Название | Seine Exzellenz Eugene Rougon |
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Автор произведения | Emile Zola |
Жанр | Языкознание |
Серия | Die Rougon-Macquart |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783754188460 |
»Zweifellos hat der Kaiser nicht die richtigen Leute um sich«, fing Rougon nach einer Pause wieder an. »Ich habe mir erlaubt, ihm das zu sagen, und er hat gelächelt. Er hat sogar zu scherzen geruht, indem er hinzufügte, daß meine Umgebung nicht mehr tauge als die seine.«
Du Poizat und Herr Kahn lachten gezwungen. Sie fanden den Ausspruch sehr hübsch.
»Aber ich wiederhole«, fuhr Rougon in einem eigentümlichen Ton fort, »ich ziehe mich aus freien Stücken zurück. Wenn man Sie fragt, die Sie zu meinen Freunden gehören, so versichern Sie, daß es mir noch gestern abend freigestanden habe, meine Demission zurückzunehmen ... Erklären Sie auch das Altweibergeschwätz für Lüge, das in bezug auf die RodriguezAngelegenheit umgeht, aus der man, wie es scheint, einen ganzen Roman macht. Vielleicht habe ich in dieser Sache nicht mit der Mehrheit des Staatsrates übereingestimmt, und das hat gewiß zu Reibungen geführt, die meinen Rücktritt beschleunigt haben. Aber ich hatte ältere und schwerwiegendere Gründe. Ich war schon lange entschlossen, die hohe Stellung aufzugeben, die ich dem Wohlwollen des Kaisers verdankte.«
Diesen ganzen Erguß begleitete er mit einer Geste der rechten Hand, wie er sie im Übermaß anzuwenden pflegte, wenn er vor der Kammer sprach. Seine Erklärungen waren augenscheinlich für die Öffentlichkeit bestimmt. Herr Kahn und Du Poizat, die ihren Rougon kannten, versuchten durch schlau geführte Reden, die eigentliche Wahrheit in Erfahrung zu bringen. Der große Mann, wie sie ihn unter sich vertraulich nannten, mußte irgendein ungeheures Spiel treiben. Sie brachten das Gespräch auf die Politik im allgemeinen. Rougon machte sich über das parlamentarische System lustig, das er den »Misthaufen der Mittelmäßigkeiten« nannte. Die Abgeordnetenkammer genieße seiner Ansicht nach noch eine sinnlose Freiheit. Dort werde viel zuviel geredet. Frankreich müsse von einem gut zusammengesetzten Apparat regiert werden, an der Spitze der Kaiser, unten, auf die Funktion eines Räderwerks beschränkt, die großen Körperschaften und die Beamten. Er lachte, und seine Brust hüpfte, während er mit einer rasenden Verachtung für die Dummköpfe, die eine starke Regierung forderten, sein System übertrieben pries.
»Aber«, unterbrach ihn Herr Kahn, »der Kaiser oben, alle anderen unten, das ist nur für den Kaiser vergnüglich!«
»Wenn man sich langweilt, geht man eben«, sagte Rougon gelassen.
Er lächelte und fügte dann hinzu: »Man wartet ab, bis es unterhaltsam wird, und kommt dann wieder.«
Eine lange Pause trat ein. Herr Kahn begann seine Bartfräse zu reiben, zufrieden, weil er erfahren hatte, was er zu erfahren wünschte. Er hatte tags zuvor in der Abgeordnetenkammer richtig geraten, als er zu verstehen gab, Rougon sei in der Erkenntnis, daß sein Ansehen in den Tuilerien erschüttert war, von sich aus einer Entlassung zuvorgekommen, um ein neues Leben anzufangen; die Sache mit Rodriguez bot ihm eine prachtvolle Gelegenheit, als Ehrenmann zu fallen.
»Und was sagt man?« fragte Rougon, um das Schweigen zu brechen.
»Ich bin gerade erst angekommen«, antwortete Du Poizat. »Immerhin habe ich soeben in einem Café einen ordengeschmückten Herrn Ihren Rücktritt lebhaft billigen hören.«
»Béjuin war gestern sehr ergriffen«, erklärte Herr Kahn, als die Reihe an ihm war. »Béjuin ist Ihnen äußerst zugetan. Er ist ein etwas farbloser Bursche, aber von großer Zuverlässigkeit. Selbst der kleine La Rouquette schien sich mir sehr angemessen zu verhalten. Er spricht vortrefflich von Ihnen.«
Und sie setzten die Unterhaltung über diese und jene Leute fort. Rougon stellte ohne die geringste Befangenheit Fragen, ließ sich einen genauen Bericht von dem Abgeordneten erstatten, der ihm willfährig und bis ins einzelne seine Beobachtungen über das Verhalten des Corps législatif in bezug auf ihn mitteilte.
»Heute nachmittag«, unterbrach ihn Du Poizat, dem es schmerzlich war, daß er nicht mit Auskünften dienen konnte, »werde ich durch Paris bummeln, und morgen früh, sobald ich aufgestanden bin, werde ich Ihnen viel zu erzählen haben.«
»Dabei fällt mir ein«, rief Herr Kahn lachend, »ich vergaß, Ihnen von de Combelot zu erzählen! – Nein wirklich, ich habe noch nie einen verlegeneren Menschen gesehen ...«
Doch er brach ab, weil Rougon mit einem Augenzwinkern auf den Rücken Delestangs wies, der gerade auf einen Stuhl gestiegen und damit beschäftigt war, den Oberteil eines Bücherschrankes auszuräumen, wo sich Zeitungen häuften. Herr de Combelot war mit einer Schwester Delestangs verheiratet. Letzterer litt, seit Rougon in Ungnade gefallen war, etwas unter seiner Verwandtschaft mit einem Kammerherrn; deshalb wollte er gern etwas Keckheit beweisen. Er wandte sich um und sagte mit einem Lächeln: »Warum sprechen Sie nicht weiter? – Combelot ist ein Dummkopf. So, nun wissen Sie Bescheid.«
Diese unbekümmerte Aburteilung eines Schwagers erheiterte die Herren sehr. Als Delestang seinen Erfolg sah, trieb er es so weit, daß er sich über de Combelots Bart lustig machte, den berüchtigten schwarzen Bart, der bei den Damen so berühmt war. Dann sagte er ohne jeden Übergang, während er ein Bündel Zeitungen auf den Teppich warf, ernst: »Des einen Kummer ist des andern Freude.«
Dieser Ausspruch ließ den Namen des Herrn de Marsy in der Unterhaltung auftauchen. Rougon, den Kopf gebeugt, als sei er angelegentlich mit einer Aktenmappe beschäftigt, deren einzelne Taschen er sorgfältig durchsah, ließ seine Freunde sich ihren Groll vom Herzen reden. Sie sprachen von de Marsy mit dem Ingrimm von Politikern, die über einen Gegner herfallen. Es hagelte nur so von groben Worten, abscheulichen Beschuldigungen, bis zur Lüge übertriebenen wahren Geschichten. Du Poizat, der Marsy schon früher, vor dem Kaiserreich, gekannt hatte, versicherte, jener sei damals von seiner Geliebten ausgehalten worden, einer Baronin, deren Diamanten er innerhalb von drei Monaten durchgebracht habe. Herr Kahn behauptete, es gebe an der Pariser Börse kein einziges anrüchiges Geschäft, in dem man nicht Marsys Finger finde. Und sie feuerten sich gegenseitig an, warfen einander immer stärkere Tatsachen zu: bei einem Grubenunternehmen habe Marsy Bestechungsgelder in Höhe von fünfzehnhunderttausend Francs eingestrichen, letzten Monat habe er der kleinen Florence vom »Les Bouffes21« ein vornehmes Stadthaus spendiert, eine Bagatelle von sechshunderttausend Francs, sein Anteil aus einem unsauberen Handel mit Aktien der marokkanischen Eisenbahnen; schließlich sei vor noch nicht acht Tagen das große Geschäft mit den ägyptischen Kanälen, das von seinen Kreaturen aufgezogen worden sei, mit einem ungeheuren Skandal zusammengebrochen, nachdem die Aktionäre erfahren hätten, daß in den zwei Jahren, in denen sie Geld eingezahlt, noch kein Spatenstich getan worden war. Dann fielen sie über seine persönlichsten Dinge her, bemühten sich, sein vornehmes Äußere, das eines eleganten Abenteurers, herabzusetzen, sprachen von früheren Krankheiten, die ihm später noch einen bösen Streich spielen würden, und gingen so weit, die Gemäldesammlung anzugreifen, die er damals zusammenbrachte.
»Das ist ein versehentlich in die Haut eines Possenschreibers geratener Bandit«, sagte abschließend Du Poizat.
Rougon hob langsam den Kopf. Er sah die beiden Männer aus seinen großen Augen an.
»Was soll denn die ganze Rederei«, sagte er. »Marsy macht seine Geschäfte, zum Teufel, wie Sie ja auch die Ihren machen möchten ... Wir verstehen einander nicht besonders. Ja, wenn ich ihm eines Tages das Genick brechen könnte, würde ich es gern tun. Aber alles, was Sie da erzählen, ändert nichts daran, daß Marsy enorm tüchtig ist. Wenn es ihm gerade einfiele, würde er sehr leicht mit Ihnen beiden fertig werden, lassen Sie sich das gesagt sein.«
Und des Sitzens überdrüssig, stand er aus seinem Sessel auf und reckte die Glieder. Dann fügte er unter heftigem Gähnen hinzu: »Das um so mehr, meine lieben Freunde, als ich nicht mehr eingreifen könnte.«
»Oh, wenn Sie wollten«, murmelte Du Poizat mit einem dünnen Lächeln, »könnten Sie sehr viel bei de Marsy erreichen. Sie haben hier bestimmt irgendwelche Papiere, die er hoch bezahlen würde ... Sehen Sie, da unten das Aktenstück Lardenois, jenes Abenteuer, bei dem er eine so sonderbare Rolle gespielt hat. Ich kenne da einen Brief von ihm, einen sehr merkwürdigen, den ich selber Ihnen seinerzeit gebracht habe.«