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Unter Data-Mining wird die systematische Anwendung statistisch-mathematischer Methoden auf einen meist sehr großen Datenbestand verstanden. Der Fokus beim Data-Mining liegt im automatisierten Erkennen neuer Muster, wohingegen bei der klassischen Datenanalyse der Schwerpunkt in der Identifizierung bereits bekannte Muster liegt. Typische Aufgabenstellungen des Data-Mining sind die Identifizierung von ungewöhnlichen Datensätzen (Ausreißer, Fehler, etc.), die Clusteranalyse (Gruppierung von Objekten aufgrund von Ähnlichkeiten) oder die Assoziationsanalyse unter der die Identifizierung von Zusammenhängen und Abhängigkeiten subsumiert wird.
e) Hürden und Grenzen der IT-gestützten Informationsauswertung
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Wie bereits in den obigen Anwendungsbeispielen zur Benford-Analyse erläutert, liefern die Ergebnisse der Massendatenanalyse zunächst nur Hinweise und Indizien, nicht jedoch bereits einen Nachweis für eine dolose Handlung. Um diesen zu erbringen bedarf es weiterer Prüfungshandlungen. Praktisch ergeben sich beim Einsatz von Massendatenanalysen oftmals zusätzliche Schwierigkeiten, die spezifisches IT-Know-How erfordern können.
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Hierzu zählen u.a.:
– | Schnittstellenmanagement zu Alt-Systemen; |
– | mangelnde Verfügbarkeit von Software oder Hardware für das Auslesen von Daten; |
– | Anwenderwissen für aussortierte Software steht nicht mehr zur Verfügung; |
– | wesentliche Informationen sind nur in Papierform oder handschriftlicher Form vorhanden; |
– | Konvertierung von Daten in für die Analysen verwertbare Formate.[22] |
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Der Erfolg des Einsatzes von Massendatenanalysen hängt insbesondere auch von der Qualität der zu Grunde liegenden Datenbasis ab. Wird bspw. die Finanzbuchhaltung hinsichtlich des Merkmals „Buchungstext“ per einfacher Schlagwortsuche analysiert und wurde der Buchungstext nur lückenhaft oder gar nicht gepflegt, führt eine entsprechende Analyse nicht zu verwertbaren Ergebnissen.
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Letztendich bestimmt sich die Relevanz des Einsatzes von Massendatenanalyse-Tools aus der konkreten Aufgabenstellung im Rahmen der internen Ermittlungen. Bei einem großen Volumen an zu verarbeitenden Informationen ist eine wirtschaftliche und zeitnahe Fallbearbeitung ohne Einsatz technischer Hilfsmittel kaum mehr denkbar. So würde selbst der ambitionierteste Ermittler bei einer manuellen Schlagwortsuche im Buchungsstoff bei mehreren Millionen Datensätzen schnell an seine Grenzen stoßen.
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Festzuhalten bleibt jedoch dass die Sachverhaltsaufklärung nicht bereits mit der Durchführung von Datenanalysen abgeschlossen ist. Gerade bei Sachverhaltsaufklärungen, bei denen es auf die wirtschaftliche und juristische Subsumtion ankommt, spielen Datenanalysen tendenziell eher in frühen Projektphasen eine gewichtige Rolle und dienen insbesondere auch der Identifikation und der Verdichtung relevanter Informationen. Bei der Beurteilung, der Einstufung oder der Verknüpfung einer Reihe von Informationen im Rahmen der Conclusio kann eine Software den sachverständigen Ermittler zwar unterstützen, nicht jedoch ersetzen.
3. Durchführung alternativer Prüfungshandlungen
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Alternative Prüfungshandlungen sind Analysehandlungen und Plausibilitätsüberlegungen, mit Hilfe derer das Untersuchungsobjekt aus einer von der ursprünglichen Prüfungshandlung abweichenden Perspektive untersucht wird. Das primäre Ziel alternativer Prüfungshandlungen ist die Gewährleistung der Vollständigkeit und Richtigkeit der Arbeitsergebnisse, welche einen wichtigen Beitrag zur nochmaligen Validation und Überprüfung der primären Ermittlungsergebnisse leisten können.
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Im Zusammenhang mit der Durchführung von alternativen Prüfungshandlungen werden Arbeitshypothesen und Annahmen formuliert, deren Überprüfung zum annähernd gleichen Ergebnis wie die der primären Prüfungshandlungen führen soll.
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Beispiel:
Das Prüfungsziel besteht in der Ermittlung potentieller „Schmiergeldzahlungen“ an Dritte. Die Analyse der Zahlungsströme eines Unternehmens an einen Lieferanten führte bisher zu einem Zahlungsvolumen von 5 Mio. EUR ausgehend von der Untersuchung der Bankkonten. Als alternative Prüfungshandlungen werden zusätzlich Kreditorenbuchungen bilanzieller Personenkonten analysiert und mit den bereits identifizierten Zahlungen abgestimmt, um mögliche Verschleierungstransaktionen auf anderen Kreditorenkonten zu prüfen. Weiterhin wird mittels Gegenkontenanalyse einschlägiger Aufwandskonten und Lieferantenrechnungen die Vollständigkeit ausgehend von der Gewinn- und Verlustrechnung sichergestellt. Möglich wäre ebenfalls entsprechende Projektkalkulationen auf versteckte oder unplausible Aufwandsposten sowie Forderungen nach Erlösschmälerungen (bspw. Wertberichtigungen) hin zu untersuchen.
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Zu den alternativen Prüfungshandlungen können auch Interviews zählen, welche die Datensammlung und –auswertung qualitativ abrunden und potentielle Beweise zusätzlich validieren.
Anmerkungen
Töller/Herde WPg 2012, 600.
Mit ERP (Enterprise-Resource-Planning: Software zur Planung von Unternehmenskapazitäten) wird vereinfachend die betriebswirtschaftliche Anwendungssoftware im Unternehmen abgekürzt, die sich üblicherweise aus zahlreichen unterschiedlichen Geschäftsanwendungsmodulen zusammensetzt.
Betriebswirtschaftliche Software der SAP AG, Walldorf.
Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik S. 236.
Geschonneck S. 87 ff.
Geschonneck S. 62 ff.
Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik S. 91.
BMF-Schreiben v. 14.11.2014.
BMF-Schreiben zur GDPdU v. 16.7.2001.
Interactive Data Extraction and Analysis, in Deutschland vertrieben