Название | Das Mädchen mit dem Flammenhaar |
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Автор произведения | Janet Borgward |
Жанр | Языкознание |
Серия | Das Mädchen mit dem Flammenhaar |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783742781666 |
Aufbruch nach Kadolonné
„Was soll ich denn jetzt machen?“, fragte ich Jodee, während wir in ihrer Behausung bei einem erfrischenden Becher Kräutertee saßen. Unschlüssig starrte ich auf die darin schwimmenden Ingwerstückchen, als hätten diese für mich eine Lösung parat.
Nach den unfassbaren Enthüllungen meines Vaters war ich nicht mehr gewillt, mit ihm unter einem Dach zu leben. Skyler widerstandslos zu folgen gefiel mir hingegen genauso wenig.
„Hm“, brummte Jodee, als ich meinen Bericht beendet hatte. „Wozu raten dir denn die Karten?“
„Ich nehme sie nicht mehr zu Hilfe“, antwortete ich verbittert. Früher konnte ich aus ihnen die Zukunft lesen, doch das Massaker in Gullorway hatte ich nicht darin gesehen.
„Dann eben deine innere Stimme, bei den Göttern! Was sagt sie dir?“ Theatralisch flogen ihre kleinen Hände in die Luft ob meiner Begriffsstutzigkeit.
Seufzend ließ ich die Luft entweichen. „Auf welche von den tausend Stimmen soll ich denn hören? Einerseits will ich den Aufbau Gullorways weiter vorantreiben. Dann wieder will ich mich an den einfachen Dingen des Lebens erfreuen. Es erfüllt mich mit Stolz zu sehen, wie aus dem verdorrten Land fruchtbarer Boden entsteht.“
„Es gibt genügend Männer hier im Ort, erfahrene Handwerker, die bei der Errichtung des Dorfes behilflich sein können. Und um dem kümmerlichen Korn beim Wachsen zuzuschauen kannst du auf die Feldarbeiter vertrauen.“
„Du willst mich also auch loswerden“, warf ich gekränkt ein.
Sie legte ihre kleine, dunkle Hand versöhnlich auf meine und drückte sie leicht.
„Niemand will dich loswerden, Avery, und ich schon gar nicht. Glaube mir, ich sähe dich viel lieber als Heilerin denn als Kriegerin, aber Skylers Bedenken einer bevorstehenden Gefahr sind nicht von der Hand zu weisen. Er hat Recht, wenn er die Ansicht vertritt, dass wir uns nicht in Sicherheit wähnen sollten.“
„Aber wir leben doch jetzt in friedlichen Zeiten.“ Inzwischen war ich aufgesprungen und durchwanderte aufgebracht den Raum. „Nach Jahrhunderten der Tyrannei sind die Menschen von Kandalar endlich ein freies Volk.“
Jodee sah mich geduldig an, wie man zu einem Kind schaut, dass gerade seine Trotzphase durchlebt.
„Und genau darin liegt die Gefahr. Es muss jemanden geben, der dieses Land führt. Die ersten Gesetzlosen durchbrechen bereits unsere unzureichend gesicherten Grenzen, um sich unter die breite Masse zu mischen. Selbst Timno Theben, die Goldene Stadt, erhöht ihre Schutzmauern, damit der Pöbel fernbleibt. Dabei handelt jeder Clanführer Kandalars nur im eigenen Interesse. Frieden, wie du ihn dir vorstellst, wird es niemals geben, Avery. Aber jetzt haben wir noch die Gelegenheit, ein lebenswertes Kandalar zu schaffen.“
„Dachtest du an jemand bestimmten für diese Rolle?“
Sie schüttelte lachend den Kopf und schenkte mir ein entwaffnendes Lächeln. „Politik ist nicht meine Berufung.“
„Meine auch nicht und von kriegerischen Handlungen habe ich für den Rest meines Lebens genug. Warum sollte ich mich daher in etwas ausbilden lassen, dass ich nicht will?“
„Niemand von uns kann stets tun und lassen, wonach ihm der Sinn steht.“ Der Humor in ihrer Stimme war einem scharfen Unterton gewichen. „Geh mit Skyler nach Kadolonné, Avery! Wenn dir seine Beweggründe auch nicht klar erscheinen, so besitzt er dennoch ein feines Gespür für die entscheidenden Dinge des Lebens.“
Es ärgerte mich, dass stets andere zu wissen glaubten, was das Beste für mich ist.
„Du hast mich gefragt“, sagte Jodee, als hätte sie meine Gedanken erraten.
„Also nach Kadolonné?“
Sie nickte bejahend.
„Aber ich weiß doch erst so wenig über die Heilkunst. Hat es denn nicht Zeit bis …“
„Bis wann, Avery? Bis du die Ausbildung zur Heilerin abgeschlossen hast? Das dauert Jahre. Und auch bei den Javeérs versteht man sich auf diese Kunst.“
„Was ist, wenn die Zeit in Kadolonné aber nicht ausreicht mich auszubilden? So wie Skyler sich anhörte, steht Amarott – wenn er denn tatsächlich überlebt hat – schon mit einem Fuß auf Grund und Boden Kandalars.“
„Dann hast du es zumindest versucht.“
Kraftlos