Ace in Space. Christian Vogt

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Название Ace in Space
Автор произведения Christian Vogt
Жанр Языкознание
Серия Ace in Space
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783958694828



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zu verhindern, war in fast allen Computersystemen der Menschheit fest eingenistet. Dieser Chopper wandelte auf einem schmalen Grat: seine Abwehrsysteme waren schlau genug, aber nicht so schlau, dass sie vom Virus lahmgelegt wurden.

      Auch alle anderen Attribute, die Kian von hier aus erkennen konnte, passten zu diesem großkotzigen Arschloch Nerva Riz von der VantaVortex-Gang. Riz streamte nie, aber sein Wingpal Cloudburst sendete sogar Vids, wenn er sich splitternackt in einer shady Asteroidensauna herumtrieb.

      Kian suchte mit fliegenden Fingern Cloudbursts Flygram-Account und ignorierte die Stiefel, die auf dem Weg in die Bar kleine Splitter des Schriftzugs hinterließen.

      Offline! Der Hund war schon seit einundfünfzig Stunden offline, wie konnte das sein, er war niemals offline!

      Kian klickte durch die letzten Vids. Tatsächlich war der Zwischenfall in der Asteroidensauna das jüngste – es brach mittendrin ab und seitdem war Cloudburst off. Das Vid wies Tausende Kommentare auf, ganze Geschichten entspannen sich darunter, die Gerüchteküche im Netz kochte hoch. Das Letzte, was bekannt war: alte Bekannte hatten Cloudburst aufgelauert, und das Ganze war hässlich geworden.

      Irgendetwas musste da drin passiert sein, was Cloudburst unter Druck setzte. Keine Gang mit einem Funken Anstand zerstörte eine Transitstation an einem Wurmloch, das war eine boots Arschlochaktion!

      Aber die Sache mit der Asteroidensauna war groß in den Medien gewesen, am Schluss war da eine Menge explodiert, und Vloggerix Gingko hatte ein Vid gepostet, in dem xier dargelegt hatte, dass es wahrscheinlich war, dass die ganze Provokation auf Mittelsmänner der Gater zurückging. Kian hatte nicht länger drüber nachgedacht, denn wenn es nach Gingko ging, war alles, was im Gürtel so geschah, eine Intrige der Gater.

      Aber Tatsache war: Irgendwer hatte Cloudbursts und Riz’ Staffel in der Hand, hatte einen Gefallen eingefordert, unmoralisch viel bezahlt oder sie schlichtweg gezwungen. Nun führten sie den Willen dieser dritten Partei aus – offline und im Dunkeln, damit sie keine Follower verloren.

      Es war alles völlig logisch.

      Kians Finger zuckten zur Tastatur.

       Und jetzt?

      Ihm blieben nur Sekundenbruchteile für das kurze moralische Dilemma: Er wollte die VantaVortex-Staffel nicht von den Intentionals geschreddert sehen. Aber umgekehrt konnte er auch nicht mitansehen, wie die Vantas die Station in die Luft jagten.

      Er markierte Riz’ und Cloudbursts Chopper in einem Screenshot.

      Das sind Riz und Cloudburst von VantaVortex, schrieb er in die Kommentare unter Firebirds Livestream. Er packte den Screenshot dazu. Möglich, dass sie gezwungen werden.

      »Marauder!«, hörte er hinter sich.

      »Ja, ja!«

      »Wenn ich sage alle, dann meine ich alle!«

      Kian fuhr herum. Der Gedanke an das Schicksal der Intentionals machte es ihm schwer, aber Marlenes Stimme hatte Befehlsgewalt. Und ziemlich viel hing davon ab, welche Meinung sie von ihm hatte.

      »Was macht das Vid, Marauder?«, bellte sie von der Theke, wo sie passend dazu den Cyborgköter – fünfundvierzig Prozent Fell, fünfundvierzig Prozent Chrom und zehn Prozent Sabber – kraulte. Bulldoxx, der Hauptsponsor der Daredevils, hatte ihr das Viech zukommen lassen. Kian schnappte sich das Tablet mit beiden Händen, faltete es zusammen und brach schließlich die Oberflächenspannung, sodass es sich wie ein Armband um sein Handgelenk legte.

      CybeVee-Tab X07, heißer Scheiß.

      Er bückte sich rasch nach seiner Jacke. Er wusste, dass Marlene wusste, dass das Vid gar nichts machte – nicht, wenn der, der es zusammenschneiden sollte, anderes im Kopf hatte.

      Der Stiefel auf seiner Jacke hatte dort einen staubigen Abdruck hinterlassen. Zwei Buchstaben blinkten nur noch kläglich, was aus dem Schriftzug PRO PE T machte.

      Yokai hatte sich am Tisch herumgedreht, an dem sie mit ihrer Schwester Kami ein knallbuntes Hologame gezockt hatte, und lachte laut los, als sie die Jacke samt Schriftzug erblickte. »Was steht da auf deiner Jacke? Propet? Bist du jetzt unter die Propheten gegangen, Kian? Hast du ein neues Callsign?«

      Er zuckte mit den Schultern und hängte sich die Jacke über. Die Daredevils bildeten nun einen lockeren Halbkreis zur Theke, hinter der Purple stand und gerade Woqqa für alle einschenkte. Kurz wurde es so leise, dass Kian das Gluckern in der Flasche hören konnte, nur unterbrochen vom lockenden Gedudel des VR-Spielautomaten in der Ecke.

      Bacon hatte sich auf einen Tisch gesetzt und so weit zurückgelehnt, dass er sich auf die muskelbepackten Unterarme stützen konnte. Die Tischbeine ächzten unter dem Gewicht des bärbeißigen Kerls mit dem zottigen Salz-und-Pfeffer-Bart, der eine hässliche Lederkappe über seine von Leberflecken übersäte Halbglatze gezogen hatte. Die letzten fettigen Haarsträhnen ragten darunter hervor. Rechts von ihm hatte Eyegle xiesen Stuhl zurückgezogen, vermutlich, um nicht im Falle des Falles vom zusammenbrechenden Tisch verletzt zu werden. Xier hatte die grün glimmenden, kybernetisch verstärkten Linsen auf Marlene und den Neuankömmling gerichtet, und auch die beiden Zwillingsschwestern Kami und Yokai sahen nach vorn. Neben den beiden saßen Nean und Tabs und sahen gerade von ihren Tablets auf. Beide waren wie Kian Prospects, aber das war auch schon das einzige, was sie gemeinsam hatten. Das, und das Bestreben, diesen Status vor den zwei anderen loszuwerden.

      Kian setzte sich dazu.

      Im schummrigen Licht des Hinterzimmers vom Loco Hana, der Stammkneipe der Daredevils, war die Gestalt hinter Marlene beinahe unsichtbar gewesen.

      Sie war alles, was Marlene nicht war, und umgekehrt.

      Sie war die Besitzerin des Stiefels.

      Marlene, Callsign »Deardevil«, trug heute eine grauenhafte pinke Schirmmütze mit der Aufschrift QUEEN auf ihren lila gefärbten und teils etwas unmotiviert herabhängenden Locken. Marlene war weiß, ihr Gesicht faltig und um die Augen herum in einem nicht ganz treffsicheren Lilaton geschminkt. Ihre Lippen waren mit dem Alter schmal geworden, der rosa Lippenstift in den kleinen Fältchen darum geronnen. An einer Seite hing ihr Mundwinkel ein wenig, als spüre er noch dem Gewicht der Zigarette nach, die sie normalerweise darin zu tragen pflegte. Ihre Jacke zierte dieselbe Aufschrift wie die Kappe, und an einer goldenen Kette hing um ihren Hals ein weiterer Hinweis auf ihre Position innerhalb der Daredevils.

      Marlene war nun einmal die Queen, die Staffelführerin im All und President der Gang auf festem Boden. Marlene war am ganzen Körper tätowiert, die Tattoos (einige davon stellten Königinnen der irdischen Vergangenheit dar), ragten aus ihrem tiefen Ausschnitt heraus und erstreckten sich bis auf die Finger, die in klassischen Fingerhandschuhen steckten. Ein kleiner Dolch war neben den rechten Augenwinkel tätowiert, ein Andenken an die Drunken Daggers, bei denen sie ihre Karriere begonnen hatte. An Marlenes Armgelenken klimperten Armreife und verzierte Lederbänder, an ihren Ohren baumelten zwei schwere goldene Totenköpfe und zogen ihre Ohrläppchen lang.

      »Bros, ich will euch wen vorstellen«, raspelte ihre Stimme, und sie setzte den Chromköter, der auf den Namen MacGuffin hörte, ab. »Jeder von euch Schätzen kriegt ein Glas, aber pronto. Prospects, verteilen!«

      Als Kian gehorchte, nach vorn ging und nach den von Purple gefüllten Woqqa-Gläsern griff, warf er einen Blick auf die Person neben Marlene. Sie war ein wenig kleiner und wirkte, als wolle sie unauffällig im Hintergrund bleiben, obwohl sie schon wusste, dass es ihr nicht gelingen würde.

      Kurzer, schwarzer Afro. Kein Schmuck, keine Kybernetik – doch, halt: Als Kian sich zur Theke vorbeugte, sah er ein schwaches Glimmen im Kragen ihrer insignienlosen, schlichten Lederjacke. Reflexmodder in der Wirbelsäule, und sie war eitel und reich genug (gewesen?), um die beleuchtete Version zu nehmen, die durch die dunkle Haut schimmerte. Kian merkte sich das. Handelte es sich bei dem Neuankömmling um ein Corp-Turf-Kid?

      Er drückte ihr ein Glas in die Hand. Sie lächelte nicht, nahm es aber an. Ihre Augen musterten ihn, die Lippen verzogen sich leicht. Sie war vielleicht Ende zwanzig, nicht viel älter als er, wenn überhaupt.

      Als