Название | Geschichte meines Lebens |
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Автор произведения | George Sand |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783754183267 |
„Sprich von mir mit unsern Kindern! ich muß mich jetzt um die Fourage kümmern. Nicht einmal einen Augenblick zu haben, um diese halbe Tröstung des Schreibens zu genießen! Ich liebe Dich wie ein Unsinniger; liebe mich auch, wenn ich mein Leben erhalten soll.“
Nach der Affaire an der Passarge wurde mein Vater zum Escadronchef ernannt, und am 4. April l807 machte ihn Murat zu seinem Adjutanten. Deschartres hat mir erzählt, daß es auf die Empfehlung des Kaisers geschah, der meinen Vater bemerkt hatte und zu dem Prinzen sagte: „Das ist ein schöner, tapfrer junger Mann, solche Adjutanten können Sie brauchen.“ Mein Vater zählte so wenig auf diese Gunst, daß er im Begriff war, sie abzulehnen, weil er einsah, daß er durch sie noch mehr gefesselt wurde, und weil sie der unbedingten Rückkehr in seine Familie, die er so innig wünschte, neue Hindernisse entgegenstellte. Meine Mutter war mit dem, was sie seinen Ehrgeiz nannte, sehr unzufrieden, und er mußte sich deswegen rechtfertigen, wie der folgende Brief bezeugt.
Rosenberg, den 10. Mai 1807 im Hauptquartier des Großherzogs von Berg.
„Nachdem ich drei Monate lang wie ein Springinsfeld umher gelaufen bin und dem Prinzen ein hübsches Pröbchen von meiner Anstelligkeit zu den Missionen gegeben habe, komme ich hierher und finde zwei Briefe von Dir, vom 23. März und vom 8. April. Der erste giebt mir den Tod. Es scheint mir, als liebtest Du mich nicht mehr, wenn Du mir ankündigst, daß Du Dich bemühen willst, mich etwas weniger zu lieben. Glücklicherweise breche ich den zweiten auf und sehe nun wohl, daß Du mir nur aus Liebesübermaß so weh thust. O, mein theures Weib, meine Sophie, wie hast Du diese grausamen Worte schreiben, mir dies tödtliche Gift dreihundert Meilen weit senden und mich dem Schmerz aussetzen können, diesen fürchterlichen Brief zu lesen und dann vielleicht vierzehn Tage zu warten, ehe ich einen andern erhielt, der mich trösten und beruhigen konnte. Jetzt muß ich Gott danken, daß ich Deiner Briefe so lange beraubt gewesen bin! O, meine Geliebte, entsage den schrecklichen Gedanken, dem ungerechten Argwohn. Ist es möglich, daß Du an mir zweifelst? Der empfindlichste Vorwurf, den Du mir machen kannst, ist mir zu sagen, daß ich Karolinens Dasein vergesse, und daß Du mit Schrecken an die Zukunft dieses Kindes denkst. Wodurch habe ich Deine beleidigenden Zweifel erweckt? Habe ich einen einzigen Augenblick aufgehört, sie wie mein eignes Kind zu betrachten? Habe ich in meiner Sorgfalt und in meinen Liebkosungen den geringsten Unterschied zwischen ihr und meinen andern Kindern gemacht? und habe ich, seit dem Tage, als ich Dich zum ersten Mal erblickte, nur einen Augenblick aufgehört, Dich anzubeten und Alles zu lieben, was Dein ist: Deine Tochter, Deine Schwester — Alles, was Du liebst? Du überhäufst mich mit Vorwürfen, als ob ich Dich verließe nur um der Freude willen, die Welt zu durchstreifen. Ich schwöre Dir bei meiner Ehre und bei meiner Liebe, daß ich nicht auf Beförderung angetragen habe; daß mich der Großherzog in seine Nähe berufen hat, ohne daß ich seine Absicht im Entferntesten ahnte; daß ich endlich mit tiefer Betrübniß den Tag unserer Wiedervereinigung weiter hinausschieben sah. Soll ich Dir Alles sagen? — ich war schon im Begriff die Beförderung auszuschlagen, weil ich mich muthlos fühlte, die neue Verzögerung meiner Rückkehr zu Dir zu ertragen. Aber, theure Frau, hätte ich wohl meine Pflicht gegen Dich, gegen meine Mutter, die ihren Wohlstand für meine militärische Laufbahn geopfert hat, gegen unsere Kinder, unsere drei Kinder [Diese drei Kinder waren: Karoline, ich und ein Sohn, der 1806 geboren ist und nicht am Leben blieb. Ich erinnere mich seiner gar nicht.] erfüllt, die gar bald der Hülfsmittel und des Ansehens ihres Vaters bedürfen werden, wenn ich das Glück zurückgewiesen hätte, das aus freiem Antriebe kam, mich aufzusuchen.
„Mein Ehrgeiz, sagst Du? ich und Ehrgeiz! wenn ich weniger traurig wäre, würdest Du mich durch dies Wort zum Lachen bringen. Ach! ich habe nur noch ein Verlangen, seit ich Dich kenne; das Verlangen, Dich für die Ungerechtigkeiten der Welt und des Geschicks zu entschädigen, Dir eine ehrenhafte Stellung zu sichern und Dich vor Elend zu bewahren, wenn mich eine Kugel auf dem Schlachtfelde treffen sollte. Bin ich Dir das nicht schuldig, da Du so lange mein Mißgeschick getheilt und meinetwegen einen Palast mit einer Hütte vertauscht hast! Urtheile etwas besser über mich, meine Sophie, beurtheile mich nach Deinem eignen Gefühl. Nein, es giebt keinen Augenblick in meinem Leben, wo ich nicht an Dich dächte, und Nichts kann mich für das bescheidne Stübchen meiner theuern Frau entschädigen; das ist das Heiligthum meines Glücks — und in meinen Augen ist Nichts so viel werth, als ihre hübschen, schwarzen Haare, ihre schönen Augen, ihre weißen Zähne, ihre anmuthige Gestalt, ihr Perkalkleid, ihre hübschen Füße, ihre kleinen Zeugschuhe. Ich bin in das Alles verliebt, wie am ersten Tage, und ich wünsche nichts weiter in der Welt. Aber um dies Glück in voller Sicherheit zu besitzen, um mit unsern Kindern nicht gegen das Elend ringen zu müssen, ist es nöthig in der Gegenwart einige Opfer zu bringen. Du sagst, daß wir in einem Palaste weniger glücklich sein würden, als in unserer kleinen Dachstube; daß nach Abschluß des Friedens der Prinz zum König ernannt werden wird, daß wir dann genöthigt sein werden, in seinen Staaten zu wohnen, daß wir unsere Verborgenheit, unser Zusammenleben und die herrliche Freiheit verlieren werden, die wir in Paris genossen. Es ist in der That wahrscheinlich, daß der Prinz König werden und uns in seine Staaten mitnehmen wird; aber ich leugne, daß wir uns irgendwo nicht glücklich fühlen sollten, wo wir zusammen sein können, und daß irgend etwas eine Liebe stören könnte, welche durch die Ehe geheiligt ist. Wie thöricht bist Du, mein liebes Weib, zu glauben, daß ich Dich weniger lieben würde, wenn ich im Luxus und im Goldglanze lebe! und wie lieblich bist Du zu gleicher Zeit, dies Alles zu verachten. Aber auch ich verachte ja jene Größe und Eitelkeit, und inmitten jener Freuden werde ich von Langeweile bedrückt, das weißt Du wohl! Du weißt, mit welchem Eifer ich mich daraus zurückziehe, um ruhig mit Dir in einem kleinen Winkel zu sein. Und für diesen kleinen Winkel muß ich arbeiten und mich schlagen, muß ich jede Belohnung annehmen und danach trachten, ein Regiment zu bekommen, weil wir uns dann nicht mehr zu trennen brauchen, und dadurch die Mittel zu einer so ruhigen, so einfachen, so traulichen Häuslichkeit bekommen, wie Du Dir wünschest. Und wenn mich nun auch ein wenig Eitelkeit antriebe, Dich zuweilen glücklich und glänzend an meinem Arme zu zeigen, um Dich für die einfältige Nichtachtung gewisser Leute zu rächen — was wäre Böses dabei? Ich gestehe, daß ich stolz sein würde, ganz allein der Schöpfer unsers Glückes gewesen zu sein und nur meinem Muthe, meiner Vaterlandsliebe zu verdanken, was Andere durch Gunst, durch Intrigue oder durch die Chimäre der Geburt erlangen. Ich kenne Leute, die Alles, was sie sind, dem Namen oder der Leichtfertigkeit ihrer Frauen verdanken; mein Weib wird einen andern Werth geltend zu machen haben; ihre treue Liebe und die Verdienste ihres Mannes.
„Die schöne Jahreszeit ist nun wieder gekommen! wie lebst Du, meine Geliebte? Ach, mit wie traurigen und entzückenden Erinnerungen erfüllt mich der Anblick einer schönen Wiese oder eines grünenden Waldes. Welche köstlichen Augenblicke verlebte ich vergangenes Jahr mit Dir an den Ufern des Rheines. Ihr kurzen Augenblicke des Glückes, von wie viel Sehnsuchtsschmerzen seid ihr gefolgt! Bei Marienwerder bin ich allein am Ufer der Weichsel spazieren gegangen, meinem Kummer hingegeben, mit einem Herzen, das von Traurigkeit und Unruhe zerrissen war. In der Natur sah ich Alles wieder aufleben, aber mein Herz war dem Gefühl des Glückes verschlossen. Ich befand mich an einem Orte, der demjenigen in der Nähe von Coblenz gleich war, wo Du Dich so fürchtetest, wo wir uns auf das Gras setzten und wo ich Dich in meine Arme schloß, um Dich zu beruhigen. Ich fühlte mich von der Erinnerung an Dich durchglüht, ich irrte wie ein Wahnsinniger umher, ich suchte Dich, ich rief Dich umsonst. Endlich habe ich mich niedergesetzt, von Schmerz ermüdet und zerschlagen, und statt meiner theuern Sophie habe ich an diesen traurigen Ufern nur Einsamkeit, Unruhe und Eifersucht gefunden. Ja, Eifersucht, ich muß es gestehen! auch ich werde in der Ferne von Gespenstern umlagert; aber ich sage Dir nichts davon, weil ich fürchte, Dich zu erzürnen. Ach! wenn die Anstrengung der Märsche und der Lärm der Schlachten einen Augenblick für mich aufhören, werde ich tausend Qualen zur Beute. Alle Furien der Leidenschaft bestürmen mich; ich empfinde alle Beängstigungen, alle Schwachheiten der Liebe. Oh! gewiß, mein theures Weib, ich liebe