Frühlings Erwachen. Франк Ведекинд

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Название Frühlings Erwachen
Автор произведения Франк Ведекинд
Жанр Документальная литература
Серия
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783847664130



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würd' ich mir keine Gedanken machen. All meinen Erfahrungen nach besteht für das erste Auftauchen dieser Phantome keine bestimmte Altersstufe. Kennst du den großen Lämmermeier mit dem strohgelben Haar und der Adlernase? Drei Jahre ist der älter als ich. Hänschen Rilow sagt, der träume noch bis heute von nichts als Sandtorten und Aprikosengelee.

      Moritz Ich bitte dich, wie kann Hänschen Rilow darüber urteilen!

      Melchior Er hat ihn gefragt.

      Moritz Er hat ihn gefragt? – Ich hätte mich nicht getraut, jemanden zu fragen.

      Melchior Du hast mich doch auch gefragt.

      Moritz Weiß Gott ja! – Möglicherweise hatte Hänschen auch schon sein Testament gemacht. – Wahrlich ein sonderbares Spiel, das man mit uns treibt. Und dafür sollen wir uns dankbar erweisen! Ich erinnere mich nicht, je eine Sehnsucht nach dieser Art Aufregung verspürt zu haben. Warum hat man mich nicht ruhig schlafen lassen, bis alles wieder still gewesen wäre. Meine lieben Eltern hätten hundert bessere Kinder haben können. So bin ich nun hergekommen, ich weiß nicht, wie, und soll mich dafür verantworten, dass ich nicht weggeblieben bin. – Hast du nicht auch schon darüber nachgedacht, Melchior, auf welche Art und Weise wir eigentlich in diesen Strudel hineingeraten?

      Melchior Du weißt das also noch nicht, Moritz?

      Moritz Wie sollt' ich es wissen? – Ich sehe, wie die Hühner Eier legen, und höre, daß mich Mama unter dem Herzen getragen haben will. Aber genügt denn das? – Ich erinnere mich auch, als fünfjähriges Kind schon befangen worden zu sein, wenn einer die dekolletierte Coeurdame aufschlug. Dieses Gefühl hat sich verloren. Indessen kann ich heute kaum mehr mit irgendeinem Mädchen sprechen, ohne etwas Verabscheuungswürdiges dabei zu denken, und – ich schwöre dir, Melchior – ich weiß nicht was.

      Melchior Ich sage dir alles. – Ich habe es teils aus Büchern, teils aus Illustrationen, teils aus Beobachtungen in der Natur. Du wirst überrascht sein; ich wurde seinerzeit Atheist. Ich habe es auch Georg Zirschnitz gesagt! Georg Zirschnitz wollte es Hänschen Rilow sagen, aber Hänschen Rilow hatte als Kind schon alles von seiner Gouvernante erfahren.

      Moritz Ich habe den Kleinen Meyer von A bis Z durchgenommen. Worte – nichts als Worte und Worte! Nicht eine einzige schlichte Erklärung. O dieses Schamgefühl! – Was soll mir ein Konversationslexikon, das auf die nächstliegende Lebensfrage nicht antwortet.

      Melchior Hast du schon einmal zwei Hunde über die Straße laufen sehen?

      Moritz Nein! – – Sag mir lieber heute noch nichts, Melchior. Ich habe noch Mittelamerika und Ludwig den Fünfzehnten vor mir. Dazu die sechzig Verse Homer, die sieben Gleichungen, der lateinische Aufsatz – ich würde morgen wieder überall abblitzen. Um mit Erfolg büffeln zu können, muss ich stumpfsinnig wie ein Ochse sein.

      Melchior Komm doch mit auf mein Zimmer. In dreiviertel Stunden habe ich den Homer, die Gleichungen und zwei Aufsätze. Ich korrigiere dir einige harmlose Schnitzer hinein, so ist die Sache im Blei. Mama braut uns wieder eine Limonade, und wir plaudern gemütlich über die Fortpflanzung.

      Moritz Ich kann nicht. – Ich kann nicht gemütlich über die Fortpflanzung plaudern! Wenn du mir einen Gefallen tun willst, dann gib mir deine Unterweisungen schriftlich. Schreib mir auf, was du weißt. Schreib es möglichst kurz und klar und steck es mir morgen während der Turnstunde zwischen die Bücher. Ich werde es nach Hause tragen, ohne zu wissen, dass ich es habe. Ich werde es unverhofft einmal wiederfinden. Ich werde nicht umhinkönnen, es müden Auges zu durchfliegen... falls es unumgänglich notwendig ist, magst du ja auch einzelne Randzeichnungen anbringen.

      Melchior Du bist wie ein Mädchen. – übrigens wie du willst! Es ist mir das eine ganz interessante Arbeit. – – Eine Frage, Moritz.

      Moritz Hm?

      Melchior Hast du schon einmal ein Mädchen gesehen?

      Moritz Ja!

      Melchior Aber ganz?!

      Moritz Vollständig!

      Melchior Ich nämlich auch! – Dann werden keine Illustrationen nötig sein.

      Moritz Während des Schützenfestes, in Leilichs anatomischem Museum! Wenn es aufgekommen wäre, hätte man mich aus der Schule gejagt. – Schön wie der lichte Tag, und – o so naturgetreu!

      Melchior Ich war letzten Sommer mit Mama in Frankfurt – Du willst schon gehen, Moritz?

      Moritz Arbeiten machen. – Gute Nacht.

      Melchior Auf Wiedersehen.

      Erster Akt: Dritte Szene

       Thea, Wendla und Martha- kommen Arm in Arm die Straße herauf.

      Martha Wie einem das Wasser ins Schuhwerk dringt!

      Wendla Wie einem der Wind um die Wangen saust!

      Thea Wie einem das Herz hämmert!

      Wendla Gehn wir zur Brücke hinaus! Ilse sagte, der Fluss führe Sträucher und Bäume. Die Jungens haben ein Floß auf dem Wasser. Melchi Gabor soll gestern Abend beinah ertrunken sein.

      Thea O der kann schwimmen!

      Martha Das will ich meinen, Kind!

      Wendla Wenn der nicht hätte schwimmen können wäre er wohl sicher ertrunken!

      Thea Dein Zopf geht auf, Martha; dein Zopf geht auf!

      Martha Puh – lass ihn auf gehn! Er ärgert mich so Tag und Nacht. Kurze Haare tragen wie du darf ich nicht, das Haar offen tragen wie Wendla darf ich nicht, Ponyhaare tragen darf ich nicht, und zu Hause muss ich mir gar die Frisur machen – alles der Tanten wegen!

      Wendla Ich bringe morgen eine Schere mit in die Religionsstunde. Während du »Wohl dem, der nicht wandelt« rezitierst, werd' ich ihn abschneiden.

      Martha Um Gottes willen, Wendla! Papa schlägt mich krumm, und Mama sperrt mich drei Nächte ins Kohlenloch.

      Wendla Womit schlägt er dich, Martha?

      Martha Manchmal ist es mir, es müsste ihnen doch etwas abgehen, wenn sie keinen so schlecht gearteten Balg hätten wie ich.

      Thea Aber Mädchen!

      Martha Hast du dir nicht auch ein himmelblaues Band durch die Hemdpasse ziehen dürfen?

      Thea Rosa Atlas! Mama behauptet, Rosa stehe mir bei meinen pechschwarzen Augen.

      Martha Mir stand Blau reizend! – Mama riss mich am Zopf zum Bett heraus. So – fiel ich mit den Händen vorauf auf die Diele. – Mama betet nämlich Abend für Abend mit uns...

      Wendla Ich an deiner Stelle wäre ihnen längst in die Welt hinausgelaufen.

      Martha ... Da habe man's, worauf ich ausgehe! – Da habe man's ja! – Aber sie wolle schon sehen – o sie wolle noch sehen! Meiner Mutter wenigstens solle ich einmal keine Vorwürfe machen können...

      Thea Hu – Hu –

      Martha Kannst du dir denken, Thea, was Mama damit meinte?

      Thea Ich nicht. – Du, Wendla?

      Wendla Ich hätte sie einfach gefragt.

      Martha Ich lag auf der Erde und