Название | Empörung, Revolte, Emotion |
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Автор произведения | Группа авторов |
Жанр | Документальная литература |
Серия | edition lendemains |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783823302988 |
Vor dem Hintergrund dieser Diskussion lokutionärer und illokutionärer Bedeutungen von Expressiva ist der vorliegende Beitrag ein Versuch, folgenden Fragen nachzugehen: Inwiefern verleihen expressive Sprechakte unseren Emotionen Ausdruck? Geht die Ausdrucksfunktion der Expressiva mit einer Darstellungsfunktion einher? Steuern Expressiva als formelhafte, kollektive Orientierungsmuster die Herausbildung von Emotionen?
Zunächst werde ich die Searle’sche Definition expressiver Sprechakte diskutieren und in diesem Zusammenhang soziale Aspekte von expressiven Illokutionen2 herausstellen. Die sich daraus ergebende These, dass expressive Sprechakte sozialen Normen folgen und in diesem Sinne von sozialen Regeln geleitet sind, wird anschließend anhand des Sprechakts der Danksagung veranschaulicht.
2 Was drücken expressive Sprechakte aus?
Sprechakte werden als grundlegende Einheiten zwischenmenschlicher Kommunikation angesehen (Searle 1976: 1). Darunter sind Äußerungen zu verstehen, die nicht nur etwas bedeuten bzw. für eine Bedeutung stehen, sondern auch etwas in der sozialen Welt leisten bzw. bewirken. Austin (1962) ist der Meinung, dass in jedem Sprechakt drei verschiedene Handlungen vollzogen werden, die er Lokution, Illokution und Perlokution nennt. Die Illokution sieht er als denjenigen Akt an, der den kommunikativen Zweck einer Lokution bzw. ihre „Kraft“ (force) deutlich macht und somit anzeigt, wie die gegebene Äußerung zu verstehen ist. Die illokutionäre Kraft ist diejenige Bedeutung einer Äußerung, die unabhängig von ihren Wahrheitsbedingungen dank der Konvention realisiert wird, dass mit der Äußerung bestimmte illokutionäre Zwecke erreicht werden, z.B. kann die Äußerung Befehl, Behauptung oder Begrüßung zum Zweck haben (cf. Austin 1962: 98–99).
Während Lokutionen reale oder fiktive Sachverhalte in einem Satzmodus ausdrücken, wird mit Illokutionen die soziale Wirklichkeit gestaltet bzw. verändert. Austin (1962) nennt drei Folgen einer gelungenen Illokution: ein uptake seitens des Rezipienten, normative Sachverhalte und eine Folgehandlung. Eine gelungene Behauptung wird z.B. der Sprecherintention gemäß verstanden, verändert den normativen Kontext, indem sie den Sprecher zur Wahrheit des Gesagten verpflichtet, und wird in einer Antwortäußerung akzeptiert oder abgelehnt. Die normativen Folgen einer Illokution liegen dann vor, wenn sie verbindlich für die Interaktionspartner ist, d.h. ihnen Verpflichtungen auferlegt bzw. Rechte erteilt. Der normative Kontext wird der externalistischen Interpretation zufolge durch Glückensbedingungen eines Sprechakts bestimmt; die internalistische Interpretation macht sein Glücken von den mentalen Zuständen, d.h. den Intentionen des Sprechers abhängig (cf. Harnish 2009).
Austin (1962) berücksichtigt in seinem sprechaktheoretischen Modell, dass sprachliche Äußerungen neben Intentionen sowie deskriptiven Kognitionen auch Emotionen der Sprecher ausdrücken. Sie werden vordergründig bei der Charakterisierung der sog. konduktiven Sprechakte (Behabitives) behandelt, die emotionale Einstellungen der Sprecher zum Ausdruck bringen. Emotionen können zwar in jedem Sprechakt ausgedrückt werden, z.B. durch expressive Wörter, Topikalisierungen, Wiederholung sprachlicher Einheiten, Interjektionen, Intonation, brüchige bzw. misstrauische Stimme u.ä., denn potenziell können jedem Sprechakt alle drei Bühlerschen Funktionen zugeschrieben werden: neben einer appellativen und einer referentiellen auch eine expressive Funktion. Was aber sonst eher symptomatisch mittels Sprache ausgedrückt wird, kommt in den expressiven Sprechakten im symbolischen Modus zum Ausdruck1.
Die Spezifik der Behabitiva im Vergleich zu anderen Sprechakten liegt nach Austin (1962) auch darin, dass sie weder eine Veränderung der Welt durch Worte bewirken (wie Behauptungen, die Emotionen beschreiben) noch Worte an die Welt anpassen (wie etwa Kommissiva), sondern den Empfindungen (feelings) des Sprechers Luft machen, und zwar auch dann, wenn sie die Empfindungen zugleich beschreiben. Auch in diesem Fall steht der Ausdruck von emotionalen Einstellungen nicht im Dienste einer anderen Intention, sondern macht den eigentlichen Zweck der gegebenen Illokution aus.
Nach Searle (1969) sind Illokutionen regelgeleitete Handlungen, die kommunikative Intentionen von Sprechern den geltenden Konventionen gemäß ausdrücken. Die Intentionen werden dabei als mentale Zustände verstanden, die auf außerhalb ihrer selbst liegende Sachverhalte ausgerichtet sind. Sie entscheiden über die illokutionäre Kraft einer Äußerung und sind auch für die Benennung von Sprechakten ausschlaggebend, zugleich ist aber ihr kommunikativer Einsatz konventionell geregelt. Man kann nicht sagen Hier ist es kalt im Sinne von ‚Hier ist es warm‘ „ohne einen entsprechenden Bühnenhintergrund“ (Searle 1973: 71), denn auch eine illokutionäre Bedeutung (z.B. der Gebrauch von Ironie) „ist zumindest manchmal auch eine Sache der Konvention“ (ebd.).
Die Struktur eines illokutionären Akts beschreibt Searle (1973: 51) mit der allgemeinen Formel F (p) und nimmt somit an, dass sich die illokutionäre Kraft einer Äußerung als Funktion ihres propositionalen Gehalts beschreiben lässt2. Um grundsätzliche Formen von Sprechhandlungen zu identifizieren, bedient sich Searle (1976) insgesamt dreier Definitionskriterien: des Kriteriums des illokutionären Zwecks (illocutionary point bzw. purpose), der Anpassungsrichtung (direction of fit bzw. propositional content condition) und des Ausdrucks eines psychischen Zustands (expression of a psychological state). Weder die Eingangsregel noch die Aufrichtigkeitsregel, die Searle (1969) für seine Beispiele von Sprechakten nach der Bedingung des propositionalen Gehalts angibt, werden von Searle (1976) bei den Definitionskriterien für Illokutionen berücksichtigt. Nur die wesentliche Regel bzw. die wesentliche Bedingung wird mit dem illokutionären Zweck identifiziert:
If we adopt illocutionary point as the basic notion on which to classify uses of language, then there are a rather limited number of basic things we do with language: we tell people how things are, we try to get them to do things, we commit ourselves to doing things, we express our feelings and attitudes and we bring about changes through our utterances. (Searle 1976: 22–23)
Searles klassifikationstheoretischer Ansatz wurde unter verschiedenen Gesichtspunkten kritisiert. Einer davon betrifft die Frage der zuverlässigen Ermittlung von illokutionären Zwecken, die konstitutiv für die einzelnen Sprechaktklassen sind und in der wesentlichen Regel für den Vollzug des jeweiligen Sprechakttyps angegeben werden. Es ist jeweils derjenige Zweck, der im korrekten Vollzug eines Sprechaktes notwendigerweise realisiert wird und somit den wichtigsten Bestandteil der illokutionären Kraft einer Äußerung darstellt. Bei seiner Deskription werden aber von Searle stellvertretend für die Sprechakte selbst die Bedeutungen von sprechaktbezeichnenden Verben untersucht. Aus diesen Bedeutungen schließt Searle auf den illokutionären Zweck und folglich die illokutionäre Kraft entsprechender Sprechakttypen. Dass dieses Vorgehen eine verkürzte Sichtweise bedingt, hat z.B. Marten-Cleef (1991: 99–122) gezeigt. Die Autorin weist darauf hin, dass die illokutionäre Kraft von Beschimpfungen wie in Beispiel (1) – (2) nicht unbedingt mit der Bedeutung des Verbs verachten zusammenfällt, sondern auch Enttäuschung, Bewertung und ggf. sogar Scherz beinhalten kann, wenn die Äußerung z.B. von einem freundlichen Lachen begleitet wird.
(1) | Ich Trottel! |
(2) | Du Idiot! |
Im Anschluss an Bühlers Sprachtheorie könnte man argumentieren, dass hier nicht nur der Satztyp und nicht in erster Linie ein expressiver Ausdruck (Trottel, Idiot) als Illokutionsindikator angenommen werden soll, sondern die gesamte Äußerung, die dem Sprechhandlungsmuster (3) folgt, Träger der Illokution ist. Bühler (19652: 32) führt als Beweis dafür, dass es bei solchen Äußerungen nicht so sehr auf das Schimpfwort selbst ankommt, sondern auf den „Ton“ der Gesamtäußerung, das Beispiel vom Bonner Studenten an, der „im Wettkampf das schimpftüchtigste Marktweib mit den Namen des griechischen und hebräischen Alphabetes allein