Название | Freundlicher Tod |
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Автор произведения | Ute Dombrowski |
Жанр | Языкознание |
Серия | Eltville-Thriller |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783742755940 |
Als wenn es nicht schon schlimm genug war, dass Alexander Sarah getötet hatte, noch viel schlimmer war die spätere Erkenntnis, dass es eine Fehlentscheidung gewesen war. Aber er hatte auf Fred gehört, Fred, den weisen alten Mann, dem er vollkommen vertraut hatte.
„Du hast das Richtige getan! Und mich beim Sterben zu unterstützen, ist auch richtig. Dann geht es dir besser, glaube mir!“, hatte Fred enthusiastisch gerufen. „Du hilfst mir und ich helfe dir.“
„Versprichst du mir, dass ich damit meinen Seelenfrieden zurückbekomme?“
„Ich verspreche es dir. Meine Seele für die deiner Schwester. Mein Leben für ihres.“
Sie hatten sich oft im Krankenhaus getroffen, wenn Alexander Sarah besuchte. Später hatten sie darüber geredet, wie es wäre, für immer von den Schmerzen erlöst zu werden. Als der alte Mann für seine letzte Lebenszeit nach Hause gegangen war, besuchte ihn Alexander öfter am späten Abend oder in der Nacht. Die beiden sprachen dann meistens über den Tod und das Sterben. Fred hatte ihm erklärt, dass er immer die Kontrolle über sein Leben haben wollte, also hatte er auch nicht vor, sie beim Sterben abzugeben.
„Ich bin noch total klar im Kopf und will nicht als ein sabberndes Wrack enden, das sich vor Schmerzen krümmt oder nur noch unter Drogen leben kann. Dann lieber taktvoll abtreten.“
Den Gedanken daran hatte Alexander nicht mehr aus dem Kopf kriegen können und nachdem er seine Schwester erlöst hatte, war er zu Fred gelaufen und hatte ihm davon berichtet. Sie saßen stundenlang zusammen und Fred lobte ihn für seine Umsicht.
Auch wenn Alexander wusste, dass Sarah jetzt nicht mehr leiden musste, war er traurig und verzweifelt zugleich.
Er war zu Füßen des großen Sessels im Wohnzimmer vor Fred zusammengebrochen und der hatte ihm den Kopf gestreichelt, bis Alexander sich wieder beruhigt hatte. Danach offenbarte er ihm seinen Plan, mit dem beide zufrieden sein konnten. Noch einen Tag vor dem geplanten Tod des alten Mannes lief Alexander durch die Gegend und sah nicht, was um ihn herum vor sich ging. In seinem Kopf und im Herzen trug er die Sehnsucht, erlöst zu werden von der Last seiner Schuld. Hatte Fred recht? Konnte er so seinen Frieden zurückerlangen?
Fred hatte extrem starke Schmerzen, dass er oft schreien musste, aber das konnte und wollte er seinen beiden lieben Menschen nicht sagen. Sie sollten das Gefühl haben, dass es ihm gut ging und dass sie bestens für ihn sorgten und sich nützlich vorkamen. Er litt wie ein Hund und als der Arzt ihm sagte, dass er mit den Medikamenten noch ewig leben könne, war er nicht erfreut, sondern verzweifelt.
„Ewig leben? Ewig diese Schmerzen? Zugedröhnt mit Medikamenten? Das ist für mich kein Leben. Ich habe alles geregelt. Wenn du mir hilfst, wirst du von deiner Schuld erlöst. Niemand wird wissen, was du getan hast, es wird keine Spuren geben, also wird dich keiner verdächtigen. Kein Mensch weiß, dass wir uns kennen. Sterbehilfe ist in Deutschland verboten, aber ich schaffe es nicht mehr, irgendwohin zu reisen. Ich werde einen Brief schreiben, dass ich freiwillig aus dem Leben geschieden bin.“
Es klang vernünftig und Alexander spürte so viel Verständnis für den alten Mann, dass er zustimmte. Sie verabredeten sich für zwei Tage vor Silvester. Alexander würde abends kommen, Fred töten und dann wieder verschwinden, sodass Gernot ihn später finden konnte. Zu lange im Bett herumliegen und verwesen wollte Fred nun auch nicht. Sie hätten es genauso gut machen können, wenn Jutta an Neujahr für eine Woche zu ihrer Familie fahren würde, aber der Gedanke daran, dass Fliegen auf ihm herumkrabbelten und in Ohren, Nase und Mund hineinkriechen würden, war Fred unangenehm. Dann lieber schnell gefunden und begraben werden.
Da der alte Mann viel Zeit hatte, konnte er vorher im Internet recherchieren, wie der Tod ihn schnell mitnehmen könnte und auch im Krankenhaus hatte er oft scherzhaft mit den Schwestern darüber geredet. Am Tag seiner Entlassung hatte er das Narkosemittel gestohlen, von dem er gelesen hatte, dass es in Überdosierung rasch zum Tod führen würde.
Alexander hatte Handschuhe getragen, als er die erste Spritze aufzog. Für Sarah hatten er und seine Mutter gelernt zu spritzen, falls einmal ein Notfall auftreten würde. Sie hatten noch geredet, bis Alexander dem Mann die erste Dosis gab. Drei Spritzen später lächelte Fred und war bald eingeschlafen. Nach einer Weile hatte sein Herz aufgehört zu schlagen. Auch Alexander hatte gelächelt, denn nun würde bald ein Gefühl der Befreiung kommen. Aber solange er auch wartete, nichts passierte. Er fühlte sich plötzlich schuldig am Tod seiner Schwester und nun auch noch am Tod von Fred.
Am Nachmittag nach Freds Tod nahm die Mutter Alexander mit ins Krankenhaus, um sich für die Unterstützung zu bedanken und der Einladung des Arztes zu folgen, der noch einmal mit ihnen sprechen wollte. Dörte hatte Alexander am Mittag in den Arm genommen. Sie sah, dass es ihrem Sohn schlecht ging, da würde ihm das Gespräch mit dem Mediziner guttun.
„Mein Beileid, Frau Retzanski“, hatte der Arzt gesagt. „Und Alexander, ich hoffe, Sie machen sich keine Vorwürfe, dass nur Sie im Haus waren. In den Akten Ihres Hausarztes steht, dass Sarah sanft eingeschlafen ist. Doch ich verstehe natürlich, dass es ein schweres Los ist.“
„Ja, Herr Doktor, es tut weh“, erklärte Alexander, „aber sie muss nun nicht mehr leiden. Sie wäre sicher nie wieder gesund geworden. Vielleicht ist es gut so und ihr sind viele Schmerzen erspart geblieben.“
„Dazu muss ich Ihnen noch etwas sagen, bisher war nie die Gelegenheit. Wir haben ja, bevor ich in den Urlaub gefahren bin, noch einige wichtige Tests gemacht. Ich will Ihnen das Ergebnis nicht verschweigen, auch wenn Sarahs Tod dadurch noch bitterer wird. Die Untersuchungen haben eine gute Gehirnaktivität gezeigt. Alle wichtigen Areale hatten sich erholt und ich denke, Sarah wäre in der nächsten Zeit aufgewacht. Und sie wäre wieder ein lebenslustiger Mensch ohne bleibende Schäden geworden. Leider hat die Lungenembolie das verhindert. Es tut mir alles sehr leid.“
Dörte begann zu weinen, aber Alexander war kopfschüttelnd aus dem Krankenhaus gerannt. Seine Mutter hatte ihn dann zitternd und vollkommen abwesend auf einer Bank gefunden. Er konnte nur noch einen Satz denken: Ich habe meine Schwester umgebracht.
Etwas in seinem Kopf zerbrach und er rannte los, hinaus in die Weinberge, wo er im Morgengrauen laut und verzweifelt all seinen Schmerz hinausschrie.
„Du hast gelogen!!! Fred, du hast gelogen, ich bin nicht frei von meiner Schuld! Es geht mir nicht besser.“
Irgendwann war er heimgelaufen, nass und durchgefroren in die Wanne gestiegen und dort wusste er, was zu tun war: Er musste jemanden finden, der ihm Erlösung bringen würde. Jetzt musste er nur noch die düsteren Gedanken aus dem Kopf verbannen. Mit neuem Mut stieg er aus der Wanne und überlegte, wie er den Jahreswechsel hinter sich bringen könnte. Er beschloss, in die Altstadt zu gehen und sich dort mit den Menschen zu unterhalten. Außerdem würde er sich im neuen Jahr eine kleine Wohnung suchen. Alexander wollte nicht mehr bei seinen Eltern wohnen. Sicher würde er auch eine neue Arbeit finden, denn er hatte einen guten Abschluss.
Mutig betrat er das Wohnzimmer seiner Eltern und verkündete beim Silvesterabendessen seinen Entschluss. Klaas wollte aufbrausen, aber Dörte legte eine Hand auf seinen Arm und sah ihn sanft an.
„Lass ihn gehen“, sagte sie, nachdem Alexander das Zimmer verlassen hatte, „er muss auf eigenen Füßen stehen, der Tod von Sarah hat ihn aus der Bahn geworfen. Ein Neuanfang ist sicher richtig. Bitte telefoniere herum und frage, wer Alexander einstellt! Bitte, Schatz, tu es mir zuliebe!“
Klaas hatte genickt und sich dem Wunsch seiner Frau gebeugt. Er dachte, er wäre ihr das schuldig, nachdem sie ihn wortlos wieder in sein altes Leben zurückgelassen hatte.
Alexander war durch die einbrechende Nacht gelaufen und traf viele fröhliche Menschen, die auf dem Weg zum Feiern waren. Er durchstreifte die Altstadt und setzte sich im Restaurant zu einer jungen Frau, die auf seine Frage, ob der Platz frei wäre, nur genickt hatte. Vor ihr waren zahlreiche leere Gläser aufgereiht und sie sah aus, als ob sie geweint hatte.
„Wenn