmal brauchten, um zu gedeihen.« Als Skal mit seiner Rede geendet hatte, schnaubte Cedryk deutlich vernehmbar.

      »Was ließ dich glauben, dass der Gott einer anderen Rasse – zumal jener, der als so grausam galt, dass sich die anderen Götter einst gegen ihn zusammengetan haben, um ihn in ein tiefes Loch zu sperren – zu dem in der Lage war, wo Otairio versagt hat? Was gab dir die Zuversicht, Loës würde mit eiserner, aber liebevoller Härte über die Menschheit herrschen? Schließlich sind wir die erklärten Feinde der Alben.« Cedryks Stimme klang interessiert, beinahe erheitert, als er seinen ehemaligen Meister auf diese Unstimmigkeit hinwies. Skal, der seit dem letzten Teil seiner Erzählung bedrückt zu Boden gestarrt hatte, blickte nun auf und sah, wie sein Gegenüber, beinahe schon fröhlich, mit den Händen in der Tasche seiner braunen Leinenhose, zu ihm herüberblickte.

      »Wie du schon richtig gesagt hast, Cedryk, es war mein Glaube. Zu Otairio habe ich jedes Vertrauen verloren. Denn genau wie die anderen Götter überlässt er seine Schöpfung seit jeher sich selbst. Doch Pahrafin versicherte mir, dass Loës anders sei ... Er sollte recht behalten, wie sich im Nachhinein gezeigt hat. In jenem Moment wollte ich ihm einfach nur Glauben schenken. Ich wollte etwas haben, wofür ich kämpfen konnte. Etwas, für das es sich lohnte, morgens aufzustehen. Verstehst du?«

      Cedryk wirkte jetzt wieder ernster, doch eher, weil er wissen wollte, wie es weiterging. Ohne auf Skals Frage einzugehen, bedeutete er ihm mit einer Geste fortzufahren.

      »Ich habe damals gesagt, dass ich dich für einige Tage allein lassen würde, weil ich in dringender Angelegenheit nach Baknakaï reisen musste.« Der Tonfall des Iatas ließ darauf schließen, dass er von seinem Gegenüber eine Bestätigung der eben ausgesprochenen Worte erwartete. Doch wieder zeigte Cedryk keinerlei Reaktion. Er ließ sich nicht einmal anmerken, ob er sich an diesen Vorfall erinnern konnte. Ein neuerliches, aufforderndes Kreisen mit dem Handgelenk, welches Skal dazu bewegen sollte weiterzusprechen, war das einzige Anzeichen dafür, dass er überhaupt zuhörte.

      »Tatsächlich bin ich an diesem Tag nach Baknakaï aufgebrochen, allerdings ohne dass der Hohe Rat nach mir verlangt hatte oder auch nur irgendjemand sonst von meiner Ankunft dort wusste. Meinem Stand als Meister und der Tatsache, dass niemand mit solch einer Dreistigkeit gerechnet hatte, war es zu verdanken, dass ich mir ohne großes Federlesen Zutritt zur Schwarzen Schatzkammer in den Katakomben verschaffen konnte. Ein gefälschtes Siegel von Asthirad hier, ein kleines Schmiergeld da, zudem Unmengen von Leuten, die mir noch ein oder zwei Gefallen schuldig waren, und schon war ich im bestbewachten Raum von ganz Epsor. Ein Gewölbe, in das noch nicht einmal die Alben einzudringen vermochten.

      Wie du weißt, war es nie mein Anliegen, mich mit fremdem Gold und Geschmeide zu bereichern. Und so entwendete ich in dieser Nacht auch nur einen einzigen Gegenstand. Mit dem magischen Tränenstein in meiner Tasche verließ ich ungesehen und noch vor Sonnenaufgang die Insel Baknakaï in einem Ruderboot. Den Rest der Geschichte kennst du ja. Ich habe dich angelogen und behauptet, wir würden am Fuße des Karakjerras zwei Alben auflauern, um diese gefangen zu nehmen und sie dem Hohen Rat zu übergeben. Damals habe ich das nur gesagt, weil ich bis zum letzten Moment nicht den Mut gefunden hatte, dir von meinem Plan zu erzählen. Ich hatte Angst, du würdest mich nicht verstehen. Zu Recht, wie sich herausgestellt hat.«

      Noch während er sprach, konnte Skal dem Drang nicht mehr widerstehen und wandte sich zu dem Kampf zwischen seinem und Cedryks vergangenen Selbst um. Obwohl er den Ausgang der Auseinandersetzung bereits kannte und das Bild seines toten Schülers ihn in so mancher Nacht heimgesucht hatte, schockierte ihn der Anblick dennoch.

      Cedryk lag reglos auf dem Boden, den rechten Arm in merkwürdig grotesker Form verdreht. Sein Mantel wies, genau wie der seines Meisters, Unmengen von Schnitten und Bahnen eingerissenen Stoffes an Armen und Schultern auf. Das größte Loch klaffte jedoch in der Brust des Iatas-Anwärters. Der vergangene Skal ließ sich in ebendiesem