Название | Unternehmenskriminalität ohne Strafrecht? |
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Автор произведения | Charlotte Schmitt-Leonardy |
Жанр | Языкознание |
Серия | Schriften zum Wirtschaftsstrafrecht |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783811437197 |
165
Um weiter differenzieren zu können, ob Unternehmenskriminalität im Zusammenhang mit diesen gruppendynamischen Einflüssen als kollektivgesteuert anzusehen ist oder unternehmensgesteuert oder beides ist, wird im Folgenden die Hypothese der strukturellen Bedingtheit von Unternehmenskriminalität weiter verfolgt; zunächst durch einen genaueren Blick auf die in der strafrechtlichen Literatur inflationär verwandten Begriffe der organisierter Unverantwortlichkeit und der kriminellen Verbandsattitüde.
Anmerkungen
Jäger MschrKrim 1980, 358 (358 ff.); Rotsch Individuelle Haftung in Großunternehmen, S. 25.
Vgl. z. B. Jäger in Der Spiegel vom 13.8.1990, S. 34–46.
Vgl. mit Hinweis auf die sogenannte „Radbruch'sche Formel“ BGH NJW 1995, S. 2728 ff.
Vgl. zu der sich aus § 27 GrenzG ergebenden Pflicht, „Grenzdurchbrüche unter allen Umständen, notfalls auch durch Tötung des Flüchtenden, zu verhindern“ BGHSt 39, 1 ff. – z. B. in BGH NJW 1993, 141 ff.
Siehe hierzu wieder die hervorragende Darstellung von Rotsch Individuelle Haftung in Großunternehmen, S. 34 ff.
Jäger Makrokriminalität, S. 191
Rotsch Individuelle Haftung in Großunternehmen, S. 35
Vgl. zu den im Zusammenhang mit dem DDR-Machtstrukturen stehenden Überlegungen zu einer „mittelbaren Täterschaft kraft Organisationsherrschaft“, deren drei zentralen Voraussetzungen waren, dass der Apparat aus einer Vielzahl von Mitgliedern besteht, er hierarchisch vertikal gegliedert ist und als ganzer außerhalb des Rechts steht, die Ausführungen im strafrechtsdogmatischen Zusammenhang ab Rn. 323 ff. Zu der Übertragung dieser strukturellen Besonderheiten auf den Unternehmenskontext: BGHSt. 39, 1 ff.; 40, 218 (236); Krekeler/Werner Unternehmer und Strafrecht, Rn. 10; verneinend Roxin JZ 1995, 49 (51 f.); Rotsch NStZ 1998, 491 (493 ff.); Rotsch ZStW 2000, 518 (532 ff.).
Das Milgram-Experiment ist ein (erstmals) 1961 durchgeführtes Experiment des Psychologen Stanley Milgram, das die Bereitschaft durchschnittlicher Personen untersuchte, in autoritativem Kontext Anweisungen – die mitunter in direktem Widerspruch zu ihrem Gewissen standen – zu befolgen. Die Probanden sollten – als „Lehrer“ – die Lern- und Gedächtnisfähigkeit eines „Schülers“ testen, indem sie diesem unter Aufsicht eines wissenschaftlichen Versuchsleiters Wortpaare vorlasen, die der „Schüler“ mittels eines Apparates zu beantworten hatte. Der „Schüler“ war in einem Nebenraum an einen Stuhl gefesselt und konnte sich nur über ein Mikrofon unmittelbar nach einer Bestrafung äußern. Kern des Experimentes war, dass „Lehrer“ den „Schüler“ nach jeder falschen Antwort mit einem Stromstoß – von 15 Volt am Anfang bis 450 Volt am Ende – bestrafte; der wissenschaftliche Versuchsleiter und der „Schüler“ waren in das Experiment eingeweiht. Wenn der „Lehrer“ sich weigerte, aufgrund der qualvollen Schreie des „Schülers“, weiterzumachen, genügte es in den meisten Fällen, dass der Versuchsleiter diesen mit dem Satz „Machen Sie weiter!“ animierte. 65% der „Lehrer“ gingen bis zur lebensbedrohlichen Spannungsstärke von 450 Volt. Vgl. die genaue Darstellung bei: Milgram Das Milgram-Experiment, passim.
Milgram Das Milgram-Experiment, S. 49 ff.
Wenn Menschen als „Zielobjekte“ bezeichnet werden, wird die Tötungshandlung weniger als die Verletzung des Tötungstabus verstanden. Jäger Makrokriminalität, S. 194.
Beispielsweise beschreibt er den Fall von fünf nicht vorbestraften Personen, die vor Übernahme abweichender Praktiken als „grundanständig“ zu bezeichnen waren und – hätten sie die abweichende Verhaltensweise nicht übernommen – ihre Arbeitsstelle verloren hätten.Vgl. Sutherland White Collar Crime – The uncut version, S. 235 ff.
Rotsch Individuelle Haftung in Großunternehmen, S. 36
Jäger Makrokriminalität, S. 132
So Cabanis StrV 1982, 315 (317).
Vgl. Naucke Die strafjuristische Privilegierung staatsverstärkter Kriminalität, S. 19 ff.
Im weiteren Sinne werden allerdings die Verbrechen nicht-staatlicher Gruppen unter diesen Begriff subsumiert (z. B. die Verbrechen der kolumbianischen Guerillaorganisation FARC, da es freilich nicht darum geht die staatlichen Grenzen zum zentralen Kriterium zu machen. Allerdings bleiben auch diese Verbrechen