Gebrüder Grimm: Kinder- und Haus-Märchen – Band 183e in der gelben Buchreihe – bei Jürgen Ruszkowski. Jacob Grimnm

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Название Gebrüder Grimm: Kinder- und Haus-Märchen – Band 183e in der gelben Buchreihe – bei Jürgen Ruszkowski
Автор произведения Jacob Grimnm
Жанр Языкознание
Серия gelbe Buchreihe
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783754187043



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Birnen hingen, es kletterte so behend wie ein Eichhörnchen zwischen die Äste, und der Königssohn wusste nicht, wo es hingekommen war. Er wartete aber bis der Vater kam und sprach zu ihm: „Das fremde Mädchen ist mir entwischt, und ich glaube, es ist auf den Birnbaum gesprungn. Der Vater dachte: „Sollte es Aschenputtel sein,“ ließ sich die Axt holen und hieb den Baum um, aber es war niemand darauf. Und als sie in die Küche kamen, lag Aschenputtel da in der Asche, wie sonst auch, denn es war auf der anderen Seite vom Baum herabgesprungn, hatte dem Vogel auf dem Haselbäumchen die schönen Kleider wiedergebracht und sein graues Kittelchen angezogen.

      Am dritten Tage, als die Eltern und Schwestern fort waren, ging Aschenputtel wieder zu seiner Mutter Grab und sprach zu dem Bäumchen:

      „Bäumchen, rüttle dich und schüttle dich,

       wirf Gold und Silber über mich.“

      Nun warf ihm der Vogel ein Kleid herab, das war so prächtig und glänzend wie es noch keins gehabt hatte, und die Pantoffeln waren ganz golden. Als es in dem Kleid zu der Hochzeit kam, wussten sie alle nicht, was sie vor Verwunderung sagen sollten. Der Königssohn tanzte ganz allein mit ihm, und wenn es einer aufforderte, sprach er: „Das ist meine Tänzerin.“

      Als es nun Abend war, wollte Aschenputtel fort, und der Königssohn wollte es begleiten, aber es entsprang ihm so geschwind, dass er nicht folgen konnte. Der Königssohn hatte aber eine List gebraucht, und hatte die ganze Treppe mit Pech bestreichen lassen; da war, als es hinabsprang, der linke Pantoffel des Mädchens hängen geblieben. Der Königssohn hob ihn auf, und er war klein und zierlich und ganz golden. Am nächsten Morgen ging er damit zu dem Mann, und sagte zu ihm: „Keine andere soll meine Gemahlin werden als die, an deren Fuß dieser goldene Schuh passt.“ Da freuten sich die beiden Schwestern, denn sie hatten schöne Füße. Die älteste ging mit dem Schuh in die Kammer und wollte ihn anprobieren und die Mutter stand dabei. Aber sie konnte mit der großen Zehe nicht hineinkommen, und der Schuh war ihr zu klein, da reichte ihr die Mutter ein Messer und sprach: „Hau die Zehe ab; wenn du Königin bist, so brauchst du nicht mehr zu Fuß zu gehen.“ Das Mädchen hieb die Zehe ab, zwängte den Fuß in den Schuh, verbiss den Schmerz und ging heraus zum Königssohn. Da nahm er sie als seine Braut aufs Pferd, und ritt mit ihr fort. Sie mussten aber an dem Grabe vorbei, da saßen die zwei Täubchen auf dem Haselbäumchen, und riefen:

      „Rucke di guck, rucke di guck,

       Blut ist im Schuck (Schuh):

       Der Schuck ist zu klein,

       die rechte Braut sitzt noch daheim.“

       Da blickte er auf ihren Fuß und sah wie das Blut herausquoll. Er wendete sein Pferd um, brachte die falsche Braut wieder nach Hause und sagte, das wäre nicht die rechte, die andere Schwester solle den Schuh anziehen. Da ging diese in die Kammer und kam mit den Zehen glücklich in den Schuh, aber die Ferse war zu groß. Da reichte ihr die Mutter ein Messer und sprach: „Hau ein Stück von der Ferse ab, wenn du Königin bist, brauchst du nicht mehr zu Fuß zu gehen.“ Das Mädchen hieb ein Stück von der Ferse ab, zwängte den Fuß in den Schuh, verbiss den Schmerz und ging heraus zum Königssohn. Da nahm er sie als seine Braut aufs Pferd und ritt mit ihr fort. Als sie an dem Haselbäumchen vorbeikamen, saßen die zwei Täubchen darauf und riefen:

      „Rucke di guck, rucke di guck,

       Blut ist im Schuck;

       der Schuck ist zu klein,

       die rechte Braut sitzt noch daheim.“

      Er blickte nieder auf ihren Fuß und sah wie das Blut aus dem Schuh quoll und an den weißen Strümpfen ganz rot heraufgestiegen war. Da wendete er sein Pferd und brachte die falsche Braut wieder nach Hause. „Das ist auch nicht die rechte,“ sprach er, „habt ihr keine andere Tochter?“ „Nein,“ sagte der Mann, „nur von meiner verstorbenen Frau ist noch ein kleines verbuttetes Aschenputtel da, das kann unmöglich die Braut sein.“ Der Königssohn sprach, er sollte es heraufschicken, die Mutter aber antwortete: „Ach nein, das ist viel zu schmutzig, das darf sich nicht sehen lassen.“ Er wollte es aber durchaus haben, und Aschenputtel musste gerufen werden. Da wusch es sich erst Hände und Angesicht rein, ging dann hin und neigte sich vor dem Königssohn, der ihm den goldenen Schuh reichte. Dann setzte es sich auf einen Schemel, zog den Fuß aus dem schweren Holzschuh und steckte ihn in den Pantoffel, der war wie angegossen. Und als es sich in die Höhe richtete und der König ihm ins Gesicht sah, so erkannte er das schöne Mädchen, das mit ihm getanzt hatte, und rief: „Das ist die rechte Braut!“ Die Stiefmutter und die beiden Schwestern erschraken und wurden bleich vor Ärger; er aber nahm Aschenputtel aufs Pferd und ritt mit ihm fort. Als sie an dem Haselbäumchen vorbeikamen, riefen die zwei weißen Täubchen:

       „Rucke di guck, rucke di guck,

       kein Blut im Schuck;

       der Schuck ist nicht zu klein,

       die rechte Braut die führt er heim.“

      Und als sie das gerufen hatten, kamen sie beide herabgeflogen und setzten sich dem Aschenputtel auf die Schultern, eine rechts, die andere links, und blieben da sitzen.

      Als die Hochzeit mit dem Königssohn sollte gehalten werden, kamen die falschen Schwestern, wollten sich einschmeicheln und Teil an seinem Glück nehmen. Als die Brautleute nun zur Kirche gingen, war die älteste zur rechten, die jüngste zur linken Seite; da pickten die Tauben einer jeden das eine Auge aus. Hernach als sie herausgingen, war die älteste zur linken und die jüngste zur rechten, da pickten die Tauben einer jeden das andere Auge aus. Und waren sie also für ihre Bosheit und Falschheit mit Blindheit auf ihr Lebtag gestraft.

      * * *

      Das Rätsel

       Das Rätsel

       Es war einmal ein Königssohn, der bekam Lust in der Welt umherzuziehen und nahm niemand mit als einen treuen Diener. Eines Tages geriet er in einen großen Wald, und als der Abend kam, konnte er keine Herberge finden und wusste nicht, wo er die Nacht zubringen sollte. Da sah er ein Mädchen, das nach einem kleinen Häuschen zuging, und als er näher kam, sah er, dass das Mädchen jung und schön war. Er redete es an und sprach: „Liebes Kind, kann ich und mein Diener in dem Häuschen für die Nacht ein Unterkommen finden?“ „Ach ja,“ sagte das Mädchen mit trauriger Stimme, das könnt Ihr wohl, aber ich rate Euch nicht dazu; geht nicht hinein.“ „Warum soll ich nicht?“ fragte der Königssohn. Das Mädchen seufzte und sprach: „Meine Stiefmutter treibt böse Künste, sie meint's nicht gut mit den Fremden.“ Da merkte er wohl, dass er zu dem Hause einer Hexe gekommen war, doch weil es finster ward und er nicht weiter konnte, sich auch nicht fürchtete, so trat er ein. Die Alte saß auf einem Lehnstuhl beim Feuer und sah mit ihren roten Augen die Fremden an. „Guten Abend.“ schnarrte sie und tat ganz freundlich, „lasst Euch nieder und ruht Euch aus.“ Sie blies die Kohlen an, bei welchen sie in einem kleinen Topf etwas kochte. Die Tochter warnte die beiden, vorsichtig zu sein, nichts zu essen und nichts zu trinken, denn die Alte braue böse Getränke. Sie schliefen ruhig bis zum frühen Morgen. Als sie sich zur Abreise fertig machten und der Königssohn schon zu Pferde saß, sprach die Alte: „Wartet einen Augenblick, ich will Euch erst einen Abschiedstrank reichen.“ Während sie ihn holte, ritt der Königssohn fort, und der Diener, der seinen Sattel festschnallen musste, war allein noch zugegen, als die böse Hexe mit dem Trank kam. „Das bring deinem Herrn,“ sagte sie, aber in dem Augenblick sprang das Glas und das Gift spritzte auf das Pferd, und war so heftig, dass das Tier gleich tot hinstürzte. Der Diener lief seinem Herrn nach und erzählte ihm was geschehen war, wollte aber den Sattel nicht im Stich lassen und lief zurück, um ihn zu holen. Wie er aber zu dem toten Pferde kam, saß schon ein Rabe darauf und fraß davon. „Wer weiß, ob wir heute noch etwas Besseres finden,“ sagte der Diener, tötete den Raben und nahm ihn mit. Nun zogen sie in dem Wald den ganzen Tag weiter, konnten aber nicht herauskommen. Bei Anbruch der Nacht fanden sie ein Wirtshaus und gingen hinein. Der Diener gab dem Wirt den Raben, den er zum Abendessen bereiten sollte. Sie waren aber in eine Mördergrube geraten, und in der Dunkelheit kamen zwölf Mörder und wollten die Fremden umbringen und berauben. Ehe sie sich aber ans Werk machten, setzten sie sich zu Tisch und der Wirt und die Hexe setzten sich zu ihnen, und sie