Ricarda Huch: Deutsche Geschichte – Untergang des Römischen Reiches Deutscher Nation – bei Jürgen Ruszkowski. Ricarda Huch

Читать онлайн.



Скачать книгу

Gunst, ja seine Neigung zu gewinnen.

      Die Anfänge von Friedrich Wilhelms Politik waren ein vollständiger Fehlschlag. Zwei Aufgaben waren es, die er sich gestellt hatte: das rheinische Fürstentum Jülich-Berg und das schlesische Fürstentum Jägerndorf sich anzueignen, auf die er Ansprüche zu haben glaubte. In das Herzogtum Cleve hatten sich beim Aussterben des Cleveschen Hauses der Kurfürst von Brandenburg und der Herzog von Neuburg geteilt, so dass der erstere Cleve, Mark und Ravensberg, der andere Jülich-Berg erhielt; jeder von beiden behielt sich aber im Stillen vor, das Ganze sich anzueignen, wenn sich Gelegenheit böte. Jägerndorf, wozu noch einige andere schlesische Landesteile kamen, war im Besitz des Kaisers, der den brandenburgischen Anspruch nicht anerkannte und nicht im Sinn hatte, auf die ihm besonders wertvolle Provinz zu verzichten; aber die Brandenburger rückten unermüdlich damit auf, wie es die Fürsten zu tun pflegten, um einen einmal erhobenen Anspruch nicht erlöschen zu lassen. So sehr erfüllten diese Pläne namentlich des Kurfürsten Herz, dass er es unternahm, nicht lange nachdem unter unsäglichen Mühen der Westfälische Friede zustande gekommen war, Jülich-Berg mit Waffengewalt dem Herzog von Neuburg zu entreißen. Dieser mit unzureichenden Mitteln und im unglücklichsten Augenblick gewagte Friedensbruch hatte zur Folge, dass Friedrich Wilhelm einen beschämenden Rückzug antreten musste und in den Ruf unbezähmbarer Ländergier geriet.

       In Waldecks Augen war die kurfürstliche Politik altfränkisch, unfruchtbar, einseitig; er hatte höhere, umfassendere Ziele. Im Grunde kam es ihm auf Vernichtung des Hauses Habsburg und Erhöhung des Hauses Hohenzollern an. Des Reichsgrafen Gedanken waren auf das Wohl und Wehe des Reiches, die des Kurfürsten nur auf sein eigenes Territorium gerichtet. Wie Chemnitz sah Waldeck im Haus Habsburg den allgemeinen Feind. Die Leidenschaften des großen Krieges brannten noch in ihm, er war überzeugt, dass der Kaiser, wenn er könnte, die Protestanten ganz unterdrücken würde. Grade wie es bei Chemnitz ausgeführt wurde, sah er die Rettung in der Verbindung aller Reichsstände, der protestantischen und der katholischen, gegen das verderbliche Haus Österreich. Die Kombination des großen Krieges, dass die anti-österreichische Partei Schutz bei Frankreich, namentlich aber bei Schweden suchte, war ihm selbstverständlich. Eine möglichst starke Allianz im Reich zustande zu bringen, deren Spitze gegen den Kaiser gerichtet wäre, wenn das auch nicht ausgesprochen werden durfte, das war sein nächstes Bestreben; das Haupt der Allianz sollte der Kurfürst von Brandenburg sein. Der Kurfürst, das war er selbst. Er fühlte die Kraft in sich, Führer im Reich zu werden, an die Stelle des tyrannischen Hauses Österreich zu treten, vielleicht tyrannischer als dieses. Ein jeder, hatte Chemnitz geschrieben, behauptete für das Gleichgewicht der Kräfte zu arbeiten, während er danach trachtete, sich selbst zu erheben und die anderen zu unterdrücken. Das würde sich Waldeck kaum eingestanden haben; in Brandenburg sah er einen entwicklungsfähigen Staat, einen nach Großem strebenden Fürsten, hier konnten gewandte, nervige Hände mit Erfolg das Steuer ergreifen. Es gab freilich viel Arbeit, kleinliche, mühsame Arbeit, bevor das Ziel erreicht werden konnte. Zuerst musste er des Kurfürsten Seele gewinnen und seine bisherigen Räte entweder auf seine Seite bringen oder stürzen, dann die Fürsten und Räte der anderen Staaten zum Abschluss der Allianz bewegen, wobei er darauf achten musste, dass sie die Absicht des Kurfürsten auf eine beherrschende Stellung nicht merkten. Alles das getraute Waldeck sich zu erreichen. Wirklich gelang es ihm, diejenigen Räte, auf die Friedrich Wilhelm bisher gehört hatte, zu überstimmen. Sie waren gut protestantisch; aber sie standen auf dem Boden der alten Reichsverfassung. Ein Staat wie Brandenburg, meinten sie, könne nur in Verbindung mit anderen, mächtigeren sich erhalten, entweder im Bund mit dem Ausland oder mit dem Kaiser, das letztere sei das natürliche, empfehlenswerte. Die einstige Kraft und Herrlichkeit des Reiches komme nicht wieder; aber man könne doch die jetzige Verfassung erhalten. Danach müsse man streben, dass Kaiser und Kurfürsten miteinander das alte Gebäude im Stand hielten. Waldeck hoffte im Gegenteil, der Kaiser werde, obwohl ihm das durch den Westfälischen Frieden und durch die letzte Wahlkapitulation verboten war, Spanien gegen Frankreich unterstützen; denn der Krieg zwischen diesen beiden Mächten dauerte noch fort; das würde Brandenburg einen Vorwand liefern, seinerseits in den Krieg einzutreten, und er fasste bereits ins Auge, dass die Spanischen Niederlande an Frankreich abgetreten würden, wogegen Frankreich das vielbegehrte Jülich-Berg an Brandenburg zu bringen hätte. Das war eine Lockspeise für den Kurfürsten. Über eine solche Politik der Hinterhältigkeit und Zügellosigkeit waren die kurfürstlichen Räte entsetzt; Waldeck ließ sie zetern und die Hände ringen, wenn nur das Ziel erreicht würde. Aber die Verhandlungen mit den Fürsten wegen der Allianz machten nur langsame Fortschritte, wenig wurde erreicht, weil der Argwohn gegen Brandenburgs Ehrgeiz allgemein und schwer zu beschwichtigen war; doch ließ sich Waldeck keine Mühe verdrießen. Da traten Ereignisse ein, die nicht vorauszusehen gewesen waren und die seiner nach Westen gerichteten Politik eine andere Richtung gaben.

      * * *

      Dominium maris Baltici

       Dominium maris Baltici

      Ein Weltkrieg wie der dreißigjährige hinterlässt Kriegsmüdigkeit, aber auch Kriegsbereitschaft; denn von den Konflikten, die ihn herbeiführten, werden nur einige, und auch die nicht zur Befriedigung aller gelöst werden. Nicht nur die Besiegten hatten Opfer bringen müssen, auch die Sieger, die ja verschiedene und zum Teil entgegengesetzte Interessen hatten, mussten in manchen Punkten nachgeben und sich auf spätere Gelegenheiten vertrösten lassen. Es gab nach dem Krieg nicht nur eine ausgesogene, erschöpfte Bevölkerung, sondern auch Armeen, die ihre Landesherren nicht entlassen wollten und konnten, und in denen noch die Lust an ihrem Geschäft und die Begierde nach dem Gewinn brannte, den es mit sich bringen konnte. Die Gewinner im Dreißigjährigen Krieg waren Frankreich und Schweden. Frankreich war vorläufig gesättigt, Schweden war trotz seines Ländergewinns am Krieg verarmt.

Grafik 100

      Gustav Adolf

      Schon Gustav Adolf hätte den Krieg ohne französisches Geld nicht führen können; nach seinem Tod hatte die Krone ihre Domänen an die adligen Herren verschenken müssen, die von jeher in Schweden mächtig waren und es vollends im Kriege wurden. Bedrohlich erhob sich die Frage, wie die zurückkehrenden Soldaten ernährt werden sollten.

      Mit Gustav Adolf war die schwedisch-protestantische Linie des Hauses Wasa im Mannesstamm ausgestorben. Nachdem seine Tochter Christine abgedankt hatte, bestieg Karl Gustav von Zweibrücken als nächster Verwandter den Thron.

Grafik 102

      Karl Gustav von der Pfalz-Zweibrücken später als Karl X. Gustav König von Schweden. Geboren am 8.11.1622 in Nyköping, verstorben am 13. Februar 1660.

       Während manchmal kleine Reichsfürsten ihre Soldaten, die sie nicht entlassen wollten, aber nicht bezahlen konnten, irgendeiner kriegführenden Macht überließen, erwog Karl Gustav den Ausweg, mit seinem erprobten Heer einen Eroberungskrieg zu beginnen. Der Krieg konnte die Soldaten ernähren, konnte seinem Land die breitere Grundlage schaffen, die ihm fehlte, und befriedigte zugleich die angeborenen Neigungen und Talente des jungen Königs. Karl X. Gustav war unförmlich dick und schwer; aber unternehmend, abenteuerlustig und ein ausgezeichneter Feldherr, reich an Einfällen und jeder Lage gewachsen. Übrigens war er verschlossen, ob außer seinen kriegerischen Interessen etwas in ihm vorging, und was es war, erfuhr man nicht.

      Seit Jahrhunderten kämpften Dänemark, Schweden und die deutsche Hanse um das, was man damals das Dominium maris Baltici nannte, die Beherrschung der Ostsee, das heißt um das Recht, mit den angrenzenden Ländern Handel zu treiben und die damit verbundenen Zölle zu erheben; in der neueren Zeit war die Hanse aufgelöst und aus dem Wettbewerb ausgeschaltet.

Grafik 348

      Wenn Karl X. Gustav sich auf Polen warf, so verfolgte er damit die Politik, die sein großer Vorgänger Gustav Adolf ihm gewiesen hatte. Das agrarische Polen war zwar nicht gewerbetreibend und keine Handelsmacht; aber es besaß einen hervorragenden Handelsplatz in der Stadt Danzig, die Gustav Adolf nicht hatte überwinden können, und in der Provinz Litauen einen