Название | Am Ende des Regenbogens |
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Автор произведения | Maria Rohmer |
Жанр | Сделай Сам |
Серия | |
Издательство | Сделай Сам |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783748563570 |
Später werde ich in einem Buch von Prof. Julius Hackethal in dem Kapitel: `Riskante Überdiagnostik wie Mammografie, Szintigrafie, Computertomografie´ einmal folgendes lesen: “Im Zusammenhang mit der Strahlendiagnostik bei Krebs interessiert in erster Linie die Frage, ob durch Diagnosestrahlung vorhandene Krebszellen zu rascher Zellteilung, also zur Krebsvermehrung, angeregt werden können oder nicht. Dies geschieht immer! Besonders große Gefahr der Vermehrungsaktivierung von Krebszellen geht von der Szintigrafie aus. Bei dieser Flimmerbilddiagnostik mit Hilfe der Einspritzung von radioaktiven <Glühwürmchen> ins Blut, die wie Wunderkerzen sprühen, wird die Strahlung über den ganzen Körper verteilt. Die Röntgenologen bagatellisieren die Gefahr von Strahlenschäden damit, dass die Halbwertzeit der verwendeten Substanzen sehr kurz sei, verschweigen dabei jedoch, dass der Strahlungsrest trotz des ständigen Zerfalls noch Wochen bis Monate wirksam bleibt. Auch von allen anderen Röntgenuntersuchungen gehen Aktivierungsgefahren für vorhandene Krebsherde aus. Ganz besonders gilt dies auch für die Computertomografie, bei der ja das Gewebe kurz hintereinander mehrfachem Strahlenbeschuss ausgesetzt wird!"
Was also soll man als Laie tun? Wer durchschaut schon die ganzen Vorgänge? Welche Behandlung soll man wählen, welchen Weg man gehen, welchem Arzt sich anvertrauen? Wo wird man überhaupt genügend intensiv aufgeklärt, wer nimmt sich die Zeit für Gespräche? Steht man als Patient nicht schrecklich hilfslos da? Tut nicht so mancher in der ersten Panik Dinge, trifft Entscheidungen, die er hinterher bereut?
10. Kapitel
Anfang Juni ist es soweit: In dem festen Glauben, dort werde ich nun endlich operiert, geht Vater in die Klinik. Das erste Mal fahren wir von Mönchengladbach nach Köln, den Weg, den wir in den folgenden Monaten so oft noch werden zurücklegen müssen. Vor uns: Das riesige Universitätsgelände mit seinen vielen Gebäuden. Ein einziger Irrgarten, den ich mir später auf meinen Spaziergängen erlaufen werde:
Durch den Haupteingang, geradeaus, der Studententrakt: Kursräume, Hörsäle, überall Pinnwände: Hier werden Zimmer gesucht, Austauschplätze, medizinische Fachliteratur, Urlaub und Nachhilfeunterricht werden angeboten, auf Veranstaltungen wird hingewiesen.
Rechts in der Ecke: Die orangefarbenen Aufzüge, die zum Zentrallabor führen. Ich werde sie oft benutzen, um Vaters Blutproben hinaufzubringen. Tritt man durch die Glastür ins Freie, weisen einen Tafeln zur Poliklinik für Kinderheilkunde, für Nuklearmedizin, zur Klinik für innere Medizin, für Orthopädie, Frauenheilkunde, Arbeitsmedizin, Strahlentherapie, in ein Gebäude für die Kernspintomografie, zur Schmerzambulanz, zu einem Forschungstrakt, zur Bibliothek. Wer sich hier nicht verläuft, ist selbst schuld.
Wir parken unseren Wagen in der Tiefgarage, von wo aus uns einer der drei Aufzüge in die Eingangshalle hochbringt. Unser erster Gedanke: Wie furchtbar! Wie entsetzlich groß ist alles! Wir, die wir bisher nur ganz normale, überschaubare, im Gegensatz hierzu fast heimelige Krankenhäuser kennen, geraten nun in den für uns fremden, anonymen Betrieb einer Universitätsklinik.
Das hat etwas zutiefst Beängstigendes, Verunsicherndes, Beklemmendes.
Es ist erstaunlich, aber im laufe der Zeit werden wir uns einpassen, alles wird vertraut werden, das Beunruhigende wird sich verlieren. Wir werden uns an einige Gesichter gewöhnen, werden den Mann am Informationsschalter, die beiden Frauen vom Kiosk, einige Schwestern und Ärzte wiedererkennen, begrüßen. Wir werden in dieser für uns neuen Welt einen Halt haben.
Wir wenden uns zur `Anmeldung`, einem langgestreckten Glaskasten mit bestimmt sechs Schaltern, vor denen die Wartenden in Viererreihen sitzen. Die Sonne scheint, der Kasten ist entsprechend aufgeheizt, die Luft hier drinnen warm und stickig. Auch wir müssen geduldig ausharren. Mehr als eine Stunde vergeht, bis wir mit den nötigen Papieren versehen zur `Chirurgischen` geschickt werden. In einigen Tagen wird der O.P.- Termin nun wohl definitiv feststehen.
11. Kapitel
Vater ruft aus Köln an: „Die Ärzte wollen mich doch nicht operieren“, dann versagt ihm die Stimme. Mutter versucht mehr aus ihm herauszubringen. Vergebens. „Ich kann nicht operiert werden“ ist alles. „Wir kommen."
Nachmittags sind Mutter und ich in der Klinik. Wir finden Vater vollkommen verzweifelt vor. Er, der seine ganze Hoffnung, seine Rettung in diesen Eingriff gesetzt hat, der sich an den Gedanken geklammert hat: So ist es zu schaffen, er ist am Ende.
Wir reden mit dem Oberarzt und erfahren von einem Schreiben, das am Morgen eingetroffen ist: Die endgültige Diagnose der Knochenszintigrafie. Darin spricht nun der Professor - entgegen des Vorabbefundes - den dringenden Verdacht auf eine Metastasierung aus!
`Herdförmig gesteigerter Knochenstoffwechsel im Trochantermassiv rechts. Der Befund spricht für eine Metastasierung. Weitere Abklärung durch gezielte Röntgenuntersuchung, ggf. mit Tomografie`.
Wir stehen da und begreifen nichts mehr.
Vollkommen durcheinander können wir keinen klaren Gedanken mehr fassen. Was wird einem schwerkranken Menschen da angetan? Wochenlang baut man einen Berg von Hoffnung und Zuversicht in ihm auf, um ihn dann von ganz oben abstürzen zu lassen. Woher jetzt neuen Mut nehmen, wie die Kraft finden, nicht aufzugeben? Das ganze kann nur ein Irrtum sein! Das an der Hüfte, das sind normale Verschleißerscheinungen, bei dem Beruf! So ist es Vater vor Jahren bereits von seinem Orthopäden bescheinigt worden.
Vater ist Heizungsinstallateur, hat sein Leben lang schwere, körperliche Arbeit verrichten müssen. Und geschont hat er sich nie. Er war stets da, wenn ihn jemand brauchte. So mancher Heiligabend, an dem die Familie mit dem Essen auf ihn warten musste, weil irgendwo eine Heizung ausgefallen war. So manche Nacht, die durchgearbeitet wurde, weil eine Anlage zu einem bestimmten Termin fertig zu sein hatte. Es gab nichts, was er nicht wieder hinkriegte. Egal wie diffizil die Sache war und wie viel Zeit sie erforderte.
Die `Aufhellung` auf dem Röntgenbild war also damals schon da, worauf Vater den Professor auch hingewiesen hatte. Aber nun, im Zusammenhang mit Krebs, gewinnt sie wohl einen ganz anderen Stellenwert.
Wie soll es jetzt weitergehen? Wieder eine neue Untersuchung, wieder Warten, wieder Angst haben vor dem Resultat. Wie lange hält man sie aus: Diese grauenvolle psychische Belastung? Wie lange erträgt man dieses Leben zwischen Hoffen und Bangen? Im Moment sind wir alle am Ende, haben einen Tiefpunkt erreicht.
Am Abend fährt meine Schwester noch einmal nach Köln.
Vater ist fast nicht ansprechbar, läuft den Flur rauf und runter, hält es nicht aus in seinem Zimmer.
„Sollen wir nach Hause fahren?“ Er nickt. Sie reden mit dem behandelnden Arzt, der sich erst mal fürchterlich aufregt, nach einem langen Gespräch aber einsieht, dass es das Beste ist, wenn der Patient für einige Tage dort rauskommt. „Finden Sie wieder zu sich und dann melden Sie sich. Versprochen?“
Mitte Juli wird der Patient wieder in der Klinik sein.
Dann wird er auf der `Onkologischen` liegen.
12. Kapitel
18. Juni. Vater und ich sind gegen 13.00 Uhr in Bonn, stellen den Wagen in der Nähe des Hauptbahnhofs ab. Wir haben einen Termin bei Professor S., dem Chefarzt der Robert Janker Klinik. Durch eine Bekannte haben wir von dieser Fachklinik für Tumorerkrankungen erfahren.
Verunsichert, wie wir alle sind, wollen wir die Meinung eines zweiten Onkologen hören. Ohnehin eine Empfehlung,