Seefahrt - Abenteuer oder Beruf? - Teil 3. Mario Covi

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Название Seefahrt - Abenteuer oder Beruf? - Teil 3
Автор произведения Mario Covi
Жанр Математика
Серия
Издательство Математика
Год выпуска 0
isbn 9783847684282



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die Schiffe geschleppt. Ein Bananenfahrer erzählte mir einmal, wie er die Reaktion eines Arbeiters an der Pier erlebte, der von einer hochgiftigen Schlange in die Hand gebissen worden war: „... In no time hatte der seine Staude hingeschmissen, seine Machete aus dem Gürtel gerissen und sich mit einem Hieb die Hand abgehackt! Dann war er ohnmächtig zusammengebrochen. Aber das war seine einzige Chance, zu überleben...“

      Zurück zu erfreulicheren Dingen in diesen Bananenrepubliken!

      „Und das ist vorbei mit Puerto Cortés?“

      „Na, die Pieseln mit den gleichen Namen, die gibt’s noch alle. Bloß sind die jetzt nicht mehr direkt am Hafen. Durch den Hurrikan war ja die ganze Pier weg. Die Hälfte der Stadt, das war alles platt!“

      „Hatte es Tote gegeben?“

      „Ja, eine ganze Menge! Vor der Küste, die kleinen Inseln, die Cays, die waren zeitweise ganz weg.“

      Die mittelamerikanischen Staaten waren stets durch Hurrikane und Hochwasser bedroht. Ich erinnere nur an den Hurrikan ‚Mitch‘ im Jahr 1998, der allein in Honduras mindestens 6.000 Menschleben gefordert hatte.

      „Jetzt habense ´ne neue Pier, und die Kneipen sind mehr in der Stadt. Das ist jetzt alles rein Business, ne? Nicht mehr diese Freundlichkeit, diese Liebe, wie es vor zehn Jahren war. Das ist vorbei. No money – no honey!“

      „Tja, no money – no honey... Gibt es denn die anderen Häfen noch?“

      „Aber ja, haben wir ja mitgekriegt, dass es noch solche Häfen gibt“, meinte der Erste und erinnerte uns an unsere Erinnerungen – wir hatten gerade eine ereignisreiche Amazonasfahrt hinter uns. „Häfen, wo man nicht gleich nach dem Geld fragte...“

      Jeder Seemann, der damals Lateinamerika kennen gelernt hatte, wusste garantiert von einem Simpatico-Erlebnis zu berichten. Simpatico, damit bezeichneten wir Seeleute die aus Sympathie verschenkte Gunst südamerikanischer Mädchen. Ein Seiten füllendes Thema! Aber, es herrschte auch die Auffassung, dass diejenigen, welche von derartigen Gunstbezeugungen schwärmten, sich allesamt in die eigene Tasche logen. Man konnte ja sehen, dass am Ende einer heißen Hafenzeit diejenigen, denen das alles nichts gekostet haben wollte, ebenso blank und pleite waren wie die anderen Janmaaten.

      Trotzdem besteht fast jeder Südamerikafahrer auf seine ureigene Erinnerung an so eine süße, heiße, aus reiner Sympathie verbrachte Liebesnacht! Und wenn man der Mädchen leidenschaftliches Entgegenkommen mal mit einem hübschen Kleid, einem Stück Schmuck oder einer Geldüberweisung an die darbende Mutter belohnte, so war das keine Bezahlung, nein, höchstens ein Vergelten in Naturalien, beglückender als das Hinblättern des Hurenlohns, Augenwischerei für beide Seiten, klar, aber eben viel sympathischer!

      Wow! Zurückblickend – und auf den Bandmitschnitten zurückhörend - kommen ja richtige Jugendsünden zum Vorschein: „Wenn ich mir überlege, du, wie ich das erste Mal in Buenaventura war, so als unbedarfter Funker, über beide Ohren in so ´ne kleine Kolumbianerin verliebt...“ – Puh, wenn man sich selber so tönen hört, ich weiß nicht... Jedenfalls beichtete ich da ohne Reue: „...Und dann, abends, na ja, in die Koje, der Liebe frönen, aber vorher? Die war fromm, die hatte sich vor der Koje hingekniet und gebetet. Über dem Bett hing alles voll mit Bildern von Jesus und Maria und sämtlichen Heiligen. Und da waren rote Lämpchen, keusche rote Lämpchen. Alles schön kitschig illuminiert. Irgendwie rührend. Und sie war so ´n richtig niedliches Mädchen, und ich war noch in meiner etwas religiöseren Phase zu der Zeit und sagte mir, betest halt mit. Da haben wir zusammen vor der Koje gekniet, unser Abendgebet gesprochen, und dann sind wir in die Koje gehopst und haben herrlich und in Freuden gebumst!“

      So richtig schön geschmacklos, ich weiß! Aber sollen Dinge, die geschehen sind, unbedingt anders dargestellt werden, nur damit sie sich besser ausnehmen, vielleicht stilvoller sind? Ich hatte nun mal mit dem wilden süßen Vogel vor der Lotterliege gekniet, und wir waren glücklich da oben auf dem berüchtigtsten Lasterhügel Südamerikas. Laut Aussage einiger Seeleute hatte er allerdings schon vor vielen Jahren sein schamloses Existieren einstellen müssen. So wird dieses Stück erlebter Geographie nur noch im unerschöpflichen Vorrat ausschweifender Seemannspuffgeschichten weiterleben: ‚La Pilota‘, das verruchte Teerjackenparadies oben beim Wasserturm in Buenaventura, Kolumbien, Pazifikküste, von Seeleuten ‚Schanker-Hill‘ genannt.

      Ich war zu jener Zeit – 1962 - wirklich noch ein unbedarfter Jüngling im stoppligen Haar, aber die Atmosphäre in diesem Pfahlbauviertel am Berghang hatte mich ungemein fasziniert. Diese lebensüberschäumende Kloake, dieses betörende und gleichzeitig verstörende Wuchergeschwür einer typisch lateinamerikanischen Gesellschaftsstruktur.

      Vom Hafen bis zum Wasserturm kostete damals ein Taxi drei Pesos. Zu Fuß durch die Slums unterhalb des Hügels zu gehen galt als äußerst gefährlich. Auf einem Schiff erzählte man mir, ein ganz Selbstbewusster habe sich auf seine Cleverness, seine Körperstärke und seinen Revolver verlassen, als er dem Schanker-Hill zustrebte. Er war dann zwar lebend, aber nur noch in Unterhosen an Bord zurückgeschlichen gekommen.

      Oben, auf dem Hügel, reihten sich die Bars, Tanzschuppen, Bumslokale und Imbiss-Stuben, allesamt Stätten des Lasters, zu beiden Seiten einer schlammigen Straße. Meist waren die Verschläge blau, türkisgrün oder in geilem Rosa gestrichen, den Lieblingsfarben der Dritten Welt. Nach hinten raus standen manche der Holzhäuser, wegen des abfallenden Geländes, auf hohen Pfählen. Aus diesen Piratenspelunken waberte eine aufregende Mischung aus Lärm und Gerüchen, Musik und brünstigem Moschus. In einigen furchterregenden Höhlen bewegte sich eine dichtgedrängte Masse schwitzender Kolumbianer, meist Mulatten und Schwarze, im hypnotisierenden Gehämmer greller Cumbias und Merengues. Sie ließen ihre Hüften im ungestümen Stakkato der fetzigen Dschungelrhythmen kreisen, deren afrikanische Ursprünge unverkennbar waren. Was war das für ein lustvolles Unterleibwiegen! Was für ein prachtvolles Wogen saftiger Weiberhintern!

      An dem einen Ende des Kolumbianerkiezes gab’s auch eine deutsche Bierschwemme, die ‚Hamburg-Bar‘, mit deutschem Wirt – vermutlich einem achteraus gesegelten ehemaligen Seemann – und Freddy-Schnulzen über heimwehkranke treudeutsche Sailor-und-Söldner-Mannhaftigkeit. Nein, dann schon lieber diese Flammenwerfer-Merengues, die glutvollen Leidenschaftsausbrüche südamerikanischer Musikalität!

      Und dann, die jungen Frauen! Milchkaffee-Mestizenmädchen und Mahagoni-Mulatas! Schwarzlockige ‚Chiquitas‘, in deren Adern sich das Blut altspanischer Konquistadoren, indianischer Bergbauern und afrikanischer Sklaven zu roter Pfeffersauce vermischt hatte! Wildlinge mit Kohlenaugen, deren Blicke einem Seemann das Herz brachen! Vollblutsweiber mit Lippen, deren Weichheit den hartgesottensten Bootsmann und Matrosenschinder zum Streichelbärchen zähmte!

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      Aber, sie hatten auch Zähne, diese Teufelchen, und sie waren zu einer Leidenschaft fähig, die vor Blut nicht zurückschreckte. Wehe dem Seemann, der mal hier, mal dort naschen wollte! Wenn die Liebe letztendlich auch meist bezahlt wurde, ‚Amor‘ und ‚Cariño‘ waren Worte, die vor allem in Kolumbien mit rollendem Zungenschlag gesprochen wurden. Und einer feurigen ‚Colombiana‘ Liebe war seit jeher heiß, unbändig und erbarmungslos – ob von Dauer, stand ja nicht zur Diskussion! Da flogen die Fetzen, wenn sich zwei Señoritas gegenseitig des Männerausspannens bezichtigten. Da flogen auch manches Janmaaten Fetzen, wenn sich die Mädchen solidarisierten und gegen den Weiberhelden Front machten. Und es floss Blut! Rasierklingen und Messer gehörten zur Standardbewaffnung der ‚Chicas‘, abgebrochene Flaschenhälse standen im Handumdrehen als barbarische Bedrohung zur Verfügung – und wurden auch blitzschnell benutzt!

      Eine, enttäuscht vom verglimmenden Strohfeuer einer heftigen Liebesnacht, bewies ihrem Sailor die Grenzenlosigkeit ihrer Leidenschaft, indem sie mit so einem Mordinstrument jene delikate, markant bewaldete Erhebung ihres von Liebe und Drogen aufgepeitschten Körpers bearbeitete, der Ästheten einstmals die eher in einer topographischen Karte zu vermutende Bezeichnung ‚Venushügel‘ verpasst hatten. Blut und Selbstverstümmelung als Liebesbeweis! Danach wunderte ich mich nicht mehr über die Narben, die einige der Hafenmädchen stolz vorzeigten. Doch meistens hatten sie diese weder im Zweikampf, noch im Wahn der Leidenschaft