Название | WIE SIE IHR ERSTES BUCH SCHREIBEN |
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Автор произведения | Martin Selle |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783738042795 |
Somit wissen wir also, was sich in Simons Leben im Groben getan hat bis heute, zu jenem Tag, an dem unsere Story einsetzt, sich der Vorhang für das Theaterpublikum hebt und es sieht, teilnimmt, wie es weitergeht.
Chester Burns wurde nie gefunden in der tiefen Schlucht. Simons Mord bleibt für immer ein Geheimnis. All diese Ereignisse spielten sich zwischen Simons Geburt und dem Beginn unserer Geschichte ab - der Vorgeschichte von Simon. Zugegeben, ich habe Simon Biografie drastisch gekürzt. Ich wollte Ihnen nur demonstrieren, wie Figuren Gestalt annehmen. Je detaillierter Sie die Vorgeschichte ausarbeiten, umso besser, desto genauer werden Sie Ihre Figuren kennen lernen.
Jetzt gilt es, sich in Simon hineinzuversetzen, ihn reden zu lassen, damit er noch lebendiger wird und um zu erfahren, was und wie Simon denkt. Eine bewährte Technik dazu ist es, Simon zu interviewen, führen Sie als Autor ein Gespräch mit ihm. Das könnte so aussehen:
»Nun gut, du bist eben mein geistiger Vater, mein Erfinder, hab ich recht?«, fragt Simon.
»Ja.«
»Meinetwegen. Ich bin bereit, dich an meiner Gedankenwelt teilhaben zu lassen. Aber nur unter einer Voraussetzung -«
»Und die wäre?«
»Jedes Wort bleibt unter uns - jedes! Nur dann sage ich die Wahrheit.«
»Abgemacht.«
»Und erwarte keine Entschuldigung von mir, für das, was ich getan und nicht getan habe.«
»Kein Problem.«
»Meine Erinnerung setzt ein, als ich fünf oder so war. Fishtown Philly. Kein nobles Viertel. Mein Alter war so gut wie nie Zuhause, immer mit dem scheiß LKW auf der Rolle und mit fremden Weibern rumgemacht. Meine Alte kiffte, anstatt ihm die Leviten zu lesen. Ich weiß, so geht es hinter vielen verschlossenen Wohnungstüren zu. Aber wer spricht schon gerne darüber? Ich hoffte immer, die kriegen das auf die Reihe, aber dazu haben sie sich wohl zu wenig geliebt. Oder sie waren einfach zu schwach dazu. Egal auch. Ich glaube, Fishtown hat ihnen den Nerv gezogen. Da stehen die Chancen nicht gerade gut, auf der Karriereleiter nach oben zu klettern.«
»Verstehe.«
»Na ja, Dad hat mir wenigstens beim Boxen geholfen. Der Mistkerl hat es wenigstens versucht, so etwas wie ein Vater zu sein, ehe ihm diese dämliche Tänzerin den Kopf verdreht hat, aber davon habe ich nichts. Er war trotzdem ein Scheißkerl. Er war lieber hinter diesen Straßenweibern her, anstatt sich um uns zu kümmern. Ich habe ihn keine Sekunde vermisst, als ich nach New York gegangen bin. Job ist eben Job, hat er immer gesagt - was für ein Megascheiß! Meiner Alten hab ich immer vorhergesagt, sie würde nicht alt werden, bei dem Kraut, das sie dauernd kifft. So war es dann auch. Sie war keine vierzig, als sie ins Gras biss.«
»Deine Boxverletzung hat dich aus der Bahn geworfen, stimmt'?«
»Stimmt nicht. Ich hatte nie vor, mit als Profi ein Leben lang die Visage polieren zu lassen. Aber ein paar gute Kämpfe hätten wenigstens das Geld gebracht, um studieren zu können - Archäologie oder so. Okay, die Mädels liefen mir nach, als ich im Ring erfolgreich war. Nicht gerade was Schlechtes. Aber auch nicht mehr. Ich glaube, die meisten wollten nur mit ins Rampenlicht. Frauen interessieren doch sowieso nur zwei Dinge, Kinder und Kohle. Zuerst mimen sie deine Partnerin, ziehen mit dir durch das Leben, dann verwandeln sie sich in mütterliche Glucken, hocken genervt und unverwirklicht daheim und verlangen vor dir dasselbe. Für wie dämlich halten die uns eigentlich? Die können mich alle mal! Da bleib ich lieber allein und mach mir ein schönes Leben, frei und ohne Weiberlaunen.
»Was ist mit Burns?«
»Aha, du willst was über meinen Plan in die Archäologie einzusteigen hören. Na schön. Ich nehm mir kein Blatt vor den Mund. Ich habe diesem Mistkerl anfangs wirklich getraut, gehofft, dass wir groß rauskommen in Chile. Ich wäre mit dem mir versprochenen Anteil wirklich zufrieden gewesen. Aber was macht der Schweinehund? Er spricht hinter meinem Rücken mit den Auftraggebern und Sponsoren. Ich meine, wenn er belangloses Zeug mit denen gequatscht hätte, dann hätte er mich das doch wissen lassen können. Okay, ich hab ihn erschossen. Aber nicht, weil ich vielleicht den Ruhm für mich alleine haben wollte, wie das mancher annehmen könnte. Nein! Ich hab einfach mein Leben geschützt. Ich bin ihm zuvor gekommen. Der Hurensohn hätte mich garantiert über die Klinge springen lassen, nachdem wir die Stadtmauer entdeckt hatten. Er soll in der Hölle schmoren, der Scheißkerl!
»Wieso hast du Sarah geheiratet und eine Familie gegründet? Passt nicht gerade zu dem, was du vorhin gesagt hast.«
»Schon gut, schon gut. Jedem Menschen steht es frei, sich ändern, klar. Ich habe mich geändert. War nicht leicht. Aber Sarah und ich verstehen uns. Ich sah nicht, dass wir ineinander verknallt sind wie zwei Teenager - ich halte wirklich nichts von dem Liebe-für's-Leben-Mist. Aber wir ergänzen uns eben. Anders ist das bei Justin und Betty. Die beiden sind alles für mich. Wehe, denen krümmt einer auch nur ein Haar, dann folgt er Burns in die ewigen Jagdgründe! Die beiden lieben mich wirklich - und zwar aufrichtig. Ihnen ein ehrlicher Vater zu sein, das gibt mir was. Ich werde sicher nicht so ein Arsch wie mein Alter sein.«
»Kindheit prägt.«
»So ist es. Dank der Pubs kann ich meine Kinder auf Privatschulen schicken. Sie werden studieren und es zu was bringen, dafür sorg ich. Blicke ich heute so zurück, kann ich ganz zufrieden damit sein, wie sich mein Leben entwickelt hat. Ich bin zwar nie als Archäologe berühmt geworden oder in die Geschichtsbücher eingegangen, aber wir sind nicht arm. Ich habe das Geld, das mir Burns' Steine gebracht haben, bedacht investiert und was draus gemacht. Ich bin zufrieden mit dem, was ist. Nur diese dämlichen Touristen, die glauben, sie müssten jede Kleinigkeit beanstanden, die lassen mir den Hut hochgehen. Wenn mein Temperament mit mir durchgeht, dann hat eben mal einer Pech und kriegt was ordentlich auf die Kappe. Meine Kunden sind für mich König. Ist wirklich so. Läuft mein Laden, läuft alles gut. Und wehe einer versucht, mir das wegzunehmen! Dann blüht ihm ein Schicksal, wogegen das von Chester Burns so gut wie nichts war. Und das sag ich nicht einfach so daher. Das meine ich ernst - verdammt ernst!
So oder so ähnlich könnte das aussehen, wenn wir uns mit einer Figur vertraut machen. Sie werden schnell Ihren eigenen Weg finden, um das ›Personal‹ Ihrer Geschichte kennenzulernen. Geben und nehmen Sie sich Zeit dafür, Figuren sind das Herz Ihrer Story.
Praxisteil 1
Sie erschaffen Helden
ANALYSE (Übung)
1: Nehmen Sie den Thriller ›Die Wahrheit über Derek Foster‹ zur Hand. Lesen Sie ihn und markieren Sie dabei mit einem Textliner (blau) jene Stellen, in denen ich etwas über die Figuren mitteilt: Vergangenheit, Aussehen, Angewohnheiten, Kleidung und Ähnliches. Verwenden Sie für ›Figuren‹ das Blau als Farbe (welche Farbe ist natürlich egal, aber Sie sollten immer die Gleiche Farbe für gleiche Inhalte anwenden, das bringt schnell eine effiziente Arbeitsweise mit sich). Sie benötigen verschiedene Blautöne zum Markieren von Figureninformationen. Einen für den Helden (Derek Foster), einen für den Gegenspieler (Kenneth Kowalski), eines für die wichtigste Nebenfigur (Saskia), weitere für andere oft auftretende Figuren (Kai Lennox, Nina Leoni, Professor Albert Mendess). Nehmen Sie sich diese Zeit für Analyse – das ist ein toller Trainer.
Insider-Tipp: Verwenden Sie zur leichteren Unterscheidung für jede Figur ein deutlich anderes Blau. Gehen Sie notfalls in das Lila hinein. Wichtig ist eine leichte optische Unterscheidung der Figureninformationen.
2: Machen Sie sich klar, dass Derek Foster der Held ist. Schreiben Sie nun der Reihe nach alle Informationen, die ich zu Derek gebe, auf. Jeder Informationsblock, selbst wenn es nur eine einzige kurze Information ist, ist ein eigener Absatz auf Ihrem Papier oder in Ihrem Heft. Schreiben Sie dazu, auf welcher Seite des Romans die jeweilige Mitteilung gemacht wird. Auf diese Weise erarbeiten Sie sich ein