Название | Wirtschaftsgeographie |
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Автор произведения | Harald Bathelt |
Жанр | Математика |
Серия | |
Издательство | Математика |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783846387283 |
Abb. 4.11 Die 100 größten Ökonomien der Welt, gemessen nach der Wertschöpfung in Milliarden US-Dollar im Jahr 2000 (nach UNCTAD 2002; Glückler 2006 a)
In dem enormen Wachstum großer multinationaler Unternehmen drückt sich zugleich ein interessantes Paradoxon aus. Fischermann (2000) wertet dieses Wachstum als Indiz, dass Planungssysteme (Planwirtschaften) global operierender Konzerne inmitten weltweiter Marktwirtschaften zunehmend an Bedeutung gewinnen.
Nicht nur die Größe, sondern auch die Zahl multinationaler bzw. transnationaler Unternehmen hat sich exponentiell entwickelt (→ Abb. 4.12). Sie wuchs von 7 000 im Jahr 1970 über 40 000 im Jahr 1995 (Karliner 1997) und 60 000 im Jahr 1998 (UNCTAD 1999) auf 86 000 Unternehmen im Jahr 2016 an (UNCTAD 2010; 2017). Große transnationale Unternehmen erzielen über die Hälfte ihrer Umsätze außerhalb ihres Stammlands in internationalen Märkten (Sklair 1999). Der Umsatz der ausländischen Tochtergesellschaften aller transnationalen Unternehmen repräsentiert mittlerweile 11 % des globalen Wirtschaftsprodukts. Zwar dominieren nach wie vor Unternehmen aus der Triade (d. h. den großen Märkten Nordamerikas, Westeuropas und Ostasiens) die internationale Organisation der Produktion, aber die Zahl der transnationalen Unternehmen in weniger entwickelten Staaten wächst stetig an. Transnationale Unternehmen aus Entwicklungs- und Schwellenländern erreichen sogar höhere Beschäftigungsanteile in ausländischen Tochtergesellschaften als diejenigen aus der Triade. Neu industrialisierte Staaten, wie z. B. die asiatischen Länder Hongkong (vor dem Anschluss an China), Singapur, Südkorea und Taiwan, haben sich als wettbewerbsstarke Nationen auf den Weltmärkten etabliert (Schamp 1996). Allein in China arbeiteten im Jahr 2009 etwa 20 % aller im Ausland beschäftigten Arbeitskräfte transnationaler Unternehmen (UNCTAD 2010). Zugleich sind die Zuwächse des Welthandels seit den 1970er-Jahren höher als die der Industrieproduktion, und multinationale Unternehmen treiben als global organisierte Akteure das Wachstum ausländischer Direktinvestitionen an (→ Abb. 4.13).
Abb. 4.12 Entwicklung und Verteilung der Zahl transnationaler Unternehmen nach ihrem Hauptsitz in entwickelten oder sich entwickelnden Volkswirtschaften (nach UNCTAD 2010, S. 17)
Abb. 4.13 Globalisierung durch Intensivierung des Außenhandels und der Kapitalverflechtungen (nach Stiftung Entwicklung und Frieden 2003, S. 156)
Hyperglobalisten (Held et al. 1999, Kap. 1) meinen aufgrund dieser Beobachtungen, das Ende des Nationalstaats erkannt zu haben, der durch einen unbegrenzten globalen Markt und weltumspannende Produktions-, Unternehmens- und Finanznetzwerke mächtiger weltweit tätiger Unternehmen zusehends ausgehöhlt werde. Eine grenzenlose Welt (Ohmae 1990) eröffne den Rahmen einer globalen Zivilgesellschaft. Demgegenüber wehren Globalisierungsskeptiker die Globalisierung als Mythos ab und verweisen in historischen Vergleichen auf die begrenzte internationale Ausdehnung ökonomischer Beziehungen in den 1990er-Jahren im Vergleich zum Beginn des 20. Jahrhunderts. So war der durchschnittliche Anteil der Exporte und Importe am Bruttonationaleinkommen 1973 weltweit geringer als noch im Jahr 1913. Eine Reihe von Staaten hat den durch die beiden Weltkriege bedingten Einbruch des globalen Güteraustauschs sogar bis zum Jahr 1994 noch nicht wieder ausgleichen können (Hirst und Thompson 1996; Kleinknecht und Wengel 1998; Hellmer et al. 1999, Kap. 2).
Messbare grenzüberschreitende Austauschbeziehungen können sowohl für den Handel von Vor- und Endprodukten und Diensten als auch für den Austausch von Produktionsfaktoren, wie z. B. Kapital, und Technologien statistisch erfasst werden (→ Tab. 4.1). Die nachfolgende Diskussion dieser internationalen Ströme soll die Intensität und in räumlicher Perspektive die Verflechtung der internationalen Wirtschaft veranschaulichen, um das Ausmaß bzw. die quantitative Dimension der Globalisierung zu prüfen, aber auch um die Grenzen einer Faktorperspektive aufzuzeigen.
Tab. 4.1 Zentrale Dimensionen internationalen ökonomischen Austauschs | ||
Handel von Gütern und Diensten | inter- versus intrasektoraler Handel | |
Handel von Endprodukten versus Zwischenprodukten | ||
Inter- versus Intra-Unternehmenshandel | ||
Kapitalverflechtungen | ausländische Portfolioinvestitionen | |
ausländische Direktinvestitionen (ADI) | ||
greenfield-ADI | ||
brownfield-ADI (mergers & acquisitions) | ||
Wissens- und Technologieverflechtungen | grenzüberschreitende Forschung und Entwicklung (FuE) | |
Transfer von Technologien (Lizenzierung, Patentierung) | ||
Transfer von Designs und Marken (Verkauf, Lizenzierung, franchise) |
4.5.3Regionalisiertes Wachstum internationalen Handels
Das durchschnittliche Außenhandelsvolumen der OECD-Staaten (Organisation for Economic Cooperation and Development) betrug 2007 etwa 70 % ihres Bruttoinlandsprodukts, wobei kleinere Staaten wie Irland, Belgien, die Tschechische Republik und die Niederlande sogar Handelsvolumina erreichten, die über dem eigenen Bruttoinlandsprodukt lagen (OECD 2010). Die wachsende Bedeutung des internationalen Handels zeigt sich für die Bundesrepublik Deutschland im enormen Anstieg der Einfuhr- und Ausfuhrwerte zwischen 1990 und 2010 (→ Abb. 4.14). Im Jahr 2010 betrug der Wert der Einfuhr von Gütern und Dienstleistungen 806,2 Milliarden Euro bei einer Ausfuhr von 959,5 Milliarden Euro und einem Ausfuhrüberschuss von 153,3 Milliarden Euro (Statistisches Bundesamt 2011). In den Jahren 2003 bis 2008 war Deutschland innerhalb der OECD noch vor den USA die größte Exportnation für Waren (OECD 2010).
Abb. 4.14 Einfuhr und Ausfuhr in der Bundesrepublik Deutschland 1950 bis 2016 in tatsächlichen Werten (nach Statistisches Bundesamt (Destatis), Außenhandel, 2017)
Gemäß der Globalisierungshypothese ist das ungebrochene Wachstum des Handels ein Indiz für zunehmende globale Verflechtungen. Seit 1970 wächst der Export kontinuierlich stärker an als die Produktion von Gütern (Hirst und Thompson 1996, Kap. 3; Schamp 1996), d. h. Produkte werden immer weniger dort konsumiert, wo sie hergestellt werden. Am Beispiel der Staaten der Europäischen Union (EU) demonstrieren Kleinknecht und Wengel (1998) allerdings, dass das Maß an globaler Handelsverflechtung außerhalb Europas seit den 1960er-Jahren eher stagniert, während sich der innereuropäische Binnenhandel intensiviert hat (→ Abb. 4.15). Sowohl der Anteil der Importe als auch der der Exporte am Bruttoinlandsprodukt hat sich zwischen 1960 und 1995 im Binnenhandel der EU verdoppelt, während der Anteil der Importe und Exporte im Außenhandel nahezu unverändert geblieben ist.
Abb. 4.15 Entwicklung von europäischem Binnen- und Außenhandel der EU-12-Staaten gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) 1960 bis 1995 (nach Kleinknecht und Wengel 1998, S. 641)
Damit ist die quantitative Bedeutung der Globalisierung durchaus kritisch zu beurteilen. Entgegen der Globalisierungshypothese tritt die EU letztlich in erster Linie als ein regionaler Wirtschaftsblock in Erscheinung, der 1995 keineswegs stärker in die globale Weltwirtschaft eingebunden war als noch im Jahr 1960. Internationalisierung vollzieht sich aus europäischer Perspektive somit weniger als Prozess der Globalisierung, sondern vielmehr als wirtschaftliche Integration der EU-Staaten. Zwei Drittel des Außenhandelsvolumens der europäischen Mitgliedsstaaten konzentrierten sich im Jahr 2007 auf die Europäische Region, nur ein Drittel auf den Handel mit anderen Weltregionen (OECD 2010).
Ähnliches lässt sich für Nordamerika und Japan feststellen. Im Zeitraum von 1963 bis 1996 hat sich in beiden Fällen das Handelsgewicht auf den eigenen Wirtschaftsblock verstärkt und der Anteil des Gesamthandelsaufkommens mit weniger entwickelten Weltregionen wie Südamerika und Afrika verringert. Nordamerika, Japan und Europa bilden