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natürlich, daß König die „Arbeit“ erhalten hatte. Ich melde mich. Unvermittelt fragt er mich, ob ich auch vor hätte, zu promovieren. Als ich ziemlich überrascht und mit einigem Zögern ein „Ja“ herausbringe, fragt er mich, warum ich den ihm vorliegenden Bericht nicht als Promotionsarbeit einreiche. Er schlägt mir einen Besprechungstermin vor, als ich die mir fehlenden Semester erwähne.

      In der darauf folgenden Besprechung geht es nur um die vorzeitige Zulassung zur Prüfung. Den Bericht findet er gut. Änderungs– oder Ergänzungsvorschläge macht er nicht. Ich sollte den Bericht so lange zurückhalten, bis ich zur Prüfung zugelassen werde. Er spricht mit dem Dekan am 27. Oktober 1961. Am 29. Oktober stelle ich den förmlichen Antrag, um die Anerkennung der „Nicht–Fachsemester“ zum zweiten Mal. Am 7.November teilt mir der Dekan der philosophischen Fakultät mit:

      „auf Ihren Antrag vom 29. 10. d. J. hat die Philosophische Fakultät Ihnen die beiden an der Wirtschaftsfakultät der Universität Bonn verbrachten Semester auf die zur Promotion erforderlichen acht Fachsemester angerechnet.“

      Im Dezember 1961 mache ich meine abschließenden mündlichen Prüfungen.

      Dies waren auch jene Monate, in denen ich das Befragungsinstrument für meine 2. Erhebung, also zur „Strukturierung der politischen Einstellung der afrikanischen und asiatischen Studierenden in den deutschsprachigen Ländern“ in Voruntersuchungen überprüfe. Die Interviews sollten bis Februar 1962 abgeschlossen sein. Diese Arbeit nimmt mich so in Anspruch, daß ich keinen Prüfungsdruck verspürt habe. Die Prüfung lief nebenher wie meine Teilnahme an den Hauptseminaren.

      Erst nach den Prüfungen erhalten der ISSF, die Unesco, Paris, und das Auswärtige Amt jeweils eine Kopie des Berichts. Der ISSF und die Unesco, Paris, sind mit dem Bericht zufrieden. Das Auswärtige Amt nicht. Die Befunde sind politisch nicht opportun. Die Auswahl der Studierenden, die Beschreibung der Schwierigkeiten, das Hervorheben des Dilemmas: Erfolgreiche Überwindung der Schwierigkeiten, also die Anpassung an die hiesigen Verhältnisse, bedeutet im gleichen Maße die Entfremdung von der heimatlichen Kultur. Also fragt das Auswärtige Amt bei König diplomatisch an, ob es nicht opportun wäre, den Bericht vorläufig nicht zu veröffentlichen. König weiß den Brief richtig zu deuten. Er weiß, wie er das „vorläufig“ zu interpretieren hat. Er bestellt mich ins Institut. Er gibt mir das Schreiben zu lesen, ruft gleichzeitig eine seiner Sekretärinnen und diktiert das Antwortschreiben. Er will vom Auswärtigen Amt wissen, ob das Schreiben als Ankündigung einer Zensur zu deuten sei. Das Auswärtige Amt ist auf dem falschen Fuß erwischt. Natürlich will das Auswärtige Amt dieser Republik keine Zensur ausüben. Der Weg zur Veröffentlichung ist frei. Es wird aber leider ein Pyrrhussieg. Denn so etwas vergißt das Auswärtige Amt der Bundesrepublik Deutschland nicht, wie ich später erfahren werde.

      Bei der 2. Untersuchung darf meine Frau mir offiziell als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Institut helfen. Wir reisen zusammen zu den Universitäten, ziehen das Sample und bilden die Interviewer aus. Ihre Aufwandsentschädigungen und Reisekosten rechnet die Universitätsverwaltung getrennt ab. Bereits im Jahr 1967, im April wird König die Tatsache schriftlich leugnen, daß bei meiner 2. Untersuchung meine Frau mir offiziell als wissenschaftliche Mitarbeiterin des Instituts helfen durfte, obwohl viele Schriftstücke in den Akten des Instituts dieses belegen.

      Insgesamt werden 709 Studierende an 8 verschiedenen Universitätsorten interviewt: Aachen, Berlin, Bonn, Göttingen, Köln, München, Wien und Zürich. Die Feldarbeit ist bis April 1962 abgeschlossen. Wieder das Erstellen der Schlüsselliste, Anmieten eines IBM–Handlochers, kodieren, ruhestörendes Lochen. Arbeitsplatz: Bonn, Weberstraße 96. Und fast immer zum Abschluß des langen Arbeitstages belohnen wir uns mit einer Kinospätvorstellung mit Fräulein Lehner.

      Ich komme mit König überein, daß das Ergebnis der 2. Untersuchung zunächst nur vollständig aufbereitet, aber nicht schnellstmöglich veröffentlicht werden sollte. Denn zur sinnvollen Abrundung des Themas müßte logischerweise eine 3. Untersuchung durchgeführt werden zum Rückanpassungsprozeß nach dem Studium. Alle Aspekte des Auslandsstudiums sollen dann auch das Thema meiner Habilitation werden. Aber ich bin noch nicht an der Reihe. Im Institut gibt es eine inoffizielle Reihenfolge der Kandidaten. Vor mir sind Dietrich Rüschemeier, Hans–Jürgen Daheim und Franz–Josef Stendenbach dran. Rüschemeier geht in die USA, heiratet dort und will seiner jüdischen Frau ein Leben in Deutschland ersparen. Mit Hilfe von König und auf seine Empfehlung hin geht Stendenbach zur OECD nach Paris auf einen gutdotierten Posten. Nun ist Daheim noch vor mir dran. Er ist noch nicht so weit.

      Also muß ich einen Forschungsplan über den Rückanpassungsprozeß entwerfen. Die geographischen Bezüge „afrikanisch“ und „asiatisch“ wie in den ersten beiden Untersuchungen sind nicht haltbar. Die von uns befragten Studierenden sind nach der Rückkehr in ihren Heimatländern weit verstreut. Weder zeitlich noch finanziell wären sie erreichbar. Eine Fallstudie kommt auch nicht in Frage. Also nehme ich mir die Unesco–Statistik der Auslandsstudierenden vor. In Afrika sind kaum Rückkehrer aus der Bundesrepublik zu finden. Auch die asiatischen Länder weisen eine unterschiedliche Verteilung auf. Aus 5 Gründen fällt die Wahl auf Indien:

      1 Die indische Bevölkerung machte 40 % der Menschen aus, die in den nichtkommunistischen unterentwickelten Ländern leben

      2 Zwei britische Wissenschaftler, das Ehepaar Ussem und Ussem, hatten 1955 eine Pilotstudie „Western Educated Man in India“ vorgelegt, worauf meine Untersuchung hätte sinnvoll aufbauen können;

      3 Seit dem zweiten Weltkrieg kamen die meisten im Westen studierenden Ausländer aus Indien, dies bietet somit die Möglichkeit, ein sinnvolles Sample zu ziehen;

      4 Rückkehrende indische Studierende verteilen sich auf die USA, England, die Bundesrepublik und in etwas geringerer Zahl auf die UdSSR. Dies würde die Möglichkeit erschließen, den Einfluß der verschiedenen Universitätssysteme zu untersuchen;

      5 Die kulturelle Unterschiedlichkeit in Indien könnte eventuell die Möglichkeit einer Übertragung der Schlußfolgerungen dieser Untersuchung auf andere „unterentwickelte Gebiete“ rechtfertigen.

      Wäre auch die dritte Untersuchung so verlaufen wie meine ersten beiden, würde ich vieles nicht wissen. Wir würden nicht mit einem Frachtschiff in Bombay angekommen sein, sondern mit einem Flugzeug in Neu Delhi. Bewilligte Forschungsaufträge sind termingebunden. Da bleibt keine Zeit für eine Reise mit einem Frachtschiff. Nach meiner ebenso reibungslos abgelaufenen Habilitation wäre ich ein Fachidiot in Fragen des „Auslandsstudiums“, oder des „interkulturellen Lernens“ geworden. Aber zurück zu der wirklichen Geschichte.

      Winfried Böll von der Carl–Duisberg–Gesellschaft ist von der Konzeption der neuen Untersuchung angetan und denkt über eine Kontrollgruppe von „Praktikanten“ nach. Inzwischen pendelt er zwischen Köln und Bonn. Er hält sich immer mehr in Bonn, im „Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit“ auf. Zunächst als Berater, später als Planer und leitender Beamter. Böll meint noch im Herbst 1962, daß mein Antrag im neuen Ministerium, geleitet von Walter Scheel, ein Selbstgänger sein wird. Spätestens bis Ende Januar 1963 wird er bewilligt sein. Wir stellten den Antrag am 16. November 1962. Titel der Untersuchung: „Künftige Elite oder wurzellose Intellektuelle? Eine Untersuchung über die Auswirkung des Auslandsstudiums junger Inder auf den Modernisierungsprozeß ihres Landes nach ihrer Rückkehr.“

      Zwischenzeitlich ist die Veröffentlichung der ersten Untersuchung auch als meine Promotionsarbeit gesichert. Sie soll als Band 10 in der Reihe „Beiträge zur Soziologie und Sozialphilosophie“ herausgegeben von Prof. Dr. René König im Verlag Kiepenheuer & Witsch in Köln erscheinen. In dieser Reihe ist die Habilitationsarbeit von Peter Heintz als Band 7 erschienen. Scheuch, Rüschemeier und Daheim haben vor mir promoviert. Ihre Promotionsarbeiten sind nicht in dieser Reihe, nicht als Buch publiziert. Der Verleger Dr. Witsch gratuliert mir in Gegenwart von König, weil ich als erster ein Autorenhonorar in dieser Reihe bekomme. Meine Promotionsarbeit erscheint im November 1962 unter dem Titel „Farbige unter Weißen“ mit einem Vorwort des Herausgebers. Darin heißt es zu Beginn:

      „Wenn etwas den Nutzen der empirischen Sozialforschung augenfällig demonstrieren kann, so ist es die vorliegende Untersuchung ... Dabei stellt sich ganz eindeutig heraus, daß die in