Hell und Dunkel. Eine Gemsjagd in Tyrol.. Gerstäcker Friedrich

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Название Hell und Dunkel. Eine Gemsjagd in Tyrol.
Автор произведения Gerstäcker Friedrich
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783754149591



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      Gesammelte Schriften

      von

      Friedrich Gerstäcker.

      Vierter Band.

      Volks- und Familien-Ausgabe.

      Hell und Dunkel. – Eine Gemsjagd in Tyrol

      Jena,

      Hermann Costenoble.

      Ausgabe letzter Hand, ungekürzt, mit den Seitenzahlen der Vorlage

      Gefördert durch die Richard-Borek-Stiftung und Stiftung Braunschweigischer Kuilturbesitz

      Friedrich-Gerstäcker-Gesellschaft e.V. und Edition Corsar, Braunschweig, 2021

      Herausgegeben von Thomas Ostwald nach der von Friedrich Gerstäcker

      eingerichteten Textausgabe für H. Costenoble

      Geschäftsstelle: Am Uhlenbusch 17, 38108 Braunschweig

      Alle Rechte vorbehalten! © 2016 / © 2021

      Herr Hobelmann.

      „Bitte, Herr Conducteur, ein Coupé, wo nicht geraucht wird!"

      „Nicht geraucht? - ja wohl - wohin?"

      „Yvenburg!"

      Der Conducteur öffnete eins der nächsten Coupés des dicht mit, von der Leipziger Messe kommenden, Fremden besetzten Zuges, und der junge Mann, der sich ein Nicht-Rauch-Coupé erbeten hatte, lächelte still vor sich hin, als er nur noch einen einzigen Passagier in dem innern Raum entdeckte. Die in der Mitte befestigte Lampe verbreitete allerdings blos einen düstern Schein im Wagen, so daß sich sein Gesicht nicht deutlich erkennen ließ; das ist aber unterwegs auch nicht nöthig, denn es kommt bei unserer jetzigen Eisenbahnfahrt in der That wenig darauf an, mit wem man die kurze Zeit der Reise beisammen ist. Lernt man sich doch selten oder nie näher kennen, als eben nöthig bleibt „Guten Morgen" zu sagen.

      Der junge Fremde schien übrigens kein Neuling unterwegs. In kurzer Zeit hatte er sein weniges Gepäck zweckmäßig untergebracht, und einen buntfarbigen wollenen Ueberwurf, der ein ausländisches Gepräge trug, zusammenrollend und unter den rechten Ellbogen schiebend, lehnte er sich behaglich in seine Ecke zurück, und sah still und schweigend vor sich nieder, bis der Conducteur die Billete coupirt und den Wagen wieder geschlossen hatte. Dann aber sich zu seinem eben so schweigsamen Reisegefährten wendend, sagte er: /8/

      „Wir sitzen hier in einem Coupé, wo nicht geraucht wird, nicht wahr?"

      „Allerdings!" lautete die lakonische Antwort.

      „Aber es ist Ihnen doch vielleicht einerlei, wenn ich mir eine Cigarre anzünde?" fuhr der Fremde fort.

      „Einerlei? nein," erwiderte der Mitbesitzer des Nicht-Rauchcoupés - „einerlei ist es mir gar nicht, denn wenn Sie rauchen, rauch' ich mit."

      „Das soll ein Wort sein!" lachte der junge Fremde, indem er aus seiner Brusttasche eine äußerst fein aus Stroh geflochtene Cigarrentasche nahm und seinem Nachbar hinüberreichte - „bitte, versuchen Sie einmal meine Havanas. Daß sie ächt sind, garantire ich Ihnen."

      „Man kann es in den anderen Coupés gar nicht aushalten," sagte der Erste, indem er mit dankender Verbeugung eine Cigarre nahm - „sie sind gedrängt voll von polnischen Juden."1

      „Aus dem nämlichen Grunde habe ich mir ein Nicht-Rauch-Coupé erbeten. Wenn wir nur keine Dame hereinbekommen!" sagte der zuletzt Eingetroffene.

      „Das ist in der Nacht kaum zu fürchten; es gehen zu viel Züge bei Tage, und nach der Messe reisen Damen gewiß nicht in der Nacht, wenn sie nicht nachgedrungen müssen. - Die Cigarre ist übrigens vortrefflich."

      „Schmeckt sie Ihnen?"

      „Ausgezeichnet - ich habe noch keine bessere geraucht."

      „Sie wohnen in Yvenburg?"

      „Ich gedenke dort zu wohnen. Ich komme von Würzburg, wo ich eine Zeit lang prakticirt, und will mich jetzt in Yvenburg als Arzt niederlassen."

      „Als Arzt? - vortrefflich. Da wünsche ich Ihnen oder vielmehr Ihren Patienten Glück."

      „Wir können es zu beiden Theilen gebrauchen," lachte Jener, und die beiden jungen Leute lehnten sich schweigend in ihre Ecken zurück, um von jetzt an ihren eigenen Gedanken nachzuhängen. An den verschiedenen Stationen, an denen angehalten wurde, ließ man sie auch ungestört. Unterwegs stiegen nur noch wenig Passagiere ein, und die wenigen /9/ wünschten auf der Fahrt Alle ihre Cigarre zu rauchen, belästigten sie also nicht.

      Der Tag dämmerte gerade, als sie sich dem Ziel ihrer Fahrt näherten.

      „Haben Sie schon ein Logis, Herr Doctor?" frug der Fremde, während er sein Reisegepäck zusammenlegte, um es beim Aussteigen gleich bei der Hand zu haben.

      „Ich? - ja. Ein Privatlogis, das ich beziehen werde. Und Sie?"

      „Ich will einen Onkel von mir überraschen, den ich seit neun Jahren nicht gesehen habe. Ich komme allerdings noch ein wenig früh, und der alte Herr wird im ersten Augenblick nicht angenehm überrascht von der Störung sein. Aber das schadet nichts; die Freude ist nachher desto größer."

      „Sie waren längere Jahre verreist, wie mir scheint."

      „Ich komme direct aus Havana."

      „Daher also die vortrefflichen Cigarren."

      „Von denen ich Sie bitte, sich noch eine anzuzünden."

      „Aber ich beraube Sie."

      „Nicht im Mindesten - ah, da sind wir!"

      Der Zug hielt; die beiden jungen Leute stiegen aus, grüßten einander, und der Havanese fuhr gleich darauf in einer Droschke über die Brücke in die Stadt hinein, während ihm der neue Doctor langsamer und seinen Umständen mehr entsprechend zu Fuß folgte.

      Die Maschine schnaufte und pustete und blies den weißen Qualm aus, wie erhitzt vom raschen Lauf und frische Kräfte jetzt zum neuen sammelnd. Während sich dann die lebendige Menschenlast, die sie eben erst hergeschafft, nach allen Richtungen hin zerstreute, drehte es sich um, das kochende, glühende Ungeheuer, faßte mit den eisernen Zangen den nächsten schwerbeladenen Zug und schnaubte keuchend wieder hinaus, scheinbar mitten in's blanke Feld hinein, anderen Städten, anderen Ländern zu - rastlos, ruhelos mit der unermüdlichen eisernen Brust. /10/

      II.

      Es war noch früh, denn bei den schon wieder ziemlich kurzen Tagen fanden sich die Stadtbewohner Morgens nicht so rasch aus ihren Betten. Nur die Mädchen gingen nach Brod oder Milch, um das Frühstück für die Herrschaft herbeizuschaffen, und hier und da rasselte ein mit ausgeschlachtetem Fleisch behangener Wagen die Straße herauf, seine Ladung den nächsten Hallen zuzuführen. Unser junger Fremder wußte aber doch, trotz seiner langen Abwesenheit von dem Vaterland, ziemlich Bescheid in der innern Stadt - wenn er sich auch in den Vorstädten schwieriger zurecht gefunden hätte. Er bezeichnete wenigstens dem Droschkenkutscher genau die Straße und das Hotel, in das er wollte, ließ dort sein Gepäck abladen und schritt dann selber, ohne weitere Erkundigungen einzuziehen, quer über den nächsten Platz hinüber, eine Strecke an der Häuserreihe hin und dann in ein Eckhaus hinein, in dem er in flüchtigen Sätzen die Stufen hinauf bis in die erste Etage sprang.

      Die Vorsaalthür dort war aber versperrt, und unschlüssig blieb er davor stehen, denn er scheute sich jedenfalls zu klingeln. Da hörte er drinnen Schritte, irgend Jemand legte die kleine Kette zurück, die den Eingang sicherte, und gleich darauf öffnete sich die Thür selber, aus der ein Dienstmädchen, den Frühstückskorb am Arm, gerade heraustreten wollte.

      „Guten Morgen, mein schönes Kind!" sagte der junge Mann.

      „Herr Jesus, haben Sie mich erschreckt!" fuhr das Mädchen zurück, und schien nicht übel Lust zu haben, ihren Weg ganz aufzugeben. Damit war aber dem Fremden nicht gedient, und ihren Arm ergreifend, sagte er lachend:

      „Fürchten Sie sich nicht; ich thue Ihnen nichts - ich will nur zum alten Herrn. Schläft er noch?"

      „Der