Tatort Ostsee. Harald Jacobsen

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Название Tatort Ostsee
Автор произведения Harald Jacobsen
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783734994883



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den Kursen teilnehmen!« Olli stand mitten im Bistro und hielt ein Blatt Papier in seiner Hand. »Die Anfänger kommen bitte zu mir an den Ecktisch da hinten. Nehmt euren Kaffee und eure Brötchen ruhig mit. Die Fortgeschrittenen gehen schon mal raus zum Equipment. Ben kommt gleich nach!«

      Sophie nahm ihre Tasse. »Dann müssen wir wohl los.«

      Ben nickte. »Hals- und Beinbruch! Bis später.«

      Plötzlich trabte Pelle begeistert an ihr vorbei und verschwand in der Küche. Sie stürzte hinterher. »Pelle!«

      Hanjo kam ihr entgegen. Er hatte ihren Hund am Halsband gepackt und lachte. »Ist schon gut, Mädchen. Ich kümmere mich um ihn. Mach du deinen Kurs. Pelle und ich machen ›Klar Schiff‹! Er klopfte dem Hund den Rücken. »Stimmt doch? Du reinigst den Boden und ich deck die Tische ab. Ich bin übrigens Hanjo.«

      »Danke, Hanjo, aber ich warne dich. Du wirst ihn nicht mehr los! Ich bin Sophie.«

      Hanjo lachte und tätschelte Pelles Kopf. Sophie ging zu ihrer Gruppe und nahm auf dem letzten freien Stuhl Platz.

      »Herzlich willkommen zum Kitekurs. Hat einer von euch es schon mal probiert?«, wollte Olli wissen. Alle schüttelten schweigend den Kopf. »Schon mal gesurft?« Zwei Typen meldeten sich. »Und? Könnt ihr mir etwas über Thermik erzählen?«

      Beide verneinten. »Das war im Urlaub! Nur so ein erster Versuch.«

      »Gut. Im Grunde hat hier niemand eine Ahnung. Dann fangen wir von vorne an. Luv und Lee.« Er rollte ein großes Blatt Papier aus und begann verwirrende Pfeile zu zeichnen. »Es ist wichtig, dass ihr den Wind begreift. Er ist euer Antrieb. Ihr müsst lernen, ihn auszunutzen, ihn zu beherrschen. Er ist wie ein Pferd. Wenn ihr reiten könnt, geht es in eure Richtung. Könnt ihr es nicht, geht es bestenfalls, wohin es will oder es wirft euch ab. Kapiert? Ich erzähl euch jetzt, worauf es ankommt!«

      Luv, Lee, Segelfläche und Windgeschwindigkeit. Die Theorie war verwirrend. Alles war tatsächlich viel komplizierter, als Sophie gedacht hatte. Sie hatte fast das Gefühl einen Pilotenschein zu machen. Nach einer Stunde hatte sie eine vage Vorstellung, was in der Praxis alles zu bedenken war.

      »Also gut«, endete Olli. »Wenn wir auf dem Wasser sind, wird euch das eine oder andere noch klar werden. So, dann los! Wer keinen eigenen Anzug hat, kriegt einen von mir.«

      Sie gingen gemeinsam zur Hütte und Olli suchte Neoprenanzüge in den verschiedenen Größen raus und teilte sie zu. Mühsam quetschten sie sich in die engen Dinger. Olli hatte in der Zwischenzeit ein paar Kiteschirme aus dem Schuppen geholt und sie auf den Rasen vor der Hütte gelegt.

      »So, jetzt wird es ernst! Sucht euch bitte einen Partner«, rief er der Gruppe zu.

      Witzig, dachte Sophie, alle hatten bereits einen, denn die anderen Kursteilnehmer waren Pärchen oder Kumpel. Olli schien ihre Gedanken erraten zu haben.

      »Sophie, du bleibst bei mir!«

      Kein Problem, dachte sie. Olli war genauso attraktiv wie Ben. Und es war immer gut, vom Meister selbst zu lernen.

      »Nehmt euch jetzt zu zweit einen Kiteschirm und dann los.«

      Die Gruppe wanderte brav hinter ihm her. Am Strand erklärte Olli, wie sie den Kite aufzupumpen und danach zu beschweren hatten, damit er nicht von einer Böe mitgerissen werden konnte. Anschließend hatten sie die Leinen zu entwirren und mussten sie unter seinem wachsamen Blick mit dem Schirm verbinden.

      »Denkt immer daran, so ein Schirm hat bei Wind viel Kraft. Besonders hier am Strand ist es gefährlich. Wenn es dumm läuft, schleudert euch das Teil bis an die Hauswand und ihr seid Hackfleisch. Ihr dürft niemals die Kraft des Windes und des Wassers unterschätzen. Das Equipment wird zwar immer besser und sicherer, doch es gibt immer wieder Unfälle.«

      Auch welche mit tödlichem Ausgang, dachte Sophie den Satz zu Ende.

      Stefan saß mit Robert in seinem Büro. Er versuchte immer noch zu begreifen, was Lutz ihnen bei der Obduktion bewiesen hatte. Sarah Müllers Fundort war definitiv nicht der Tatort. Er konnte es gar nicht sein. Stefan hatte nicht einmal damit gerechnet, dass die Frau überhaupt Opfer eines Verbrechens geworden war. Mord. In der Ostsee ertränkt zu werden, konnte er sich gerade noch vorstellen, aber hier lagen die Dinge ganz anders. Sie hatten es hier mit einem kuriosen Fall zu tun. Robert sprang plötzlich vom Stuhl. »Mensch, Stefan! Das macht doch alles keinen Sinn. Trockene Lunge? Franck muss sich irren!«

      »Der irrt sich nie. Sarah Müller ist irgendwo anders ertrunken. Jemand hat sie an den Strand gebracht.« Es ärgerte ihn, dass er an Sophies Einwand denken musste. Ihr war sofort etwas aufgefallen. »Wenn wir den Tatort finden, finden wir auch die Person, die sie dort weggebracht hat. Ob diese Person ein Mörder ist oder jemand, der einen Unfall vertuschen wollte, wird sich rausstellen.« Robert nickte. »Dann war es Mord! Ich frag mich die ganze Zeit, warum? Ich meine, was war das Motiv?«

      Stefan schüttelte den Kopf. »Fahr nach Hause oder auf den Golfplatz. Wir müssen warten, bis Franck mit den Laboruntersuchungen fertig ist. Vielleicht findet er Hinweise, die zu einem See oder Graben in der Nähe passen. Ich ruf dich an.«

      Robert nickte und verließ ohne ein weiteres Wort das Büro. Stefan war froh, endlich allein zu sein. Er würde noch einen Bericht schreiben und dann losfahren. Er wollte zu seiner Familie: Windeln wechseln und Sandburgen bauen. Nur eins wollte er nicht. Weiter an ein totes Baby und an eine junge Frau denken, die unter mysteriösen Umständen ums Leben gekommen, und deren Tod bis jetzt nicht logisch zu erklären war. Er musste mit Tina sprechen. Ihre Anekdoten über den Tag mit den kleinen Rackern würden ihn wieder in die angenehme Wirklichkeit versetzen. Panisch tippte Stefan die Nummer und wartete fast verzweifelt darauf, dass Tina abnehmen würde.

      »Sperber«, meldete sich seine Frau.

      Stefan schloss kurz die Augen und genoss den Klang ihrer Stimme. »Ich bins! Hallo Schatz! Ich bin in einer Viertelstunde hier raus.«

      »Super. Unsere Mäuse freuen sich schon so auf dich und den Strand. Und ich mich übrigens auch.«

      »Mir geht es genauso, das kannst du mir glauben. Der Tag war ziemlich merkwürdig.«

      »Ist alles in Ordnung?«, fragte Tina mit besorgter Stimme. »Ja. Natürlich. Mir fehlt ein bisschen Schlaf, sonst ist alles okay. Bis gleich.« Stefan drückte das Gespräch weg und wählte die Nummer von Ingo Schölzel. Bevor er zurück nach Fehmarn fuhr, musste er seinen Kollegen auf den neusten Stand der Ermittlungen bringen. Ingo nahm nach dem zweiten Klingeln ab.

      »Stefan! Gibts was Neues?«

      »Allerdings! Schnapp dir Gerdt und fahr zur Surfschule nach Gold. Ich möchte, dass ihr so viele wie möglich befragt. Da läuft gerade ein Kurs. Die meisten Teilnehmer sind schon ein paar Tage dort. Wir brauchen Zeugen. Vielleicht hat doch jemand irgendwas gehört oder gesehen oder kann uns zumindest etwas über diese Sarah Müller sagen.«

      »Kannst du mir vielleicht verraten, worum es hier geht?«

      Stefan atmete tief durch. »Dieser Fehmarnfall ist etwas komplizierter, als ich im ersten Moment gedacht habe.« Stefan wusste, dass er gleich eine Bombe platzen lassen würde. »Unsere Wasserleiche ist nicht in der Ostsee ertrunken, sondern im Süßwasser.«

      Olli stand im hüfthohen Wasser und beobachtete seine Schüler, die mit mäßigem Erfolg mit den Drachen hantierten. Immer wieder knallten die Schirme auf die Wasseroberfläche und er musste durch die Bucht waten, um beim Start Hilfestellung zu geben und den Kite wieder in die Luft zu bringen. Zum Glück kam Sophie ziemlich gut alleine klar. Sie hat wirklich Biss, stellte er bewundernd fest. Der Kite hatte sie bereits mehrmals durchs Wasser geschleift. In ihrem Haar klebten Algen und sie musste unfreiwillig schon ein paar Liter Ostseewasser geschluckt haben. Trotzdem machte sie tapfer weiter. Nach zwei Stunden war sie die Beste. Sophie hatte kapiert, was sie beachten musste. Olli bemerkte plötzlich, dass sie aus der Ferne große Ähnlichkeit mit Sarah hatte. Sein Magen zog sich für einen Moment zusammen. Er versuchte, ruhig zu atmen. Die Schüler brauchten seine ganze Aufmerksamkeit. Er konnte jetzt nicht