Название | Haupt- und Nebenwirkungen |
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Автор произведения | Gabriele Goettle |
Жанр | Медицина |
Серия | |
Издательство | Медицина |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783888979576 |
(Die Spitzenverbände des Gesundheitswesens beschlossen 2002 ein gemeinsames Vorgehen zur Einführung einer Chipkarte, ›Gesundheitskarte‹ genannt. 2003 von der rot-grünen Regierung beschlossen. Es wurde sogar eigens das Unternehmen Gematik gegründet zur Realisierung. Die Kosten werden größtenteils aus Versichertengeldern bezahlt und sollten ursprünglich mal 1,6 Milliarden Euro betragen. Die Einführung der Karte sollte ursprünglich 2006 sein, verschob sich aber laufend. Inzwischen weiß keiner, wie hoch die Kosten sind. Der abgelöste Gematik-Sprecher vermutet Gesamtkosten von 14,1 Milliarden Euro oder mehr. Anm. G.G.)
»Ich sag Ihnen, an der elektronischen Gesundheitskarte habe ich drei Jahre lang gearbeitet, hab recherchiert und rumgefragt. Da werden Milliarden verbraten! Und diese Milliarden, die helfen der IT-Industrie, uns zum ›gläsernen Patienten‹ zu machen. Wir werden ausgeliefert und verkauft, denjenigen, die an uns Geld verdienen wollen. Besonders der Pharmaindustrie. Die Politik lässt sich willig vorschreiben, was sie machen soll. Und dann heißt es plötzlich, wir brauchen diese Karte, Punkt, Ende, aus! Sie dient nur eurem Wohl und vermeidet Fehlbehandlungen. Es geht aber nicht um unser Wohl, sondern um das der mächtigen Interessenten. Man muss sich nur mal angucken, wer in dieser Gematik neben der IT-Industrie noch so alles drinsitzt. Da sitzen die ganzen Spitzenverbände drin, die Kassenärztliche Bundesvereinigung, die Bundesärztekammer, die gesetzlichen Krankenkassen und die privaten, die Deutsche Krankenhausgesellschaft, der Deutsche Apothekerverband, hab ich alle … ach, und es gibt auch noch einen Beirat, in dem ein verlorenes Häufchen von Patienten-Interessenvertretern sitzt. Das sagt wohl alles. Klar, wem diese elektronische Gesundheitskarte nutzt. Uns Patienten jedenfalls nicht!
Und die ziehen es in die Länge, damit es für uns noch teurer wird, auch weil sie ein totales technisches Chaos haben. Und obwohl oder auch weil es eine breite Bewegung gegen die Einführung der Gesundheitskarte gibt – der Großteil der Bevölkerung ist dagegen –, macht die Politik jetzt Druck. Sie sagt, Freunde, wir haben nächstes Jahr Wahl, die Gesundheitskarte und die Kosten dafür könnten uns auf die Füße fallen, wir müssen gucken, wie wir das so schnell wie möglich abschließen. Also, wenn ihr Kassen nicht bis Jahresende 70 Prozent eurer Versicherten mit dieser Gesundheitskarte ausgerüstet habt, also mit dieser neuen Technik, mit Bild und allem Drum und Dran, dann gibt’s Sanktionen! Finanzielle Kürzungen! Man arbeitet nämlich hier in diesem System mit Erpressermethoden wie bei der Mafia. Und die Patienten werden dann wiederum von ihrer Kasse erpresst. Die sagt ihnen: Wenn ihr die Karte ablehnt und kein Bild schickt, dann seid ihr demnächst nicht mehr versichert, auch nicht, wenn auf eurer alten Karte bis 2017 steht, die ist nämlich ungültig. Oder sie versuchen die Leute zu ködern, mit einem Scheißgutschein über 8 Euro, für die Bilder. Und es ist zum Heulen, ein Teil der Kassenpatientengesellschaft lässt sich durch solche Schnäppchen gängeln.
Dabei gibt es viele Möglichkeiten der Verweigerung bis hin zum Widerspruchsverfahren, mit Klage vor dem Sozialgericht, oder zum Beispiel auch die Absicherung durch unsere Schutzerklärung, die wir vom Bürger-Schulterschluss zusammen mit unseren Anwälten entwickelt haben – die ist auch auf unserer Website. Wir müssen uns nicht alles gefallen lassen! Und darum geht es mir! Ich wollte und ich will, dass Transparenz in das ganze Gesundheitssystem reinkommt. In solche Großprojekte wie das der Gesundheitskarte und in die geheimen Umbaupläne. Denn ich will nicht, dass die ganzen Privaten mit ihren Aktiengesellschaften unser gesamtes Gesundheitssystem aufkaufen, Rhön AG, Helios, Vivantes und wie sie alle heißen. Ich will nicht, dass es nur noch medizinische Versorgungszentren gibt, durch die wir alle durchgeschleust werden, damit wir denen gewinnbringend die Betten füllen. Ich will, dass jeder bestmöglich versorgt wird, der krank ist in dieser Republik, und dass damit ein Vertrauensverhältnis zwischen Patient und Arzt endlich wieder möglich wird. Das alles ist für mich ein elementares Grundrecht, und das wird gerade ausgehebelt.«
GELD ODER LEBEN!
Über die Demontage unseres Gesundheitssystems. II. Teil Gespräch mit Renate Hartwig
»Gesundheit müsste von der Peripherie ins Zentrum derWirtschaft rücken, vollberechtigte Handelsware werden.«(Hiroshi Nakajima, ehemaliger Generaldirektor derWHO) |
»In der Zwischenzeit ist am 9. November auf einstimmigen Beschluss des Bundestages die Praxis- bzw. Kassengebühr zum 1.1. 2013 abgeschafft worden. Das klingt wie eine gute Nachricht. Ich will’s mal so sagen: Es war ein Kuhhandel, für den wir sicher noch zahlen müssen. Politische Stümperei, genauso gescheitert wie der ›Hausarztvertrag‹. Unser Gesundheitssystem war mal gut, vor den ›Reformen‹, aber es wird für uns immer teurer und schlechter, denn es ist in schlechten Händen! Ich gebe gleich ein paar Beispiele. Ich schau zu, wie es seit Jahrzehnten Schritt um Schritt demontiert wird, wie wir immer massiver in eine von mächtigen, kommerzgesteuerten Kartellen beherrschte Medizin hineinmanövriert werden. Ich will aber als Patient nicht vermarktet werden, ich will nicht, dass der arme oder alte kranke Mensch durch den Rost rutscht, dass der Kassenpatient immer mehr entrechtet und belastet wird.
90 Prozent der Bevölkerung sind Kassenpatienten, 180 Milliarden zahlen die Beitragszahler jährlich ein ins System. Die Kassenpatienten, würde man denken, haben ein Recht, darauf zu vertrauen, dass ihre Beitragsgelder dem Solidarsystem zugutekommen und nichts abgezweigt wird für irgendwelche anderen Zwecke. Sie haben das Recht, darauf zu vertrauen, dass sie dann, wenn sie zum Arzt gehen und krank und bedürftig sind, Hilfe und Zuspruch bekommen. Aber an dieses Recht kann höchstens der glauben, der noch jung und gesund ist. Solange er nicht aus Krankheitsgründen eine Gegenleistung benötigt, wird er umworben und mit Serviceangeboten bedacht. Aber wehe, die Geißel einer Krankheit, einer Behinderung, einer notwendigen Pflege zwingt dazu, die Leistungen der Krankenkasse in Anspruch zu nehmen. Dann gerät der Kassenpatient plötzlich in die Rolle des Bittstellers, wird zum ungeliebten Kostenfaktor!
Wenn ich als Kassenpatient zum Arzt gehe, stehe ich automatisch in der Almosen-Ecke. Die Argumentation bei vielen Ärzten ist, wenn ich einen Privatpatienten behandle, dann finanziert der zwei oder drei Kassenpatienten mit. Diese Ärzte haben es bis heute nicht begriffen, dass WIR die Finanziers dieses Systems sind – und wir finanzieren auch noch die ganzen Beamten durch unsere Steuergelder mit, die sind ja alle Privatpatienten. Aber das ist wieder ein anderes Thema. Jedenfalls sind die Ärzte mit ihrem Budget von 32 Euro im Quartal pro Kassenpatient nicht zufrieden, zwanghaft erzählen sie ihren Patienten, und auch noch während der Behandlungszeit, dass sie nicht zurechtkommen.
Es ist jetzt schon so, dass sehr kranke Patienten nicht aufgenommen oder nicht weiter behandelt werden von den Kassenarztpraxen. Es gibt Schulungen für Sprechstundenhilfen – die inzwischen ›medizinische Fachangestellte‹ heißen –, wo sie lernen, wie sie die abwimmeln. Wenn der Patient zum Beispiel angibt, ich bin vor einem Jahr an Krebs operiert worden und habe dies und das an Krankheiten, dann muss die Sprechstundenhilfe zu ihm sagen: Tut mir wirklich leid, aber wir sind so voll, wir haben sehr lange Wartezeiten, wir können keine Patienten mehr aufnehmen. Und sie empfiehlt einen Kollegen, damit der ›teure Kranke‹ zu dem geht. Und die Erklärung des Arztes: ›Wenn ich für mehr als 32 Euro behandle, dann zahle ich drauf.‹ Originalton!!
Ich sage dazu Folgendes: Ich bin bei der Kasse versichert, Sie als Arzt oder Ärztin haben als Kassenarzt die Zulassung beantragt und erhalten, und folglich haben Sie mich zu behandeln! Und zwar aufgrund meiner Krankheit und nicht aufgrund ihres Honorars!! Ja, warum ist er denn Kassenarzt geworden? Er hätte ja auch die Unsicherheit und den Konkurrenzkampf einer Privatpraxis wählen können. Der Traum vieler Ärzte ist ja, dass die Patienten, wo sie jetzt schon mal dran gewöhnt sind, weiterhin 10 Euro zahlen für jeden Arztbesuch. Sie sagen, sie übernehmen einfach das angebliche Lenkungsinstrument, um ihn dazu zu erziehen, dass er nur kommt, wenn es wirklich notwendig ist. Der Unterschied wäre, dass das Geld bei den Ärzten bleibt. Diese Diskussion gibt es. Das ist die eine Hälfte der Ärzte. Die andere Hälfte sagt, wir müssen das ganz anders machen, wir wollen, dass eine Direktabrechnung eingeführt wird. Das bedeutet, ich gehe als Kassenpatient wie mit der Katz zum Tierarzt,