Knallhart aufs Kreuz gelegt: Zwei Kriminalromane. Cedric Balmore

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Название Knallhart aufs Kreuz gelegt: Zwei Kriminalromane
Автор произведения Cedric Balmore
Жанр Языкознание
Серия Extra Spannung
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783742794697



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das hat ihm den Spitznamen Silk eingebracht, und bei Jack O’Reilly sieht man, dass er gern und reichlich zu essen versteht, das hat ihn zum Butch gemacht. Du kannst schon gehen, ich erledige, was zu tun ist“, sagte Cantrell und verabschiedete sich von Grandini.

      Eine Stunde später traf Butch ein. Er hatte am Telefon erfahren, worum es ging. Sicherheitshalber hatte er sich eine Tüte mit gebratenem Hühnchen, Salat und Sandwiches mitgebracht.

      „Hast du Angst, hier oben zu verhungern?“, fragte ihn Cantrell, dessen Kopfschmerz sich zwar gelegt hatte, der aber dafür mit einer deutlich sichtbaren Beule aufwarten konnte.

      „Verhungern?“, knurrte Butch beleidigt. „Davon spricht niemand. Ich sorge lediglich dafür, dass meine Abwehrpotenzen durch einen vernünftigen Ernährungsrhythmus keine Einbußen erleiden.“

      5

      Am nächsten Morgen wurde die Lagebesprechung im Cantrell-Bungalow ohne Butch abgehalten. Er hatte bereits angerufen und mitgeteilt, dass sich in Glorias Wohnung nichts Ungewöhnliches ereignet hatte. Carol, Cantrells attraktive Frau, und Silk, der gelehrtenhaft wirkende, schlanke Bursche, dem nur wenige anmerkten, welche Dynamik und Intelligenz in ihm steckten, versuchte sich ein Bild von dem Geschehen zu machen, aber der Mangel an konkreten Informationen machte die Diskussion zu einer Plauderstunde ohne Wert. Cantrell ging zum Telefon und rief das Police Headquarters an. Kurz darauf hatte er seinen Freund Harry Rollins am Apparat. Der Lieutenant war Leiter des Morddezernates und hatte entsprechend gute Drähte zu allen Abteilungen der Riesenbehörde.

      „Ich suche einen Mann namens Luigi“, sagte Cantrell. „Kann sein, dass der Name falsch ist, aber ich nehme eher an, dass er stimmt, weil er mir spontan genannt wurde, und weil der Bursche nicht wissen konnte, was sich aus unserem Zusammentreffen entwickelt. Schnapp dir doch bitte mal die Synonym-Kartei und versuche herauszufinden, ob ein Typ darin ist, auf den Name und Beschreibung passen.“

      Er gab durch, was sich über den Gesuchten sagen ließ, und bekam nur wenige Minuten später die vom Computer ermittelte Auskunft.

      „Es könnte sich um Luigi Cantoni handeln“, sagte der Lieutenant. „Er hat mal für die Bernardi-Gang gearbeitet, gilt aber seit wenigen Jahren als Einzelgänger. Sieben Vorstrafen, drei davon wegen schweren Raubes. Kalt, routiniert und clever, vor allem skrupellos und grausam. Im Moment liegt allerdings nichts gegen ihn vor.“

      „Hast du seine Adresse?“

      „Nein, aber wenn du dich im Planquadrat 4000 nach ihm erkundigst, müsstest du eigentlich fündig werden, dort kennt man ihn. Luigi hat in der Springfield Street gewohnt, da sind die Slums hinter den Bahnanlagen, dort ist er groß geworden, dorthin zieht es ihn und seinesgleichen immer wieder zurück, das ist seine eigentliche Heimat, auch wenn er sich inzwischen ein besseres Quartier leisten kann.“

      „Danke“, sagte Cantrell und legte auf. Silk hatte das Gespräch über den Zweithörer verfolgt. „Du weißt Bescheid“, sagte Cantrell. „Versuche herauszufinden, wo Cantoni steckt.“

      „Was weißt du eigentlich über deinen guten Freund Rocco?“, fragte Carol, als Silk sich entfernt hatte. „Was weißt du über die hübschen, imponierenden Dinge hinaus, die die Zeitungen zu bringen pflegen?“

      Cantrell grinste. „Du kannst ihn nicht leiden, das ist mir seit langem klar. Weibliche Vorurteile! Wenn du frei und ledig wärst, würdest du ihn hinreißend finden. So, wie die Dinge nun mal liegen, plagt dich unterschwellig die Eifersucht, sie richtet sich gegen die attraktiven, blonden Geschöpfe, mit denen er sein Leben garniert.“

      „Das gefällt dir wohl, was? Ein Playboy-Dasein, davon träumt jeder Mann. Aber du irrst dich. Seine erotischen Aktivitäten lassen mich kalt. Er ist mir aus einem anderen Grund suspekt. Leute seines Schlages wollen nur ihr Ego befriedigen, sie sind Helden der Selbstsucht.“

      „Machst du Witze? Du hättest dabei sein sollen, als Rocco vor drei Wochen diesen Kindergarten einweihte. Eine Tagesstätte für mindestens fünfzig Kleinkinder, er hat sie gemietet und eingerichtet, er bezahlt Angestellte und Essen, das Ganze kostet ihn ein kleines Vermögen. Wie kannst du ihm unter diesen Umständen Selbstsucht vorwerfen? Ich habe dir nur ein Beispiel genannt, es gibt Dutzende davon. Rocco ist wirklich okay.“

      „Diese Aktionen tragen ihm eine Menge positiver Publizität ein. Er liebt es nun mal, sich als Wohltäter feiern zu lassen“, sagte Carol. „Zugegeben, es ist fabelhaft, wenn ein Reicher an die Armen denkt und etwas für sie tut, aber es wäre dumm, dabei seine wahren Beweggründe zu übersehen. Grandini will Everybodys Darling sein, jedermanns Liebling, das lässt er sich eine Kleinigkeit kosten.“

      „Ende des Gesprächs“, seufzte Cantrell, stand auf und ging in sein Büro. Er erledigte die Aktenarbeit, die er sich vorgenommen hatte, dann rief er Rocco an. Die Stimme des Playboys klang munter und geschmeidig, er war offenbar in guter Stimmung. Cantrell erfuhr, dass Gloria sich noch nicht gemeldet hatte. „Kennst du einen Mann namens Cantoni?“, fragte er.

      „Nein, wer soll das sein?“

      „Cantoni schmückt sich mit dem hübschen Vornamen Luigi und ist, wenn wir den Auskünften der Synonym-Kartei glauben dürfen, unser Mann. Marshas Freund. Ich habe Silk losgeschickt, er wird ihn finden.“

      „Es wäre mir lieber, er würde Gloria finden.“

      „Cantoni ist nur eine Station auf dem Wege zu ihr“, glaubte Cantrell zu wissen.

      „Viel Glück bei eurem Unternehmen“, sagte Rocco, ehe er einhängte. „Ich sitze mit Dany beim Frühstück und möchte nicht, dass mein Kaffee erkaltet. Bis später, alter Junge.“

      Cantrell lehnte sich zurück. Es sah ganz so aus, als habe Dany es geschafft, den Freund über Glorias Verlust hinwegzutrösten, aber vielleicht war es nicht fair, so streng zu urteilen. Es gab noch keine Beweise dafür, dass Gloria das Opfer eines Verbrechens geworden war. Niemand konnte also von dem ledigen, lebensfrohen Rocco Grandini erwarten, dass er sich wegen Glorias Verschwinden Asche auf sein Haupt streute.

      Cantrell verließ den Bungalow, er fuhr in die Allersby Road. Butch öffnete ihm Glorias Wohnungstür. „Es ist schon zehn!“, beklagte er sich. „Ich habe noch nicht gefrühstückt. Mein Magen knurrt, als hätte er einen Resonanzboden.“

      Cantrell feixte. „Nach meinen Erfahrungen hat er überhaupt keinen Boden“, sagte er und ging mit Butch ins Wohnzimmer. „Im übrigen tut es ihm ganz gut, mal vom Verdauen auf akustische Leistungen geschaltet zu werden. Nichts Neues zu melden?“

      „Ich habe mich in der Wohnung umgesehen. Da stimmt was nicht, fürchte ich.“

      „Du willst damit sagen, dass schon jemand vor dir das große Filzen betrieben hat?“

      „Weißt du“, sagte Butch, „eine Wohnung ist kein Aktenschrank, und selbst penible, pedantische Leute pflegen ihre Schubladen nicht so aufzuräumen, als seien dabei Zirkel und Lineal im Spiel gewesen. Diese Wohnung macht mir nicht den Eindruck, als würde sie benutzt. Zugegeben, die Schränke sind voll, da ist alles da, von der Wäsche bis zum Briefpapier, aber es wirkt seltsam steril, es fehlen die Kleinigkeiten, die dazu gehören. Ein paar Briefe von Freunden, eine Ansichtskarte der Freundin, ein paar Briefmarken in einer Dose, die Haarnadeln in einer Badezimmerschale. Ich nenne nur Beispiele, klar, aber du weißt, was ich damit sagen will. Mir kommt es fast so vor, als sei diese Gloria gar nicht existent, als wäre sie eine Erfindung...

      „Wessen Erfindung?“, fragte Cantrell gereizt.

      „Was ist los, Meister? Darf man denn nichts gegen den großen Rocco sagen? Er ist dein Freund, okay, aber das schließt keineswegs aus, dass er ein Schlitzohr ist. Oder einfach nur ein Spaßvogel. Vielleicht will er dich aufs Kreuz legen, möglicherweise macht es ihm Vergnügen, deine kriminalistischen Talente zu prüfen und durch den Kakao zu ziehen. Reiche Leute wie er kommen zuweilen auf die seltsamsten Ideen. Sie machen sich gern über andere lustig.“

      „Geh lieber frühstücken“, knurrte Cantrell. „Ein leerer Magen beeinträchtigt offenbar dein Denkvermögen.“