Название | Steuerstrafrecht |
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Автор произведения | Johannes Franciscus Corsten |
Жанр | Языкознание |
Серия | Heidelberger Kommentar |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783811406506 |
b) Tathandlung des § 370 Abs. 1 Nr. 2 – Unterlassen
101
Nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 macht sich strafbar, wer die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.
aa) Steuerhinterziehung als gesetzlich geregeltes echtes Unterlassungsdelikt
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Mit dem pflichtwidrigen In-Unkenntnis-Lassen des § 370 Abs. 1 Nr. 2 wird ein Unterlassen unter Strafe gestellt. Bei dem Tatbestand handelt es sich um ein besonders gesetzlich geregeltes echtes Unterlassungsdelikt.[283]
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Das Unterlassen i.S.d. § 370 Abs. 1 Nr. 2 muss pflichtwidrig sein. Die Vorschrift wird daher – anders als § 370 Abs. 1 Nr. 1 – als Sonderdelikt eingeordnet.[284] Der Täter selbst muss zur Aufklärung steuerlich erheblicher Tatsachen besonders verpflichtet sein. Eine Zurechnung fremder Pflichten kommt auch dann nicht in Betracht, wenn sonst nach allgemeinen Grundsätzen Mittäterschaft vorliegen würde.[285] Nach geänderter Rspr. des 1. Senats[286] handelt es sich bei der Pflichtwidrigkeit, um ein strafbarkeitsbegründendes besonderes persönliches Merkmal i.S.d. § 28 StGB,[287] mit der Folge, dass die Strafe – abgesehen von der Milderung für den Teilnehmer nach §§ 27, 49 Abs. 1 StGB – nochmals nach § 49 Abs. 1 StGB gemildert wird, sofern nicht allein wegen des Fehlens der Erklärungspflicht Beihilfe und nicht Täterschaft angenommen wird.[288] Der BGH begründet dies zutreffend damit, dass den Verpflichteten – ungeachtet dessen, dass die steuerrechtlichen Erklärungsvorschriften potentiell viele treffen können – im konkreten Fall jedenfalls eine Sonderpflicht trifft, die höchstpersönlicher Art ist. Denn das tatbestandliche Unrecht der verwirklichten Tat ergibt sich im Vergleich zu anderen Straftatbeteiligten aus der im Rahmen von § 370 Abs. 1 Nr. 2 erforderlichen Erklärungspflicht, die die besondere soziale Rolle des Täters in Bezug auf die von der Vorschrift geschützten Rechtsgüter kennzeichnet.
bb) Steuerliche Erklärungspflicht
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Pflichtwidrig unterlassen i.S.d. § 370 Abs. 1 Nr. 2 kann nur, wer zur Aufklärung besonders verpflichtet ist. Die steuerlichen Erklärungspflichten ergeben sich aus den Steuergesetzen,[289] also aus der AO und den Einzelsteuergesetzen.
(1) Erklärungspflichtiger
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Adressat steuerlicher Pflichten sind Steuerpflichtige i.S.d. § 33 Abs. 1. An diese richten sich auch die in den Steuergesetzen geregelten Erklärungspflichten. Nach § 33 AO ist steuerpfl. grundsätzlich derjenige, der
– | eine Steuer schuldet, d.h. derjenige, der verpflichtet ist, die Steuer für eigene Rechnung selbst zu entrichten, oder für dessen Rechnung ein anderer die Steuer zu entrichten hat, § 43 AO (z.B. ist nach § 38 Abs. 2 EStG der Arbeitnehmer Schuldner der Lohnsteuer, bzgl. der pauschalen Lohnsteuer nach §§ 40 bis 40b EStG der Arbeitgeber, § 40 Abs. 3 S. 2 Hs. 1 EStG); |
– | für eine Steuer haftet (insb. nach §§ 34, 35 AO: gesetzliche Vertreter, Vermögensverwalter, Verfügungsberechtigte);[290] |
– | eine Steuer für Rechnung eines anderen einzubehalten und abzuführen hat (etwa nach §§ 38 ff. EStG: Einbehaltung und Abführung von Lohnsteuer durch den Arbeitgeber, §§ 43 ff. EStG: Steuerabzug bei Kapitalerträgen, § 48 ff. EStG: Steuerabzug bei Bauleistungen); |
– | eine Steuererklärung abzugeben hat (z.B. gem. § 25 Abs. 3 EStG i.V.m. § 56 EStDV; § 14a GewStG i.V.m. § 25 GewStDV; § 18 Abs. 1 UStG; § 31 ErbStG); |
– | Sicherheit zu leisten hat (z.B. im Rahmen der Stundung gem. § 222 und des Zahlungsaufschubs gem. § 223); |
– | Bücher und Aufzeichnungen zu führen hat (z.B. gem. §§ 141 ff.); |
– | andere ihm durch die Steuergesetze auferlegte Verpflichtungen zu erfüllen hat. |
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Die Vorschrift des § 149 Abs. 1 S. 2, wonach zur Abgabe einer Steuererklärung jeder verpflichtet ist, der dazu von der Finanzbehörde aufgefordert ist, spielt strafrechtlich keine Rolle, da eine Steuerhinterziehung letztlich nur derjenige begehen kann, der tatsächlich – nach gesetzlichen Vorschriften – erklärungspflichtig ist.[291]
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Zur steuerlichen Verantwortung von faktischen und eingetragenen Organen sowie Strohmännern und Hintermännern, s. Rn. 32 ff.
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