Название | PLATON - Gesammelte Werke |
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Автор произведения | Platon |
Жанр | Философия |
Серия | |
Издательство | Философия |
Год выпуска | 0 |
isbn | 4066338120939 |
Der jüngere Sokrates: Wie meinst du das?
Fremder: Ich will versuchen uns beiden was ich denke jetzt noch deutlicher zu machen.
Der jüngere Sokrates: Das tue nur.
Fremder: Nicht wahr, unter vielen hütenden Künsten die sich uns eben gezeigt hatten war Eine die Staatskunst, die Sorgfalt für Eine gewisse Herde?
Der jüngere Sokrates: Ja.
Fremder: Und unsere Erklärung bestimmte, sie wäre nicht die Zucht der Pferde noch anderer Tiere, sondern die Wissenschaft der Gemeindezucht der Menschen?
Der jüngere Sokrates: So war es.
Fremder: Laß uns nun den Unterschied zwischen allen übrigen Hütern und den Königen betrachten.
Der jüngere Sokrates: Was für einen?
Fremder: Ob nicht mancher Andere von einer anderen Kunst benannte mit jenem zugleich an der Aufziehung der Herde Anteil zu haben behauptet und sich anmaßt.
Der jüngere Sokrates: Wie meinst du das?
Fremder: Wie die Kaufleute, Ackerbauer, alle Speisebereiter, und nach diesen die Vorsteher der Leibesübungen und das ganze Geschlecht der Ärzte, diese weißt du wohl würden sämtlich mit jenen Hütern der menschlichen Dinge welche wir Staatsmänner genannt haben über diese Erklärung sich streiten, weil sie auch für die Erhaltung der Menschen sorgen, (268) und zwar nicht nur der zur Herde gehörigen Menschen, sondern auch der Herrscher selbst.
Der jüngere Sokrates: Und täten sie daran nicht Recht?
Fremder: Vielleicht, und das wollen wir eben sehen. Das aber wissen wir doch, daß mit dem Ochsenhirten sich über dergleichen Niemand in einen Streit einläßt; sondern er selbst der Hirte ist auch der Ernährer der Herde, er ist ihr Arzt, er ist gewissermaßen ihr Freiwerber, und der gesamten Hebammenkunst bei der Schwangerschaft und der Geburt der Jungen ist er allein kundig. Ja auch was Spiel und Tonkunst betrifft, soweit sein Vieh deren von Natur empfänglich ist, versteht niemand besser als er es aufzumuntern und anlockend zu besänftigen, indem er auf Instrumenten sowohl als mit dem bloßen Munde die seiner Herde angemessene Tonkunst ausübt. Und mit den übrigen Hütern ist es dasselbe. Nicht wahr?
Der jüngere Sokrates: Ganz richtig.
Fremder: Wie kann also unsere Erklärung des Königes sich richtig und untadelhaft erweisen, wenn wir ihn den Hüter und Auferzieher der menschlichen Herde nennen, ihn allein heraushebend aus zehntausend anderen die sich mit ihm darum streiten?
Der jüngere Sokrates: Auf keine Weise.
Fremder: Also war unsere Besorgnis vorher gegründet, als wir argwöhnten, wir möchten zwar wohl einige Züge des Herrschers angeben, keinesweges aber könnten wir den Staatsmann genau dargestellt haben, bis wir alle welche sich um ihn herdrängen und auf das Mithüten Anspruch machen weggeräumt, und ihn abgesondert von jenen ganz rein für sich allein hinstellen.
Der jüngere Sokrates: Vollkommen gegründet freilich.
Fremder: Dies also, o Sokrates, müssen wir bewerkstelligen, wenn wir nicht unsere Erklärung zuletzt wollen zu Schanden machen.
Der jüngere Sokrates: Das darf ja auf keine Weise geschehen.
Fremder: Also müssen wir wiederum von einem andern Anfang aus einen andern Weg gehen?
Der jüngere Sokrates: Was doch für einen?
Fremder: Wo wir auch wohl Scherz einmischen. Denn wir müssen einen ziemlichen Teil einer großen Geschichte zu Hülfe nehmen, und hernach eben wie vorher, indem wir einen Teil nach dem andern wegnehmen, zu dem eigentlich gesuchten selbst gelangen. Sollen wir das?
Der jüngere Sokrates: Allerdings.
Fremder: Aber auf die Geschichte sei mir ja recht aufmerksam wie die Kinder. Du bist ja doch erst seit wenigen Jahren über die Kindheit hinaus.
Der jüngere Sokrates: Sage nur.
Fremder: Solche alten Erzählungen also gab es und wird auch noch geben gar viele andere, und so auch die Erscheinung bei dem Streit welcher vorgefallen sein soll zwischen Atreus und Thyestes. Denn du hast doch gehört und erinnerst dich, was sich damals soll ereignet haben?
Der jüngere Sokrates: Das Zeichen von dem goldenen Lamme meinst du vielleicht.
Fremder: Nein das nicht, sondern das von der Änderung (269) im Auf- und Untergang der Sonne und der andern Gestirne, daß sie nämlich von wo sie jetzt aufgehen, dorthin damals untergingen, und aufgingen auf der entgegengesetzten Seite. Damals aber gab Gott dem Atreus ein Zeugnis, und wendete sie um in die gegenwärtige Ordnung.
Der jüngere Sokrates: Erzählt wird freilich auch das.
Fremder: Und auch von der Herrschaft welche Kronos führte haben wir von Vielen gehört.
Der jüngere Sokrates: Von gar Vielen.
Fremder: Und wie, daß vorher die Menschen als Erdgeborne entstanden und nicht erzeugt wurden einer von dem andern?
Der jüngere Sokrates: Auch das ist eine von den alten Sagen.
Fremder: Dies nun rührt insgesamt von demselben Umstände her, und außerdem tausenderlei anderes noch wunderbareres, wovon aber die Länge der Zeit sich einiges ganz verlöscht hat und das übrige zerstreut erzählt wird, jedes einzelne abgerissen von dem übrigen. Den Umstand aber, der an alle diesem Ursach ist, hat noch niemand erzählt. Jetzt aber muß er berichtet werden, denn zur Darstellung des Königes wird er sich uns wohl schicken, wenn er erzählt ist.
Der jüngere Sokrates: Wohl gesprochen! erzähle also ohne etwas zu übergehen.
Fremder: Höre denn. Dieses Ganze hilft auf seiner Bahn bisweilen Gott selbst mitführen und wälzen, bisweilen läßt er es wieder los, wenn seine Umläufe das ihm gebührende Zeitmaß schon erlangt haben. Dann aber wendet es sich von selbst wieder um nach der entgegengesetzten Seite, als ein lebendiges dem auch Vernunft zugeteilt ist von dem welcher es ursprünglich zusammenfügte. Dieses Rückwärtsgehen aber ist ihm notwendig aus folgender Ursache natürlich.
Der jüngere Sokrates: Aus welcher denn?
Fremder: Sich immer einerlei und auf gleiche Weise zu verhalten und dasselbe zu sein, das kommt nur dem göttlichsten unter allem allein zu, körperliche Natur aber steht nicht in dieser Reihe. Was wir nun Himmel und Welt genannt haben, hat freilich vieles und herrliches von seinem Erzeuger empfangen; indes ist es auch Körpers teilhaftig geworden, daher ihm denn aller Veränderung schlechthin unerfahren zu sein unmöglich ist. Nach Vermögen jedoch wird es immer eben da auf gleiche Weise nach Einer Richtung bewegt. Daher ist es der Umwälzung teilhaftig als der kleinstmöglichen Abweichung von der Selbstbewegung. Sich selbst aber immer zu drehen ist keinem wohl leicht möglich als dem alles Bewegte Anführenden. Diesem ist aber nicht statthaft jetzt so, dann wieder entgegengesetzt zu bewegen. Nach diesem allen also darf man von der Welt weder behaupten, daß sie immer sich selbst drehe, noch daß sie immer ganz von Gott gedreht werde, sintemal es nach zweierlei und entgegengesetzten Richtungen geschieht, noch auch, daß etwa irgend zwei (270) Götter von einander entgegengesetzter Gesinnung sie drehen; sondern was eben gesagt ist und allein übrig bleibt, daß sie jetzt von einer andern göttlichen Ursache mitgeführt wird,