Название | Die Ring Chroniken 1 |
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Автор произведения | Erin Lenaris |
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Серия | |
Издательство | |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783946843894 |
Ich schnaufe tief. Das sind ja glänzende Aussichten. Wirklich reingepasst habe ich bisher schließlich noch nirgends.
Tarmos Blick bleibt an Mila hängen. Oder besser gesagt an dem Chamäleon, das sich unter Milas Kleidung bewegt und plötzlich hervorlugt. „Ja, was haben wir denn da?“ Ein zynisches Grinsen breitet sich auf seinem kantigen Gesicht aus. „Wie lauteten die Anweisungen?“
Mila erstarrt und bringt kein Wort heraus.
„Keine persönlichen Gegenstände mitbringen!“, beantwortet Tarmo seine Frage selbst und zeigt auf das kleine Tier.
Mila drückt das Chamäleon schützend an ihre Brust. „Irri i… ist kein Gegenstand“, stammelt sie.
Anstelle einer Antwort greift Tarmo nach dem Tier und windet es ihr aus den Händen. Vor Angst rollt Irri wild mit ihren Kugelaugen. Hilflos strampelt sie in Tarmos brutalem Griff. Der hält das panisch zischende Reptil hoch und verkündet: „Jetzt werdet ihr erleben, was passiert, wenn ihr die Anweisungen nicht befolgt!“
Mit herrischen Schritten marschiert er zu dem Schlangenterrarium. Er schlägt gegen die glatte Wand neben dem Glaskasten, woraufhin diese zur Seite fährt und ein Schaltpult freilegt. Tarmo drückt einen Knopf und öffnet damit den Deckel des Terrariums einen Spalt breit. Er grinst sadistisch und entblößt sein rotes Zahnfleisch, während er das zappelnde Chamäleon über den Spalt hält.
„Nein!“, ruft Mila.
Triumphierend schaut Tarmo sie an und lässt das Chamäleon fallen. „Da, Sonora, ein Appetithappen für dich“, sagt er in die atemlose Stille.
Keiner von uns rührt sich, nur er selbst geht dichter an die Glasscheibe. Sein Blick ist starr, sein Atem beschleunigt sich. Dieser Mann ist verrückt. Völlig weggetreten. Und wir sind ihm ausgeliefert.
Die Schlange hat sich aufgerichtet und fixiert ihr Opfer aus ihren Schlitzpupillen. Sie weiß, wie der Kampf enden wird, das Chamäleon auch. In einer verzweifelten Abwehrgeste faucht es die riesige Gegnerin an und wird blitzschnell gebissen.
„Irri, nein!“ Milas Verzweiflung schneidet mir ins Herz.
Das Chamäleon will vor der Schlange fliehen, kann sich allerdings nur noch in Zeitlupe bewegen. Das hochkonzentrierte Nervengift lähmt seinen kleinen Körper rasend schnell. Irris Augen zucken, panisch sucht sie nach Hilfe, die wir ihr nicht bieten können, nach einem Ausweg, der nicht existiert. An ihrem Bauch erscheint ein schwarzer Fleck, der sich rasch ausbreitet.
Wie gelähmt beobachten wir diese Horrorszene, nur Dart und Bolt brummen enttäuscht, als sich die Schlange zurückzieht.
„Sonora kann ganz ruhig abwarten“, informiert uns Tarmo.
Jetzt hat er bemerkt, dass Mila sich abwendet und ihr Gesicht in den Händen verbirgt. Mit brutalem Griff zieht er sie an das Terrarium und zwingt sie zuzuschauen, wie die Schlange auf ihr Chamäleon zukriecht. Sich langsam aufrichtet. Das Maul mit den dolchförmigen Giftzähnen weit aufreißt und es über ihr erstarrtes Opfer stülpt. Sonoras Kopf scheint sich auszudehnen, während sie das Chamäleon mit ruckartigen Bewegungen herunterschlingt. Irri zappelt noch einmal schwach, doch sie verschwindet stückweise und unaufhaltsam in Sonoras Schlund.
Unsere Gesichter spiegeln Entsetzen und ungläubiges Staunen wider. Ich vergesse zu blinzeln. Warum tut denn keiner was? Das kann doch nicht erlaubt sein! Meine Finger zucken, und ich verspüre eine ohnmächtige Wut.
Nachdem Sonora endlich aufgehört hat zu würgen, macht sich Leere in mir breit. Meine Beine sind taub, und Tarmos Stimme dringt nur aus der Ferne an mein Ohr. Gedämpft höre ich, wie Tarmo von der Viper als „Herrscherin der Wüste“ spricht und ihre Opfer mit dem „Bunkerpack“ aus dem Rauring vergleicht. Damit meint er wohl uns.
Er entlässt uns mit der Botschaft des Tages: „Fressen oder gefressen werden. Das war die erste Lektion. Morgen folgt die zweite!“
5. Kapitel
Wie ferngesteuert marschiere ich hinter den anderen her. Heißer Zorn tobt in meinem Bauch und mischt sich mit Furcht. Wo bin ich hier hingeraten? Wenn dieser Wahnsinnige unser Training leitet, dann komme ich bestimmt nicht weit.
Die uns zugewiesene Wohneinheit ist zweigeteilt – links der Schlafsaal für uns Mädchen, rechts führt eine Tür zu dem der Jungs. Überall stehen silbern glänzende Wasserspender, an denen wir uns bedienen können. Die großen Glaswände werden sich zur Schlafenszeit verdunkeln, doch jetzt taucht die tief stehende Nachtsonne unsere neue Bleibe in goldenes Licht.
Der friedliche Eindruck täuscht, da bin ich mir sicher.
Zum Wohlfühlen einladen sollen auch die fünf strahlend weißen Betten an der Innenwand unseres Schlafsaals. In ihre glänzenden Kopfteile sind Displays eingelassen, die je einen Namen anzeigen. Olya Olienova, Taiga Merlo … Da! Mein Bett steht zwischen den Schlafstätten von Mila und einem sportlichen, rotwangigen Mädchen namens Anna. Diese stürmt begeistert quietschend auf ihr Bett zu, hebt ihr voluminöses Daunenkissen hoch und drückt es an sich wie ein gigantisches Stofftier. Auch ich klopfe erstaunt auf meine flauschige Decke. Zu Hause wickeln wir uns nur in dünne Tücher ein, alles andere wäre in der stickigen Untergrundsiedlung unerträglich. Wie kalt muss es hier werden, dass man solche Daunenberge braucht?
Über jedem Bett hängt ein Regalfach mit zwei dünnen Schlaftuniken, zwei leichten Hemden aus schimmerndem hellgrauem Stoff mit passenden Hosen sowie Wasch- und Schminkutensilien.
Durch die gläserne Außenwand können wir einen Blick auf die nächste Wohneinheit erhaschen, in der Mädchen aus einer anderen Klasse aufgeregt herumlaufen. Am Ende unseres Schlafraums führt eine Tür auf einen kleinen Balkon. Neugierig gehen wir hinaus und beugen uns über das durchsichtige Geländer. Unser Gebäude steht über einem Abhang auf Stelzen, die weiter vorne immer höher werden. Zehn Meter unter uns wachsen saftiges Moos und dunkelgrüne Farne auf einer von Eichen begrenzten Lichtung. Im Gegenlicht werfen die schwarzen Silhouetten der knorrigen Baumriesen lange Schatten.
„Bitte findet euch im Speisesaal zum Essen ein“, ertönt eine Durchsage. Auf dem Weg dorthin treffen wir die Jungs, die ebenfalls ihre Unterkunft bezogen haben. „Meee-ga-frisch“, murmelt Felix immer wieder, als sich aus der südlichen Glasfront atemberaubende Blicke auf die Skyline von Polaris bieten und wir im Norden zu schroffen Bergkämmen aufschauen. Die moosbepflanzten Wände, auf denen automatische Sprühanlagen regelmäßig feine Tropfen zerstäuben, die elegant geschwungenen Pausenbänke mit eingelassenen Lichtstreifen und die kleinen Tische, deren von innen beleuchtete Oberflächen wechselnde Naturmotive zeigen – Felix muss im Vorbeigehen alles anfassen. Dabei brabbelt er ständig vor sich hin. Während ich wortlos staune, schnieft Mila leise neben mir. Sie hat die Kehrseite von diesem Luxus schon hautnah erlebt.
Im Speisesaal scharen sich die Neuankömmlinge um das prächtige, von Leuchtwänden erhellte Buffet. Über hundert Adoptenanwärter hantieren mit dem glänzenden Servierbesteck oder greifen gleich mit den Fingern zu, laden ihre Teller voll, bekleckern sich beim Wegtragen mit Suppe und plappern dabei unaufhörlich. Aus den Gesprächsfetzen höre ich die unterschiedlichen Akzente heraus. Ich erkenne den kehlig-weichen Einschlag aus dem nahen Westen, den gedehnten Tonfall des fernen Westens und die hüpfende Sprachmelodie des Ostens. Jeder der zehn Rauringsektoren stellt einen Ausbildungstrupp für die eigenen Kraftwerke.
Die Trainer haben ihren eigenen Tisch. Die meisten sind kräftig, breitschultrig und muskelbepackt, mit Kurzhaarfrisur oder ganz glatt rasiert wie Tarmo. Nur einer hebt sich mit seinen dunklen, welligen Haaren, die ihm in die Stirn fallen, von den anderen ab. Er wirkt nicht nur jünger, die hohen Wangenknochen und das Grübchen an seinem Kinn machen ihn auch zu dem mit Abstand bestaussehenden Trainer. Die dunklen Brauen zusammengekniffen, hört er zu, wie Tarmo etwas erzählt und dabei mit der Gabel wild herumfuchtelt. Stirnrunzelnd lauscht er Tarmos Gerede, doch anstatt dem Ober-Glatzkopf zu widersprechen, beugt er sich nur über seinen Teller. Als er schließlich aufschaut, treffen sich unsere Blicke. Er zieht eine Braue hoch, und mir bleibt das letzte Stück Kürbis im Hals stecken. Ertappt! Schnell senke ich den Blick,