Название | Zu viel riskiert |
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Автор произведения | Irene Dorfner |
Жанр | Языкознание |
Серия | Leo Schwartz |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783750226494 |
„Heb das auf!“ Mit lautem Lachen sah er zu, wie Christl sich bückte und das Schnitzel aufhob.
„Iss es!“, befahl er ihr.
„Ich möchte nicht.“
„Du sollst es essen!“, wiederholte er, wobei seine Stimme sehr bedrohlich klang. Es blieb ihr nichts anderes übrig, als in das Schnitzel zu beißen. Werner beobachtete sie. „Reste gab man früher auch den Schweinen und du bist unser Schwein. Los, runterschlucken! – So ist es brav. Und jetzt noch einen Bissen. Gut so!“ Werner lachte. Christl wurde schlecht, aber sie wollte das vor ihrem Mann nicht zeigen, also riss sie sich zusammen.
„Bring mir ein Bier!“, schrie er, nachdem er sich an den Qualen seiner Frau sattgesehen hatte. Christl war kotzübel und die Bissen des Fleischstückes wanderten bedrohlich nach oben. Aber sie wollte sich nicht übergeben und riss sich zusammen. Sie stellte die Bierflasche auf den Tisch und öffnete den Kronkorken mit zitternden Händen. Wie lange sie den Inhalt ihres Magens noch zurückhalten konnte?
„Du bist ein Schwein und zu nichts zu gebrauchen!“, schrie er und setzte die Flasche an. „Sieh dich doch an, du hässliche Krähe! Wenn ich dich nicht genommen hätte, wärst du jetzt eine alte Jungfer. Ich weiß nicht, warum ich mir das angetan habe! Du ekelst mich an! Ich muss deinen Anblick zum Glück nicht mehr lange ertragen, ich habe eigene Pläne, in die du nicht passt.“
Christl hörte nicht zu. Sie nahm die Pfanne und wollte nach dem Schwamm greifen, zögerte aber. Werner trank und fand weitere Beleidigungen, die alle sehr fies waren. Vor allem hatte er sich an dem Schimpfwort Schwein festgefressen und wiederholte es wieder und wieder. Sie umklammerte die Pfanne, drehte sich um schlug mit voller Kraft zu. Werner sah sie mit weit aufgerissenen Augen an, dann schlug sie wieder und wieder zu. Die Demütigungen der vielen Jahre schienen sich in diesen Schlägen zu entladen. Werner knallte mit dem Kopf auf den Tisch. Die Augen waren weit aufgerissen. Vorsichtig prüfte Christl seinen Puls – Werner war tot. Es war endlich still. Christl rannte zur Toilette und übergab sich. Dann ging sie zurück in die Küche, spülte die Pfanne ab, räumte den Tisch ab und ging ins Bett. Was mit Werner passieren sollte? Sie wusste es nicht, morgen war auch noch ein Tag.
Mit einem Kaffee in der Hand starrte sie am nächsten Morgen ihren Mann an, der noch genau so dalag, wie sie ihn heute Nacht verlassen hatte. Jetzt musste sie überlegen, was sie mit ihm machen wollte. Einfach die Polizei rufen und alles zugeben? Nein, das wäre zu einfach. Werner war schließlich selbst schuld daran und sie wollte nicht für ihn ins Gefängnis gehen. Aber was sollte sie dann mit dem Leichnam machen? Zunächst musste er raus aus der Küche, denn sie wollte sich seinem Anblick nicht länger aussetzen als nötig. Also brachte sie ihn in sein Büro, das der Großkotz brauchte, obwohl die Firma schon vor fast einem Jahr verkauft war und er sowieso kaum dafür gearbeitet hatte. Sie verschloss die Tür und war vorerst zufrieden. Sie hatte ihre Ruhe und musste dieses Ekel nicht mehr ansehen. Dass das nicht lange gutging, war ihr klar, aber noch drängte die Zeit nicht. Sie genoss die Ruhe und den Frieden, fühlte sich gelöst und frei. Erst Tage später hatte sie eine Lösung für ihr Problem gefunden: Das Schuster-Haus! Die alte Reserl war seit zwei Jahren tot und Erben gab es keine. Das Haus stand schon lange leer. Bis es irgendjemanden gab, der das Haus übernahm, hatte sie sicher eine andere Lösung für ihren Werner gefunden.
Das alles schoss Christl durch den Kopf, als sie den Kontoauszug studierte. Seit Werner nicht mehr am Leben war, verwaltete sie das Geld und konnte damit tun und lassen was sie wollte. Da sie selbst keine eigene Rente hatte, war sie auf dieses Geld angewiesen, mit dem sie keine riesigen Sprünge machen konnte. Den Erlös aus dem Verkauf ihres Erbes hatte Werner fast durchgebracht, was sie anfangs sehr wütend gemacht hatte. Sicher war er gegenüber seinen Flitscherln sehr großzügig gewesen und hatte mit seinem Geld geprahlt, das eigentlich ihres war. Jetzt gab es nur noch den letzten Rest des Erbes ihrer Eltern, den Schmuck ihrer Mutter und Werners Rente. Der feine Herr hatte in all den Jahren fleißig in die Rentenkasse eingezahlt, an sie hatte er nicht gedacht. Ob er überhaupt vorhatte, seinen Lebensabend mit ihr zu verbringen? Sie bezweifelte es. Werner lag in der Gefriertruhe des Schneider-Hauses und dort lag er gut. Er hatte kein eigenes Grab verdient!
Werners Rente reichte aus, um zu überleben, etwas Geld zu sparen und sich dabei trotzdem den einen oder anderen Luxus gönnen zu können, wenn sie sorgfältig mit dem Geld umging. Und das machte sie. In den letzten Jahren hatte sie ein hübsches Sümmchen gespart und heute gönnte sie sich eine kleine Freude. Warum auch nicht? Sie hatte in all den Jahren nicht viel Freude erfahren und wollte jetzt mit ihren vierundsechzig Jahren endlich etwas vom Leben haben. War das zu viel verlangt? Heute wollte sie mit dem Zug nach München. Das Wetter war gut und sie freute sich auf einen Kaffee, den sie gedachte, auf dem Viktualienmarkt zu sich zu nehmen. Das wäre in diesem Jahr der erste Kaffee draußen, womit sie den Frühling einläuten