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καὶ τὸν Ὅμηρον.8Dionysios Hal.ars 10, 19 Hier ist die horazische Lehre zur bündigen Schulformel geronnen: Nicht die wörtliche Anleihe an Demosthenes, Platon oder Homer sichern die Qualität der μίμησις, sondern die sprachliche Gestaltung im Geist der genannten Autoren. Besonderes Gewicht liegt auf der Forderung, dass es sich um einen regelgeleiteten Rückgriff auf die kanonischen Autoren handeln muss (ἔντεχνος μεταχείρισις).9

      Auch Dionysios von Halikarnassos10 weist der τέχνη einen wichtigen Stellenwert zu, wenn er im Dinarchus die μίμησις in zwei Typen untergliedert:Dionysios Hal.Din. 7

      ὡς δὲ καθόλου εἰπεῖν, δύο τρόπους τῆς διαφορᾶς ὡς πρὸς τὰ ἀρχαῖα μιμήσεως εὕροι τις ἄν· ὧν ὃ μὲν φυσικός τέ ἐστι καὶ ἐκ πολλῆς κατηχήσεως καὶ συντροφίας λαμβανόμενος, ὃ δὲ τούτῳ προσεχὴς ἐκ τῶν τῆς τέχνης παραγγελμάτων. περὶ μὲν οὖν τοῦ προτέρου τί ἄν τις καὶ λέγοι; περὶ δὲ τοῦ δευτέρου τί ἂν ἔχοι τις εἰπεῖν <ἢ> ὅτι πᾶσι μὲν τοῖς ἀρχετύποις αὐτοφυής τις ἐπιπρέπει χάρις καὶ ὥρα, τοῖς δ’ ἀπὸ τούτων κατεσκευασμένοις, κἂν ἐπ’ ἄκρον μιμήσεως ἔλθωσι, πρόσεστίν τι ὅμως τὸ ἐπιτετηδευμένον καὶ οὐκ ἐκ φύσεως ὑπάρχον. (Din. 7 = V.1 307, 8–17 Usener-Radermacher)

      („Man wird wohl zwei Arten der Nachahmung hinsichtlich der alten Muster finden: Die eine ist natürlich und wird erworben durch viel mündlichen Unterricht und gemeinsame Erziehung, die andere ist dieser ähnlich, fußt aber auf technischen Lehrsätzen. Was soll man über die erste schon sagen? Was aber die zweite betrifft, was muss man da sagen, außer, dass aus den originalen Mustern wie von selbst eine gewisse Anmut und Schönheit ausgeht, wohingegen bei den nach ihnen gefertigten Kopien, auch wenn sie den Gipfel der Nachahmungskunst erreicht haben, immer Reste von Fleißarbeit und Unnatürlichkeit bleiben.“)

      Dionysios differenziert am Beispiel des Redners Dinarchos zwei Formen der Nachahmung. Die eine, umstandslos positiv bewertete, war nur zu einer Zeit erreichbar, als man noch in unmittelbaren persönlichen Kontakt zu den bewunderten Vorbildautoren treten konnte. Bei Dinarchos war das in der ersten Lebenshälfte vor dem Tod Alexanders im Jahr 323 v. Chr. gegeben. In der zweiten Phase seines Lebens, als die klassischen Muster aus Athen vertrieben oder tot waren, musste sich Dinarchos an die rhetorischen Handbücher halten, ohne die Qualität seiner früheren Produkte jemals wieder zu erreichen.11 Regelgeleitete, technische Mimesis ist für Dionysios demnach die Methode, die zeitliche Distanz zu der als klassisch anerkannten Musterepoche des 5./4. Jhdt. zu überbrücken. Zwar werden die Produkte ihre Musterautoren niemals ganz erreichen, doch ist so zumindest die maximal mögliche Annäherung zu erhoffen.

      Der besondere Stellenwert dieser Definition ergibt sich, wenn man den Mimesisbegriff mit der Geschichtskonzeption des Dionysios verbindet. Das klassizistische Programm des Dionysios ist nicht in erster Linie als ein rein literarisches oder ästhetisches Konzept zu verstehen, sondern erhebt einen weitreichenden soziokulturellen Anspruch. Grundlage seines Programms ist eine triadische Geschichtsauffassung, derzufolge die Blütezeit der attischen Beredsamkeit mit Alexanders Tod untergegangen ist und nun – im klassizistischen Rückgriff auf diese ideale Urzeit und in konsequenter Ablehnung der dazwischenliegenden Verfallsepoche – wiederbelebt werden soll.12 Klassischer attischer Stil, so besonders deutlich in der Isokratesschrift ausgesprochen, geht Hand in Hand mit klassischer attischer Identität. Der Redner bzw. sein Stil und der Mensch bzw. seine Einstellungen und Haltungen sind in Dionysios’ Konzeption nicht zu trennen. An dieser Stelle kommt das Konzept der Mimesis als Nachahmung der klassischen Muster ins Spiel: Dionysios sieht in ihr mehr als ein rein technisches Verfahren der Redegestaltung, sondern ein Mittel, wie der Redner in einer existentiellen Grenzüberschreitung über die Epochengrenzen hinweg gleichsam zu einem Menschen des 4. Jhdt. wird und seine Rede tatsächlich zu einem πολιτικὸς λόγος machen kann.13Dionysios Hal.de imit.

      Dionysios fasst seine Anschauungen über die Nachahmung am Beginn des zweiten Buches der verlorenen Schrift De imitatione mit zwei Anekdoten ins Bild.14 Beide geben einen Eindruck davon, wie man sich den Vorgang der Mimesis psychologisch konkret vorzustellen hat. Die erste Erzählung vom hässlichen Bauern, der seine Frau während des Zeugungsaktes verschiedene schöne Bilder betrachten lässt, damit auch die später geborenen Kinder eine schöne Gestalt hätten, wird von Dionysios auf den Bereich der stilistischen Imitation übertragen: Ebenso wie die Bauersfrau die schönen Bilder, solle sich der Redner gelungene Beispiele aus den alten Musterautoren vor Augen halten.15 Diese Vorbilder würden sich dann in seinem Geist wie Zuflüsse zu einem Strom vereinigen und zu einem einheitlichen Stil verbinden.16 Die zweite Anekdote schließt unmittelbar an: In ähnlicher Weise sei es nämlich dem Maler Zeuxis gelungen, Helena, die schönste der Frauen, zu malen, indem er die Mädchen der Stadt Kroton betrachtet und jeweils die besten Einzelheiten ihrer Körper zu einem neuen Ganzen verbunden habe. Offensichtlich geht es Dionysios in beiden Fällen darum, die Bedeutung der genauen Beobachtung bzw. – auf den Redner übertragen – der Lektüre zu betonen.17 Durch einen psychologischen Prozess der Aufmerksamkeitssteuerung werden die Merkmale der Vorlage vom Redner aufgenommen und in seiner Seele zu einem eigenen Produkt amalgamiert. Das wichtigste Qualitätsmerkmal dieses neuen Produkts ist die vollständige Integration der fremden Einflüsse zu einem einheitlichen Ganzen: Man darf der Rede nicht anmerken, dass sie auf heterogenen Einflüssen basiert. Dionysios prägt für diese Stilqualität der Rede den Begriff der ὁμοείδεια. Im Dinarchos wird ὁμοείδεια im Sinne der Einheitlichkeit des Stils sogar als Echtheitskriterium für die Reden klassischer Autoren wie Lysias gebraucht.18 Dinarchos mangele dagegen dieser Vorzug, daher könne man seine Produkte (zumindest diejenigen aus seiner späteren Schaffensphase) von den gelungenen Mustern der klassischen Meister gut unterscheiden.19

      Die griffigen Vergleiche bei Dionysios boten geeignete Bilder, um auch den Begriff des Plagiats neu zu verhandeln. Das zeigt eine einschlägige Stelle bei Ps.-Longinus, die wohl direkt auf die bei Dionysios verwendete Analogie von Malerei und Dichtung rekurriert. Ps.-Longinus führt als einen Weg zum Erhabenen die Nachahmung der großen Dichter der Vergangenheit ein.20 Insbesondere Homer wird als Muster sowohl von Prosaautoren (Herodot, Platon) wie auch von Dichtern (Stesichoros, Archilochos) genannt. Am Beispiel Platons lässt sich diese Form der Abhängigkeit am besten studieren. Doch stellt sich gerade hier die Frage nach der Bewertung dieser literarischen Nähe:Ps.-Longinosde subl. 13, 4

      ἔστι δ̓ οὐ κλοπὴ τὸ πρᾶγμα, ἀλλ̓ ὡς ἀπὸ καλῶν εἰδῶν ἢ πλασμάτων ἢ δημιουργημάτων ἀποτύπωσις. καὶ οὐδ̓ ἂν ἐπακμάσαι μοι δοκεῖ τηλικαῦτά τινα τοῖς τῆς φιλοσοφίας δόγμασι, καὶ εἰς ποιητικὰς ὕλας πολλαχοῦ συνεμβῆναι καὶ φράσεις εἰ μὴ περὶ πρωτείων νὴ Δία παντὶ θυμῷ πρὸς Ὅμηρον, ὡς ἀνταγωνιστὴς νέος πρὸς ἤδη τεθαυμασμένον, ἴσως μὲν φιλονεικότερον καὶ οἱονεὶ διαδορατιζόμενος, οὐκ ἀνωφελῶς δ̓ ὅμως διηριστεύετο … (Ps.-Long. de subl. 13, 4)