Название | Tag 1 - Als Gott entstand |
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Автор произведения | Stefan Koenig |
Жанр | Философия |
Серия | |
Издательство | Философия |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783742724809 |
Im Wasser, soweit die Sonne hineinscheint, tummeln sich zwischen braunen und grünen Algen allerlei Fische, schaukeln durchsichtige Medusen; am Grund kriechen langsam die Seesterne. Auf den Felsen im Wasser stehen wunderliche Tiere, festgewachsen wie Pflanzen. Sie brauchen ihre Nahrung nicht zu suchen. Sie kommt ihnen von selbst in den Mund. Rote Aszidien, die wie doppelhalsige Flaschen aussehen, saugen ihre Nahrung mit dem Wasser ein. Bunte Aktinien fangen vorüberschwimmende Fischchen mit ihren Armen, die Blumenblättern gleichen.
Ganz anders wird die Welt in den niedrigeren, dunklen Stockwerken des Meeres, wo die Nacht nie vom Tag abgelöst wird. Hier schwimmen breitmäulige Fische in der totalen Finsternis; manche tragen feurige Punkte auf ihren Körpern, wie kleine Dampfer mit grell erleuchteten Fenstern. Wie wenig Ähnlichkeit hat diese seltsame Welt mit der Welt, in der wir leben.
Aber auch im seichten Wasser am Strand herrscht keine Ähnlichkeit mit dem Land, obwohl beide nur durch eine schmale Linie, die Linie des Ufers, getrennt sind.
Kann der Bewohner einer solchen Welt sich in einer anderen Umgebung ansiedeln? Kann der Fisch aus der See herauskommen und Festlandbewohner werden?
Das scheint unmöglich. Der Fisch ist doch dem Leben im Wasser angepasst. Um auf dem trockenen Land zu leben, brauchte er eine Lunge und keine Kiemen, Füße und keine Flossen. Die See könnte der Fisch mit dem Festland nur vertauschen, wenn er aufhörte, ein Fisch zu sein. Kann der Fisch aufhören, ein Fisch zu sein?
Fragt die Naturwissenschaftler, sie werden euch sagen, dass tatsächlich in sehr frühen Zeiten Fische ans Ufer kletterten und aufhörten, Fische zu sein. Dieser Übergang vom Wasser zum Land dauerte aber nicht ein oder zwei oder zehn Jahre, sondern Millionen von Jahren.
Das geschah in wasserarmen, austrocknenden Meeren und Seen. Fische, die sich dem Leben in solchen Gewässern nicht anpassen konnten, gingen zugrunde. Nur solche konnten weiterleben, die längere Zeit ohne Wasser auszukommen vermochten. Zur Zeit der Dürre, wenn das Wasser versiegte, krochen sie im Schlamm zu einer nahen Pfütze und gebrauchten dabei ihre Flossen wie Beine. Das Leben begünstigte jede kleine Veränderung des Körpers, die auf dem Land von Nutzen sein konnte. Aus der Schwimmblase entwickelte sich allmählich die Lunge. Aus den paarigen Flossen wurden Beine.
In manchen australischen Flüssen, die regelmäßig austrocknen, gibt es noch heute einen Fisch, dessen Schwimmblase einer Lunge sehr ähnlich ist. Wenn sich der Fluss zur Zeit der Dürre in eine Kette von schlammigen Pfützen verwandelt, gehen alle übrigen Fische zugrunde und verpesten das Wasser mit ihren faulenden Leichen. Aber unserem Fisch macht die Trockenheit nichts aus. Er braucht nur den Kopf aus dem Wasser zu strecken, um frische Luft zu atmen, denn er besitzt außer den Kiemen noch Lungen.
Auch in Afrika und Südamerika gibt es Fische, die fast ohne Wasser existieren können; sie liegen, mit der Lunge atmend, im Schlamm vergraben, bis der Regen kommt.
Es konnte also geschehen, dass sich bei den Fischen Lungen entwickelten.
Nun die Füße! Auch dafür gibt es ein lebendes Beispiel. In tropischen Ländern gibt es einen „Kletterfisch“, der nicht nur ans Ufer springt, sondern sogar auf Bäume krabbelt. Als Füße dienen ihm seine weiterentwickelten Flossen. Diese sonderbaren Wesen sind lebende Beweise dafür, dass die Fische die Möglichkeit haben, aus dem Wasser ans Land zu steigen. Aber woher wissen wir, dass sie es tatsächlich getan haben?
Das zeigen uns die Knochen der ausgestorbenen Tiere. In alten Sedimentgesteinen hat man die Knochen eines Tieres gefunden, das in vielem an einen Fisch erinnert – es war aber schon kein Fisch mehr, sondern ein Amphibium, ähnlich einem Frosch oder Molch. Und diese Tiere – Stegozephalen – hatten keine Flossen, sondern richtige Beine. Mit diesen Beinen konnten sie sich, wenn auch langsam, auf dem Land bewegen.
Und sehr anschaulich sieht man es bei unserem gewöhnlichen Frosch. In seiner Jugend, als Kaulquappe, unterscheidet er sich doch wenig von einem Fisch. Das alles führt uns zu einer Schlussfolgerung: Manche Fische haben vor sehr langen Zeiten die Grenze überschritten, die die See vom Land trennte. Aber sie mussten sich dabei verändern.
Von den Fischen stammen die Amphibien ab. Aus den Amphibien entwickelten sich die Echsen, und von den Echsen stammen Säugetiere und Vögel ab – auch jene, die nichts mehr mit der See verbindet.
Die unsichtbaren Wände, die das Meer vom Land, den Wald von der Steppe trennen, sind keine ewigen Wände. Die Seen trocknen aus oder überfluten das Land. Die Steppen werden zu Wüsten. Die Bewohner der Seen kommen ans Ufer. Die Bewohner der Wälder verwandeln sich in Bewohner der Steppe.
Da ist zum Beispiel das Pferd. Man wird kaum glauben, dass es von einem kleinen, im Waldesdickicht lebenden Tier abstammt, das sehr geschickt über gestürzte Stämme kletterte. Dieses Tierchen hatte nicht Hufe wie ein Pferd, sondern fünfzehige Pfoten mit Krallen. Diese Pfoten und Krallen waren zum Lauf über die Unebenheiten des Waldbodens sehr geeignet.
Die Wälder wurden immer lichter und machten der Steppe Platz. Immer häufiger waren die Waldvorfahren des Pferdes gezwungen, auf offene Lichtungen hinauszutreten. Im Falle einer Gefahr konnten sie sich nicht mehr verstecken, sie mussten sich durch Flucht retten. Aus dem Versteckspiel im Wald wurde ein Fangenspiel im freien Gelände. Für viele Waldtiere nahm dieses Spiel ein trauriges Ende. Nur sehr schnellfüßige und langbeinige vermochten den Raubtieren zu entkommen.
Das Leben nahm auch hier eine Auslese vor: Erhalten blieb, was die Schnelligkeit erhöhte; alles, was behinderte, wurde entfernt. Diese Prüfung, der die Pferdevorfahren unterzogen wurden, ergab, dass viele Zehen unnötig waren. Es genügte eine einzige, dafür aber feste und harte Zehe. Und so tauchten zuerst dreizehige und dann einzehige Pferde auf. Unser heutiges Pferd hat nur einen harten Huf.
Aber nicht nur die Füße, auch das übrige Aussehen veränderte sich in der Steppe. Sehen wir uns den Hals an. Wäre der Hals kurz geblieben, während die Beine länger wurden, dann hätte das Pferd schließlich nicht mehr das Gras zu seinen Hufen erreichen können. Dazu kam es aber nicht, weil kurzhalsige und kurzbeinige Pferde bei der Prüfung durch das Leben ausgeschaltet wurden.
Auch die Zähne haben sich verändert. Die Steppe zwang die Pferde, sich an ein hartes, raues und grobes Futter zu gewöhnen, das erst mit den Zähnen zermahlen werden musste. Dafür wurden nun die geeignetsten Zähne ausgesucht. Die Zähne der jetzigen Pferde sind wie Mühlsteine oder Reibeisen, die nicht nur raues Gras, sondern sogar Stroh ganz fein zermahlen.
Diese gewaltige, riesige Arbeit der Selektion, der Auswahl, nahm nicht wenig Zeit in Anspruch – volle 50 Millionen Jahre. Und wieviel lebendes Material hat dieser Prozess erfordert!
Es ist sehr schwierig für ein Tier, seine bisherige Umwelt zu verlassen, die Ketten der Natur, die es fesseln, zu zerreißen. Aber selbst wenn es diese Ketten sprengt, wird es nicht frei. Aus einem unsichtbaren Käfig gerät es in einen anderen. Als das Pferd vom Wald in die Steppe hinaustrat, hörte es auf, ein Waldtier zu sein und wurde ein Steppentier. Als die Fische ans Land stiegen, schnitten sie sich den Rückweg ins Wasser ab.
Um in die See zurückzukehren, mussten sie sich abermals verändern. Jene Festlandtiere, die wieder ins Meer zurückgingen, mussten ihre Beine wieder in Flossen verwandeln, wie zum Beispiel der Wal, den manche „Walfisch“ nennen, obwohl er mit einem Fisch nur das Aussehen und die Lebensweise gemeinsam hat.
Auf der Erde gibt es ungefähr eine Million verschiedener Tierarten. Jede Art lebt in ihrer eigenen Umwelt, der sie sich angepasst hat. Dort, wo für manche Arten die Tafel aufgestellt ist: „Eintritt verboten“, heißt es für andere: „Herzlich willkommen!“
Woher aber kommt nun der Mensch? Gehörte er in alten Vorzeiten zu den Steppen-, Wald- oder Bergtieren? Kann man einen Menschen, der im Wald lebt, einen Waldmenschen nennen, einen Menschen, der am Moor lebt, einen Moormenschen? Natürlich nicht.