Himmel (schon wieder). Andrea Ross

Читать онлайн.
Название Himmel (schon wieder)
Автор произведения Andrea Ross
Жанр
Серия
Издательство
Год выпуска 0
isbn 9783967525311



Скачать книгу

fest.

      »Ja, du darfst. Denn ich muss dich auch gleich etwas fragen.« Lena stand auf und trat ans Fenster. Die Aussicht war nicht gerade atemberaubend, die Hauswand des nächsten Appartement-Blocks stand fast zum Greifen nah, war nur durch einen engen, dunklen Durchgang von diesem Gebäude getrennt. Warum wohnte Yoli eigentlich derart beengt? Hier in der Gegend gab es doch so schöne Häuschen und Wohnungen.

      »Yoli? Glaubst du, man kann gleich beim ersten Mal schwanger werden? Ich hatte an dem Abend mit Stephen die Pille vergessen!

      Und der machte dann obendrein auch noch die Bemerkung, dass ich das Kind »Jessica« nennen soll, falls es ein Mädchen wird!« Schwer ließ sich Lena wieder zurück auf den Küchenstuhl fallen, sah Yoli fragend an.

      Die Angesprochene musste lachen. »Lena, du bist mir schon eine Marke! Um deine Frage zu beantworten: nein, das glaube ich nicht. Das wäre schon ein großer Zufall. Stephen hat bestimmt auch nur einen Scherz gemacht, Männer sind manchmal recht geschmacklos und halten sich für die Größten. Aber tu mir bitte einen Gefallen: sei künftig du selbst, dann kommen keine Missverständnisse auf. Ehrlich gesagt, mag ich dich heute Morgen viel besser leiden, seit du authentisch bist!«

      Nun stahl sich auch auf Lenas Gesicht der Anflug eines Lächelns, das ihre bezaubernden Grübchen in die Mundwinkel malte.

      »Ich danke dir, Yoli. Du bist eine echte Freundin! Darf ich dich noch etwas fragen?«

      »¡Sí, claro!«

      »Warum wohnst du denn in dieser Mini-Wohnung? Es gibt doch viel schönere in dieser Gegend, die auch gar nicht teuer sind, wie ich gesehen habe.«

      Yolanda schmunzelte. Diese Lena hatte wirklich noch nie in ihrem Leben für sich selber sorgen müssen, geschweige denn, arbeiten. Sie wusste gar nicht, wie gut sie es im Grunde gehabt hatte. Doch diese Sichtweise behielt sie für sich. »Nun, dafür gibt es nur einen einzigen, aber sehr guten Grund: sie ist spottbillig! Ich spare, um mir meine Sprachkurse finanzieren zu können. Das Gehalt als Kellnerin ist nicht gerade fürstlich, aber so komme ich knapp zurecht.« Yoli deutete auf einen Stapel Bücher, der auf der Couch lag.

      »Sprachkurse? Gleich mehrere? Wozu brauchst du die denn?« Lena hatte mitbekommen, dass Yoli durchaus in der Lage war, ihre Gäste in mehreren Sprachen willkommen zu heißen. Mehr brauchte es als Kellnerin doch gewiss nicht.

      Als hätte Yoli ihre Gedanken gelesen, antwortete sie: »Ich will doch nicht ewig Kellnerin bleiben und mir die Hacken für einen Hungerlohn abrennen. Auch ich hätte gerne eine schöne Wohnung und ein Auto, das nicht erst nach gutem Zureden fährt, weißt du? Also bilde ich mich weiter, denn ich beabsichtige, einen Catering-Service zu eröffnen. So etwas, wie ich es probeweise bei der Party durchgezogen habe. Anstrengend, aber einträglich. Leider braucht man für alles auf dieser Welt erst einmal Kohle, die man sich mühsam verdienen muss!«

      Lena hatte den Seitenhieb an ihre Adresse durchaus registriert, war aber nicht beleidigt. Ihr war soeben etwas eingefallen. Auch sie würde demnächst Geld brauchen, denn ihr Kontingent neigte sich seinem Ende zu.

      »Yoli, ich hätte da eine Idee! Sieh mal, all die Sprachen willst du doch bestimmt lernen, damit du problemlos mit deiner künftigen internationalen Kundschaft verhandeln kannst, oder? Nun, ich war auf dem Gymnasium, spreche fließend Deutsch, Englisch und Französisch. Außerdem hatte ich Spanisch als Wahlfach belegt; du hörst ja, es geht recht gut. Da könnte ich doch für dich die Verhandlungen übernehmen, bis du so weit bist! Dann brauchst du derweil keine Kurse mehr zu bezahlen und kannst gleich mit dem Service anfangen! Und beim Kochen helfe ich dir auch, wenn du mir sagst, was ich tun soll, ebenso beim Bedienen. Was meinst du?« Das Leben war in Lena zurückgekehrt, sie war Feuer und Flamme für ihre Idee. Die veilchenblauen Augen strahlten nur so vor Begeisterung.

      »DAS würdest du für mich tun?« Yoli war sprachlos.

      »Natürlich!«, nickte Lena eifrig. »Wenn du mich als Gegenleistung bei dir wohnen lässt und mich durchfütterst? Es bleiben bestimmt oft Restchen vom Catering übrig … «

      »Das kriegen wir beide hin!«, freute sich Yoli. »Komm, wir trinken noch einen Kaffee und überlegen uns schon mal einen schönen Namen für unseren Betrieb!«

      Manchmal konnten Sozial-Gene auch nützlich sein, dachte Yoli. In diesem Fall hatten sie ihr endlich einmal selbst Glück gebracht. Noch gestern hatte sie Lena hauptsächlich für eine verwöhnte Nervensäge gehalten; bisweilen jedoch konnte offensichtlich aus Begebenheiten mit negativem Anstrich Positives erwachsen. Man wusste es einfach nie vorher.

      * * *

      Stephen McLaman näherte sich der Tapas-Bar, aus deren geöffneter Tür laute Salsa-Musik dröhnte. In seinem Zweit-Leben war er mit dem festen Vorsatz hierhergekommen, einen netten Abend zu verleben und eventuell jemanden kennen zu lernen, falls nette Mädchen anwesend wären. Dieses Mal jedoch war ihm eher mulmig zumute, denn er musste Yoli unangenehme Fragen stellen; deren Temperament hatte er noch in unguter Erinnerung. Andererseits hatte er bemerkt, dass Lena und die Bedienung wohl befreundet waren. Somit kam er an Yoli nicht vorbei, wenn er etwas über Lena erfahren wollte. Sie war in dieser komplizierten Version seines Lebens die einzige Verknüpfung zu ihr.

      Den ganzen Tag lang hatte er bereits darüber nachgegrübelt, wie er seine Befragung starten sollte. Er konnte ja schlecht hingehen und Yoli fragen, ob sie vielleicht von Selbstmordplänen wisse, die Lena demnächst in die Tat umzusetzen beabsichtige.

      Zum Programmieren war er so gut wie gar nicht gekommen, ihm wollte einfach kein fulminantes Design für die Startseite des Hotels einfallen. Die Startseite war aber gewissermaßen die Visitenkarte des Hauses, da war nur das Beste gut genug. Doch wenn man den Kopf mit ganz anderen Sachen voll hatte … Stephen wollte um keinen Preis riskieren, dass Lena durch seine Schuld oder sein Versäumnis etwas passierte, auch wenn sie ihm als mögliche Freundin zu zickig war.

      Na schön, dachte Stephen, Yoli wird mir den Kopf schon nicht abreißen!

      Nun, Stephen durfte seinen Kopf dort behalten, wo er hingehörte. Aber wenn Blicke töten könnten, so wäre der junge Mann auf jeden Fall rückwärts vom Barhocker gekippt. Was hatte er falsch gemacht? Er hatte sich hingesetzt und ganz normal bei der Bedienung, die er ohnehin nur flüchtig kannte, eine Cerveza und eine Tapa-Auswahl bestellt. Sie hatte ihm die Bestellung lieblos auf den Tresen geklatscht und ihn dabei angesehen, als habe er mindestens ein Schwerverbrechen begangen. Dann war sie kommentarlos abgerauscht.

      Erst als die Bar sich langsam leerte, fand er die Gelegenheit, Yoli nach einem Gang auf die Toilette abzupassen. Wütend funkelte sie ihn aus ihren schwarzen Augen an, ließ sich aber auf ein Gespräch ein, als Steve ihr klar machte, dass es um Lenas Leben ging.

      »Warte, bis ich hier fertig bin! Ich bin nicht zum Spaß hier und mein Chef schätzt es nicht, wenn ich zu viel mit Gästen quatsche. Und wehe dir, wenn du etwas Unehrenhaftes mit Lena vor hast!« Welche Vorbehalte hatte Yoli denn gegen ihn? Schließlich hatte sich Lena auf der Party IHM an den Hals geworfen, nicht umgekehrt. Hätte er sie abwehren sollen? Er war auch bloß ein Mann! Weiber …

      Yoli ließ Steve noch bis weit nach Mitternacht schmoren, dann endlich nahte sie, ließ sich auf einen der Barhocker fallen und streifte die schwarzen Pumps von den Füßen. »Mann, tut das gut!«, seufzte sie vor Erleichterung. Stephen wunderte es gar nicht, dass das Mädchen nach all den Kilometern, die es in der Bar hinund herlaufen musste, Fußprobleme bekam. Was musste Yoli auch solche Absätze tragen? Allerdings, gut sah das schon aus, musste er zugeben.

      »So, jetzt raus mit der Sprache! Was willst du von mir und was willst du von Lena?« Yolanda war sichtlich angriffslustig, wirkte skeptisch und verschränkte die Arme vor der Brust.

      »Hör zu, Yoli, ich bin nicht euer böser Feind, okay? Sonst wäre ich nämlich überhaupt nicht hier. Aber ich mache mir Sorgen um Lena; du bist ihre Freundin, daher muss ich mich an dich wenden, weil ich keine Ahnung habe, wo sie wohnt. Also, ich kann das jetzt schlecht näher erklären, aber ich habe so ein Gefühl, dass Lena riesige Probleme hat. Sie ist völlig überspannt. Und jetzt mache ich mir Sorgen, dass sie sich etwas antun könnte. Daher meine Fragen: Hat sie etwas in dieser Richtung erwähnt