Zwischen Zeit und Ewigkeit. Richard Stiegler

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Название Zwischen Zeit und Ewigkeit
Автор произведения Richard Stiegler
Жанр Сделай Сам
Серия
Издательство Сделай Сам
Год выпуска 0
isbn 9783867813709



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       Verbundenheit und Liebe

       Wer sind wir?

       Zwischen Zeit und Ewigkeit

       Anhang

       Zitatquellen

       Dank

       Begriffsklärungen

       Ergänzende und weiterführende Literatur

       Zum Autor

      Einleitung

      Können wir Menschen wie Vögel fliegen? Ganz klar, natürlich nicht. Und doch kann ich mich an Träume erinnern, in denen ich mich auf wundersame Weise vom Boden lösen konnte und durch den Raum schwebte. Eine beglückende Erfahrung. Ist eine innere Erfahrung weniger wirklich als eine äußere?

      Konnte Jesus übers Wasser laufen? So steht es doch in der Bibel geschrieben. Ist hier wirklich die physische Realität gemeint, oder ist die Geschichte eine Metapher für eine seelische Dimension? Oder beides?

      Wenn in den heiligen Schriften steht, dass der Glaube Berge versetzen kann, heißt das, dass wir nur fest genug glauben müssen, um sogar große Berge verrücken zu können? Oder anders gefragt: Können wir aufgrund von Gedanken und Wünschen unser äußeres Leben oder das von anderen Menschen beeinflussen, ja vielleicht sogar erwünschte Situationen hervorrufen und kontrollieren? Können wir, wie es manche Menschen praktizieren, einen Parkplatz qua Gedankenkraft bestellen oder einen anderen Menschen heilen, wenn wir nur fest genug daran glauben? Mit anderen Worten: Haben wir magische Kräfte?

      Sollen wir nicht auf der anderen Seite uns anvertrauen und hingeben? Heißt es nicht im Vaterunser: »Dein Wille geschehe«? Wenn sein Wille geschieht, wie kann es dann sein, dass ich versuche, ihm meinen Willen abzutrotzen? Wie weiß ich denn überhaupt, was sein Wille ist?

      Gibt es Engel und geistige Wesen? Manche behaupten, dass sie Kontakt zu diesen Wesen hätten. Dass sie sie sehen und hören könnten. Sind diese Menschen schizophren, oder ist der Normalsterbliche, der nicht mit Engeln verkehrt, geistig blind?

      Wenn ein Erwachter wie Sri Nisargadatta Maharaj, angesprochen auf das Leiden in der Welt, antwortet: »Nichts geschieht«, ist er dann erwacht oder herzlos und abgestumpft? Wenn Menschen in der Meditation in Räume eintauchen, in denen sie mit leuchtenden Augen schildern, dass alles zutiefst in Ordnung sei, spalten sie dann etwas ab, oder sind sie verrückt geworden? Gibt es für diese Menschen kein Leiden mehr? Würden sie das auch noch sagen, wenn sie in der Zeitung über die Kriege und Hungersnöte dieser Welt lesen?

      Ist eine Person, die über viele Jahre an einem Trauma, also an einer seelischen Verwundung, leidet und dann plötzlich die Erfahrung macht, dass sie zuinnerst heil ist und sie hier niemals verletzt wurde und niemals verletzt werden kann, in Zukunft immun gegen Verletzungen? Und wenn sie doch wieder psychisch oder physisch verletzt wird und Schmerz empfindet, war dann die Erfahrung des Heilseins eine schöne Illusion?

      Wie ist das zu bewerten, wenn Menschen in ein Meditationsretreat gehen und dann nach Tagen der Stille eine universale Liebe zu allen Wesen fühlen, lieben sie dann jeden Menschen gleich? Könnten sie jede Person heiraten? Oder können sie dann nicht mehr heiraten, da sie eine Person nicht mehr ausschließlich lieben können und daher eine Bindung zu einer Person nicht mehr möglich ist?

      Wie ist das überhaupt mit den Bedürfnissen? Wir alle haben doch individuelle Bedürfnisse und brauchen Nahrung, Wärme, seelische Zuwendung und vieles mehr? Wenn, wie Buddha sagt, wir das Leiden überwinden können und in Räume der absoluten Freiheit und ­Verbundenheit ­eintauchen können, in denen es offenbar kein Leiden mehr gibt, oder vielleicht sogar nur noch Glückseligkeit, so wie manche Erwachte es ausdrücken, haben wir dann keine Bedürfnisse mehr oder sind sie dann alle erfüllt? Leben wir dann in einem inneren Schlaraffenland?

      Ist nicht laut dem Buddhismus das Höchste, was ein Mensch verwirklichen kann, die nonduale Dimension des Gewahrseins? Wenn diese Art von spiritueller Verwirklichung die eigentliche Krönung des menschlichen Lebens darstellt, was bedeutet das dann für unsere Kinder? Sollen wir ihnen sagen: »Vergesst die Schule und das Lernen, gründet keine Familien, mischt euch nicht in die Politik ein und engagiert euch nicht in der Gesellschaft?«

      Sagt nicht Buddha, dass es ein getrenntes, individuelles Selbst nicht gibt? Dass der Ich-Gedanke die Grundillusion des Menschen ist, die allem Leiden zugrunde liegt? Wenn unsere wahre Identität grenzenlose Verbundenheit ist, oder anders gesagt, wenn ich alles bin, was sage ich dann im Alltag, wenn ich nach meiner Identität gefragt werde? Soll ich weiterhin mit meinem individuellen Namen unterschreiben? Bin ich dann überhaupt noch persönlich verantwortlich, wenn es kein individuelles Selbst gibt? Auch dann nicht, wenn mir ein Fehler unterlaufen ist oder ich jemanden verletzt habe? Sagt nicht C.G. Jung andererseits, dass es um die Individuation – die Selbstverwirklichung – des Einzelnen geht? Gibt es also doch eine Individualität?

      Fragen über Fragen

      Wer sich diesen Fragen ernsthaft stellt und Erfahrungsdimensionen, die widersprüchlich sind, als menschliche Lebenswelten zulässt, wird wahrscheinlich zunächst in Verwirrung geraten. Betrachten wir nur einmal die letzte Frage: Wie kann es sein, dass wir uns einerseits so deutlich im Alltag als Individuum wahrnehmen und dieses sogar uneingeschränkt als das Zentrum unserer Welt behandeln? Ist es nicht sogar so, dass wir es verteidigen, falls es bedroht ist? Und was bedeutet es dann, dass wir andererseits in tiefer Meditation erfahren können, dass es kein Ich gibt? Ist das nicht zutiefst widersprüchlich?

      Mein eigener Weg führte mich zunächst als noch junger Erwachsener in Selbsterfahrungsgruppen, in denen es viel um Gefühle und Bedürfnisse ging. Wahrhaftige Begegnung mit anderen schien mir damals ein Lebenselixier zu sein, das auf mich zutiefst sinnstiftend wirkte. Obwohl ich bereits zu diesem Zeitpunkt meditierte, war mir die Dimension des Gewahrseins mit seiner unbedingten Präsenz, seiner Freiheit und Verbundenheit noch nicht zugänglich. Entsprechend suchte ich die Erfüllung in tiefen Gefühlen und intensiven Begegnungen.

      Doch dann vertiefte sich mein spiritueller Weg, und die Meditation führte mich in die Stille des Bewusstseins, in dem alle Gefühle und Bedürfnisse verstummten. In manchen Momenten verschwanden das Ich und die äußere Welt vollständig. Es blieb nur noch SEIN. Gefühle, Bedürfnisse und auch Begegnungen, die zuvor für mich so wichtig gewesen waren, waren zwar weiterhin da, verloren aber in der Folge dieser Erfahrungen für eine ganze Zeit an Bedeutung (obwohl ich weiterhin als Psychotherapeut arbeitete). Die Erfüllung suchte ich im Lauschen auf das SEIN.

      Doch nach ein paar Jahren musste ich in einer Krise mit meiner damaligen Frau feststellen, dass die Gefühle und seelischen Welten und die Beziehungen sehr wohl eine Bedeutung hatten und mich wieder einholten. Dies war für mich eine andere Art des Erwachens. Das Erwachen aus der Leugnung von seelischen Kräften, denen ich mehrere Jahre keine große Bedeutung mehr gab und entsprechend kaum mehr Beachtung schenkte. Jetzt, in der Beziehungskrise, kamen die Gefühle mit Macht in mein Leben zurück und es war nicht zu leugnen, dass es in mir seelische Kräfte gab, die ich vernachlässigt hatte und die jetzt ihr Recht forderten und mein Leben bestimmten. Es kam zu einer Trennung von meiner damaligen Frau.

      Mit der äußeren Krise ging auch ein innerer Umbruch einher. Jahrelang erschien mir das Heilbringendste