Название | Empörung, Revolte, Emotion |
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Автор произведения | Группа авторов |
Жанр | Документальная литература |
Серия | edition lendemains |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783823302988 |
Searle (1969) weist bei seiner Besprechung einiger Beispiele für Sprechakte, die er später der Klasse der Expressiva zurechnet, darauf hin, dass die psychischen Zustände, die in diesen Handlungen ausgedrückt werden, im Grunde emotionale Zustände (feelings) sind, z.B. Dankbarkeit beim Danken, Freude über die Ankunft des Hörers beim Willkommenheißen, Freude über das Glück des Hörers beim Beglückwünschen. Andere Sprechakttypen bringen andere Typen von Intentionen zum Ausdruck, z.B. Glauben (Assertiva), Wünsche (Kommissiva), Verlangen (Direktiva). Während aber die anderen Sprechakttypen die jeweiligen mentalen Zustände zusätzlich zu ihrem illokutionären Zweck zum Ausdruck bringen, ist deren Ausdruck im Falle von Expressiva der illokutionäre Zweck schlechthin (cf. Searle 1976: 23). Damit eng verbunden ist ihre Eigenschaft, keine Anpassungsrichtung zu haben und die Wahrheit der ausgedrückten Proposition zu präsupponieren (Searle 1976: 12, cf. auch Kissine 2013: 181). Da Searle zugleich davon ausgeht, dass beinahe allen Sprechakten eine Proposition zugrunde liegt, beschreibt er die Expressiva mit der symbolischen Formel (4), wo E für den illokutionären Zweck, das Nullsymbol ø für das Fehlen der Anpassungsrichtung, die Variable P für die möglichen psychologischen Zustände und die Variablen S/H für den Sprecher bzw. Adressaten stehen, dem eine Eigenschaft (property) auf der Ebene der Proposition zugeschrieben wird.
(4) | E ø (P) (S/H + property) |
Auf die in der gegebenen Proposition dargestellte Sachlage soll sich die emotionale Einstellung des Sprechers beziehen, die dem Hörer kommuniziert wird (cf. Searle/Vanderveken 1985: 58). Diese Auffassung der Proposition wird von Hanks (2018) entschieden zurückgewiesen. Hanks rechnet Expressiva zu den „non-propositional speech acts“, wofür nicht zuletzt die Unmöglichkeit spricht, ihre Anpassungsrichtung zu bestimmen. Ähnlich wie Austin den Behabitiva konnte auch Searle den Expressiva keine Anpassungsrichtung zuweisen, was damit zusammenhängt, dass ihnen keine Glückensbedingungen zugewiesen werden können. Expressiva können weder wahr noch falsch sein, weder kann die jeweilige Sprecherintention vom Hörer erfüllt werden, noch kann der Hörer den Sprecher für Ihre Erfüllung verantwortlich machen. Wenn also der propositionale Gehalt Ausgangspunkt für die Bestimmung von Erfüllungsbedingungen der Sprechakte sein soll, verfehlt seine Annahme ihren Zweck bei Sprechakten, die keine Erfüllungsbedingungen besitzen (cf. Hanks 2018: 141)3.
Auf die Unmöglichkeit, Glückensbedingungen für Expressiva anzugeben, verweist auch Sander (2013): „[W]eder sind hier die Wörter ‚deskriptiv‘ auf die Welt ausgerichtet, noch soll sich im ‚präskriptiven‘ Modus die Welt nach dem Wort richten“ (Sander 2003: 12). Im Unterschied zu Deskriptionen stellen sie keine Berichte über innere Zustände dar, und im Unterschied zu Versprechungen und Aufforderungen entbehren sie einer sozialen Verpflichtung. Der soziale Aspekt spielt dabei dennoch eine wichtige Rolle. Was mit ihnen ausgedrückt wird, sind sozialisierte Emotionen bzw. Kognitionen davon, und erst sekundär individuelle emotionale Einstellungen (cf. Sander 2003: 22).
An dieser Stelle muss Searles Konzeption sekundärer und ggf. unbewusster bzw. unbeabsichtigter Intentionen erwähnt werden, die sich auf Austin zurückführen lässt. Austin (1962) lässt z.B. bei seinen Exercitiva die Möglichkeit zu, dass der Sprecher eine Illokution vollzieht, ohne die entsprechende Intention zu haben, lediglich deshalb, weil seine Äußerung im gegebenen Kontext mit guten Gründen als diese Illokution wahrgenommen werden kann. Sie verändert den sozialen Kontext unabhängig von Sprecherintentionen, wenn der Sprecher bestimmte Befugnisse besitzt und die erforderliche Formel vor entsprechendem Auditorium äußert. In Bezug auf expressive Sprechakte kann in diesem Zusammenhang die Frage gestellt werden, ob ihr Glücken von emotionalen Einstellungen bzw. Empfindungen des Sprechers oder von ihrer Rezeption abhängt. Besteht ferner ihr illokutionärer Zweck lediglich darin, Einstellungen zu einem Sachverhalt auszudrücken, „ohne dass weitere Konsequenzen intendiert sind“ (Liedtke 2016: 61)? Können schließlich Expressiva nur tatsächlich beim Sprecher vorhandene innere Zustände ausdrücken, oder sind sie eher Ausdruck sozialer Verpflichtung zu diesen Zuständen? Mit Sander (2003) lässt sich die letztere Frage wie folgt formulieren:
Liegt der ‚Witz‘ solcher Sprechakte wie dem Danken und dem Gratulieren wirklich nur im bloßen Ausdruck von ‚feelings‘, oder wäre hier nicht eher an die soziale Funktion solcher Vollzüge zu denken? (Sander 2003: 12)
Rolf (1997) versucht dieses Dilemma zu lösen, indem er den Expressiva „die regulative Beeinflussung der emotionalen (Gesamt-)Lage des Adressaten“ (Rolf 222–223) als ihren illokutionären Zweck zuschreibt. Eine kommunikative Beeinflussung des Adressaten lässt sich nach Austin (1962) allerdings nicht mit der Äußerung von Worten, sondern nur durch die geäußerten Worte erreichen, sie betrifft also den perlokutionären Zweck einer Äußerung. Rolf begründet seinen Verweis auf die perlokutionären Folgen der Expressiva bereits in der wesentlichen Regel für ihren Vollzug damit, dass die meisten expressiven Sprechakte „essentiell Hörer-gerichtet“ sind (cf. Searle/Vanderveken 1985: 211). Mit anderen Worten, und zwar im Anschluss an Austins Charakterisierung der Behabitiva, lässt sich Rolfs Vorschlag damit begründen, dass alle Expressiva direkt die Beziehung zwischen Sprecher und Adressat betreffen.
Eine auf die Beeinflussung des Adressaten ausgerichtete Sichtweise attestiert Searle (1969) dem Grice’schen bedeutungstheoretischen Ansatz, der zwar nicht zwischen illokutionären und perlokutionären Akten differenziert, aber perlokutionäre Intentionen bei der Bestimmung der Sprecherbedeutung im Blick hat, wenn er die Wirkung des Gesagten auf den Hörer bzw. seine Reaktion auf das Gesagte zum kommunikativen Ziel des Sprechers erklärt. Die Grice’sche Bestimmung der Bedeutung beziehe sich demnach nicht auf die Absicht, einen illokutionären Akt zu vollziehen, obschon gerade diese Absicht das vom Sprecher Gemeinte definieren soll:
Grob gesehen läuft Grice’s Bestimmung [des Bedeutungsbegriffs] darauf hinaus, daß Bedeutung unter dem Gesichtspunkt der Absicht, einen perlokutionären Akt zu vollziehen, definiert werden muss. Aber etwas zu sagen und es zu meinen, ist nicht notwendig mit der Absicht verknüpft, einen perlokutionären Akt zu vollziehen; dagegen ist es untrennbar mit der Absicht verknüpft, einen illokutionären Akt zu vollziehen. (Searle 1973: 69–70)
Als Beispiel für illokutionäre Akte, die keine perlokutionären Effekte zum Ziel haben, nennt Searle Begrüßungen wie „Hallo“, bei denen es nur darauf ankommt, dass der Hörer weiß, dass er gegrüßt wird, d.h. das Verstehen der illokutionären Intention soll keine weiteren Folgen bewirken (cf. Searle 1973: 73). Die Frage, ob mit Grüßen dieser Art tatsächlich keine perlokutionären Effekte beabsichtigt werden und man nur höflich wirken will, kann an dieser Stelle nicht weiter diskutiert werden. Festhalten möchte ich nur: Auch wenn Searle die Rolle der Perlokutionen im Vollziehen von Sprechakten marginalisiert, wird von ihm die Möglichkeit einer Reduktion des Illokutionären auf das Perlokutionäre erwogen (cf. Searle 1973: 113)4. Beim Aufstellen seiner Sprechaktklassifikation kommt er allerdings zu dem Schluss, dass perlokutionäre Effekte nicht systematisch mit Illokutionen einhergehen und daher nicht in die konstitutive Regel eines Sprechakttyps aufgenommen werden können:
For many, perhaps most, of the most important illocutionary acts, there is no essential perlocutionary intent associated by definition with the corresponding verb, e.g. statements and promises are not by definition attempts to produce perlocutionary effects in hearers. (Searle 1976: 3)
Alston (2000) folgt Searle (1976) und Searle/Vanderveken (1985) darin, dass er als Ausgangspunkt für seine Behandlung von Expressiva das Vorhandensein entsprechender mentaler Zustände beim Sprecher annimmt. Alston zufolge gibt es keine objektiven Erfüllungsbedingungen für den gelungenen Vollzug eines expressiven Sprechakts, sondern es ist lediglich die Verpflichtung des Sprechers erforderlich, sich in einem bestimmten mentalen Zustand zu befinden. Es kann sich dabei um beliebige mentale Zustände handeln. Da sie aber auch in anderen obligationenerzeugenden Akten (Kommissiva und Direktiva) ausgedrückt werden, erübrigt sich aus Alstons Sicht die Searle’sche Annahme einer eigenen Klasse von Expressiva (cf. Alston 2000: 103–109).
Finkbeiner (2019a: 352) spricht sich für die Beibehaltung der Expressiva als gesonderter Sprechaktklasse aus, findet aber die Searle’sche Definition expressiver Sprechakte insofern problematisch, als die