Название | Ricarda Huch: Deutsche Geschichte – Untergang des Römischen Reiches Deutscher Nation – bei Jürgen Ruszkowski |
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Автор произведения | Ricarda Huch |
Жанр | Документальная литература |
Серия | gelbe Buchreihe |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783754183250 |
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Stände und Städte
Stände und Städte
Nachdem die Fürsten die Zügel der kaiserlichen Oberhoheit im Westfälischen Frieden fast ganz abgeworfen hatten, gingen sie darauf aus, sich auch der von unten her durch die Stände ihnen gesetzten Einschränkungen zu entledigen. Eine gewisse Nötigung, die produktiven Kräfte ihrer Länder ganz in ihre Hand zu bringen, lag für die Fürsten darin, dass Frankreich sich in dieser Richtung entwickelt hatte. Folgerichtig wäre es allerdings gewesen, wenn die Gewalt des Kaisers sich im selben Maße wie die des französischen Königs verstärkt hätte, aber das war ausgeschlossen durch die Eigenart der Reichsverfassung, durch die Vielstämmigkeit der Deutschen und ihre Neigung zur Selbstbehauptung der Einzelkräfte. Auf der Grundlage des Verhältnisses zwischen Oberhaupt und Gliedern, wie es sich einmal herausgebildet hatte, nahm die kaiserliche Macht ab, wie die des französischen Königs zunahm, während die deutschen Fürsten dem Beispiel des benachbarten Monarchen zu folgen versuchten. Das Abendland bildete so sehr eine Einheit, dass eine wesentliche Veränderung seines Charakters, die sich auf einem Punkte durchsetzte, allmählich das Ganze ergreifen musste; meistens pflegte sie gleichzeitig an mehreren Orten aufzutreten. Die Zentralisierung der Macht vollendete sich zuerst in Frankreich; die Überlegenheit, die es dadurch erlangte, zeigte sich so deutlich und mit so verderblichen Folgen für Deutschland, dass die Landesherren darauf hingedrängt waren, dem Beispiel zu folgen, auch wenn es ihren persönlichen Neigungen und Bedürfnissen nicht entsprochen hätte.
An Kampf und Beraubung gewöhnt, begierig für erlittene Verluste sich zu entschädigen oder erbeuteten Gewinn zu vermehren, waren die Fürsten nach dem Dreißigjährigen Krieg Raubtieren im Käfig ähnlich, die hungrig und grimmig die Stäbe entlang streichen und mit dem Schweif die engen Wände peitschen. Sie trachteten alle nach dem miles perpetuus, wie man damals sagte, nach dem stehenden Heer, das sich im Krieg so nützlich erwiesen hatte, mit dem sie äußere und innere Feinde bezwingen konnten; aber der miles perpetuus kostete Geld, sehr viel Geld, und das Geld befand sich in einem Beutel, den die Stände öffnen und verschließen konnten. Die Stände, in der Regel bestehend aus Vertretern von Adel, Geistlichkeit und Städten, waren ebenso friedliebend, wie die Fürsten kriegerisch waren; sie wussten, wie schwer das Geld zu beschaffen war, sie waren selbst auf die Abgaben der Untertanen angewiesen und sahen es ungern, wenn diese auch noch vom Staat ausgebeutet wurden. Ihre eigenen Interessen waren stark im Spiel; aber sie vertraten doch auch die des Volkes, wenn sie sich der Prachtliebe, der sinnlosen Verschwendung und der Kriegspolitik der Fürsten widersetzten. Diese bevormundenden Stände loszuwerden und durch unterwürfige Beamte zu ersetzen, war der Wunsch aller Fürsten des 17. Jahrhunderts, und sie wurden darin durch ihre Beamten und Räte, namentlich soweit sie Juristen waren, unterstützt. Von jeher hatten die Juristen eine absolutistische Auffassung gepflegt, wie es ihrem Bildungsgang entsprach; die im Mittelalter so vielfach verflochtenen und zerstreuten Rechtstitel einem einzigen Prinzip, der landesfürstlichen Hoheit, unterzuordnen, war ihrem im Studium des Römischen Rechts geschulten Verstande einleuchtend und bequem. Die landesfürstliche Hoheit war ein Begriff, der, gerade weil er unbestimmt war, sich beliebig anfüllen und verwenden ließ.
Die seltene Einmütigkeit der Fürsten in diesem Punkt setzte im Jahr 1654 einen Reichsbeschluss durch, der die Stände verpflichtete, ihren Landesherren das nötige Geld zur Erhaltung ihrer Festungen und deren Besatzungen zu bewilligen. Damit war das Steuerbewilligungsrecht durchbrochen. Es genügte aber den Fürsten nicht, und sie versuchten einen neuen Reichsbeschluss durchzubringen, der die Stände anhielte, alles Geld, was von ihnen verlangt würde, „gehorsamlich und unweigerlich darzugeben“, damit sie den Verpflichtungen nachkommen könnten, die ihnen aus dem im Westfälischen Frieden erworbenen Recht, Bündnisse mit inneren und auswärtigen Mächten zu schließen, erwüchsen. Schon glaubten sie sich am Ziel, als der Kaiser, in dessen Interesse es nicht lag, die Fürsten noch unabhängiger zu machen, das Zustandekommen des Beschlusses verhinderte. Erbittert darüber schlossen mehrere Reichsstände, darunter Kur-Brandenburg, ein Bündnis, in welchem sie sich Beistand gegen ihre Stände und Untertanen versprachen, falls diese sich ihren militärischen Ansprüchen widersetzen sollten. Sie waren entschlossen, jede Schranke ihrer Macht zu beseitigen.
Unter den deutschen Fürsten des 17. Jahrhunderts hatte keiner ein so machtgieriges Herz und ein so ausgeprägtes Herrscherbewusstsein wie Friedrich Wilhelm von Brandenburg, den die dankbaren Nachkommen den Großen Kurfürsten genannt haben.
Friedrich Wilhelm, „der Große Kurfürst“ (* 16. Februar 1620; † 9. Mai 1688) 1640 – 1688 Sohn Georg Wilhelms, erließ 1685 das Potsdamer Edikt, indem er den in Frankreich wegen ihrer Religion.
Seine Stände waren ihm nicht nur im Wege, weil sie seine Kriegsführung und die Vereinheitlichung seiner weit auseinandergelegenen Provinzen erschwerten, sondern auch weil sie das ihm angeborene Herrschergefühl verletzten. Wenn er sagte, die Untertanen sollten mit der Regierung nicht a pari konkurrieren, so stimmte das mit der neuen Theorie von der Einheitlichkeit der Staatsgewalt überein, entsprang aber zugleich seinem despotischen Charakter. Es gab wohl nach seiner Meinung Fürsten und Stände; aber die Stände waren Untertanen und mussten gehorchen. Dass ein Vertrag zwischen ihm und den Ständen bestehe, leugnete er. Seine Gewalt war ihm, behauptete er, von Gott verliehen, und nur Gott sei er verantwortlich. Die Stände ihrerseits meinten, gleichfalls von Gott geordnet zu sein, sie bildeten nach mittelalterlicher Auffassung ein corpus mysticum, dessen Haupt der Landesherr sei. Sie konnten sich darauf berufen, dass Friedrich Wilhelm beim Antritt seiner Regierung ihre Privilegien beschworen hatte, wohingegen er das Staatswohl anführte, nach dessen Erfordernissen er seine Gewalt gebrauchen müsse. Dass seine Ansicht vom Staatswohl die gültige sei, verstand sich von selbst. Zweifelsohne waren die Stände im Recht, wenn sie ihre Privilegien verteidigten, Unrecht hatten sie nur insofern, als der Geist der Zeit ihnen entgegen war, und als sie selbst von ihm beeinflusst waren. Ihre Lage wäre besser gewesen, wenn sie ein breiteres, sicheres Fundament gehabt hätten; aber der Adel hatte das bürgerliche Element hochmütig zurückgedrängt, von den Bauern ganz zu schweigen. Den ernstesten Widerstand hatte der Kurfürst in Preußen zu besorgen. Hatte er im Jahr 1659 die polnische Oberhoheit abwerfen können, so war doch im Land das Gefühl der Zugehörigkeit zu Polen noch nicht ausgelöscht. Auch rechtliche Bande gab es noch, insofern Polen die Rechte der preußischen Stände garantiert hatte. Adel und Städte hatten sich im Allgemeinen bei der Verbindung mit Polen wohl gefühlt, sie liebten den Kurfürsten nicht, überhaupt reflektierten sie, wie sie sagten, wenig auf das deutsche Wesen. Seit der unglücklichen Schlacht bei Tannenberg hatte Preußen in keiner Verbindung mehr mit dem Reich gestanden, Polen war ihm vertrauter als Brandenburg.
Nicht alle Räte des Kurfürsten billigten sein rechtswidriges Verfahren im Verkehr mit den Ständen; denn schließlich waren sie auch Adlige und hatten Verständnis für die Interessen ihrer Schicht. Aber Friedrich Wilhelm griff durch; er erhob Steuern, die nicht bewilligt waren, und ließ sie mit Härte gewaltsam eintreiben. Träger des Widerstandes waren auf Seiten des Adels Christian Ludwig von Kalkstein (Christian Ludwig von Kalckstein (* 1630; † 8. November 1672 in Memel) war ein kurbrandenburger Obrist.) und auf Seiten der Städte der Königsberger