Название | Lean Hospital |
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Автор произведения | Группа авторов |
Жанр | Медицина |
Серия | |
Издательство | Медицина |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783954666591 |
2 Siehe beispielsweise Horesh et al. 2008.
3 Holmes u. Rahe 1967.
4 Rosenbaum 2020.
5 af Ugglas et al. 2012–2016.
6 Curry et al. 2011.
2 Die stille Revolution
2019 veröffentlichte die Europäische Kommission einen Bericht zum Gesundheitszustand in der EU. Gesundheitssysteme von 30 Ländern (EU28 plus Island und Norwegen) wurden auf ihre Stärken und Schwächen analysiert.
Ziel des Berichts war es, die Mitgliedstaaten dabei zu unterstützen, die Effektivität, Zugänglichkeit und Belastbarkeit ihrer Gesundheitssysteme zu verbessern. Im Bericht bezieht sich die Effektivität auf das Ausmaß, in dem Gesundheitsdienste in der Lage sind, die Gesundheit der Bevölkerung, die Qualität der Versorgung, die Patientensicherheit und die Patientenerfahrung zu verbessern. Zugänglichkeit umfasst das Prinzip, dass jede:r EU-Bürger:in das Recht auf eine zeitnahe und bezahlbare Gesundheitsversorgung von guter Qualität hat. Das Konzept der Belastbarkeit oder auch Resilienz bezieht sich auf die Fähigkeit des Gesundheitssystems, sich wirksam an sich verändernde Umgebungen, plötzliche Schocks oder Krisen wie beispielsweise Covid-19 anzupassen. Im Alltag von Gesundheitsinstitutionen ist dieses Prinzip in der Anwendung einfach zu verstehen: Sind wir in der Lage, einem/einer Patient:in das zu geben, was sie oder er jetzt braucht?
Die analysierten Länder sehen sich mit unterschiedlichen Herausforderungen konfrontiert. Österreich liegt bei den Todesfällen, die auf verhaltensbedingte Risikofaktoren wie Ernährungsrisiken, Rauchen, Alkoholkonsum und geringe körperliche Aktivität zurückzuführen sind, über dem EU-Durchschnitt (Effektivität). In Ungarn, Lettland und Litauen ist die vermeidbare Sterblichkeit sogar mehr als doppelt so hoch als im EU-Durchschnitt (Effektivität). Die Bettendichte in Deutschland ist EU-weit am höchsten und die Zahl der Ärzt:innen und Krankenpflegekräfte pro 1.000 Einwohner ist in Deutschland höher als im EU-Durchschnitt (Effektivität/Zugänglichkeit). In Schweden werden die langen Wartezeiten im Gesundheitswesen und die Rekrutierung von Expert:innen in ländlichen Gebieten als Probleme identifiziert (Zugänglichkeit).
Länderübergreifend beobachtet die Europäische Kommission die zunehmende Nachfrage nach Gesundheitsversorgung aufgrund der Bevölkerungsalterung und eine Zunahme der chronischen Krankheitslast und in der Folge der Multimorbidität. Der Übergang vom krankenhauszentrierten Ansatz zu integrierten Versorgungsstrukturen, die den Schwerpunkt auf eine menschenzentrierte Versorgung, die Fähigkeit zum Umgang mit chronischen Krankheiten und auf Präventionsmaßnahmen legen, ist gemäss der europäischen Kommission unvermeidbar.7
Wozu dieses Buch?
Dieses Buch zeigt, wie man aus Gesundheitsinstitutionen, wie beispielsweise Krankenhäuser, resiliente Organisation und einen besseren Ort für Patient:innen sowie deren Angehörige macht. Dies gelingt durch eine radikale Patientenorientierung und eine regelrechte Besessenheit bezüglich Patientensicherheit. Das wird am Ende weniger kosten, weil die Mitarbeitenden nicht ständig damit beschäftigt sind, die Fehler anderer (und ihre eigenen) zu beheben. Es wird auch weniger kosten, weil wir dem/der Patient:in das geben, was er oder sie jetzt braucht. Die Patient:innen werden diese Gesundheitsorganisation schätzen, weil es für sie ein sicherer Ort sein wird, in dem sie sich gut aufgehoben und betreut fühlen. Die Mitarbeitenden werden es schätzen, weil sie im Alltag weniger Stresssituationen ausgesetzt sein werden und sie sich besser auf ihre Arbeit konzentrieren können. Die Bevölkerung wird zufrieden sein, weil man sich in vielen anderen Bereichen des Lebens an mehr Kundenorientierung gewöhnt hat und besonders das Krankenhaus keine Ausnahme bleiben soll. Die Politik wird es Gesundheitsorganisationen verdanken, wenn sie in Krisensituationen einen kühlen Kopf bewahren werden.
Lean ist ein Konzept, das im Krankenhausumfeld auf Skepsis stösst. Zuerst einmal stösst man auf Abwehr. Manche vermuten dahinter ein unzureichend getarntes Sparprogramm. Andere kritisieren, Lean würde Patient:innen wie Industriegüter behandeln und Mitarbeitende ausbeuten. Nichts davon trifft zu. Lean führt dazu, dass sich Patient:innen in Gesundheitsorganisationen wesentlich besser aufgehoben fühlen. Lean fokussiert auf sie und ihre Angehörigen und auf den Mehrwert der Leistungen von Mitarbeitenden. Das beruhigt den Alltag. Es kommt zu weniger Stress. Das wiederum ist die Grundlage für eine sicherere Medizin. Der/ die Patient:in steht an erster Stelle. „Wir machen das für unsere Patient:innen sowie für unsere Mitarbeitenden“, sagen viele Führungspersonen, die Erfahrungen mit Lean im Gesundheitswesen gesammelt haben. Nebenbei steigt die Produktivität, was eine willkommene Zugabe ist. Alle führenden Krankenhäuser und „Health Systems“ der USA, Skandinaviens und der Benelux-Staaten verfolgen inzwischen einen Lean-Ansatz. Lean Hospital revolutioniert die medizinische Leistungserstellung in Gesundheitsorganisationen.
Die drei häufigsten Missverständnisse bezüglich Lean
1. Patient:innen sind keine Autos
Praktisch alle Gesundheitsorganisationen, die einen Lean-Ansatz verfolgen, wenden das Toyota-Produktionssystem an. Da liegt es nahe zu sagen: Was aus der Autoindustrie kommt, kann nicht auf die medizinische Versorgung angewendet werden. Natürlich sind Patient:innen keine Autos. Andererseits hat die Automobilindustrie durch die Anwendung der Lean-Philosophie beeindruckende Fortschritte bezüglich Sicherheit, Zuverlässigkeit, Umweltverträglichkeit und Produktivität gemacht hat. Die Toyota-Grundsätze eignen sich auch für die Behandlung und Pflege in Gesundheitsorganisationen. Patient:innen sind keine Autos, aber sie schätzen es, wenn sie in tristen Krankenhausfluren nicht endlos warten müssen und die Dienstleistungen rasch und effizient zu ihnen kommen. Das ist seit September 2013 die offizielle Strategie des NHS (National Health Service) in Großbritannien. Wenn alle Leistungen zum/zur Patient:in kommen, erhöht sich deren Sicherheit von allein.
2. Lean eignet sich nicht für alle Patient:innen
Kritiker monieren, Lean sei nur für simple und häufige Krankheitsbilder geeignet. Sie irren. Lean ist eine effiziente Methode, um komplexe Patientensituationen zu erfassen und zu beherrschen. Sie verwechseln Lean mit simpler Fliessbandabfertigung. Einige der erfolgreichsten Tumorzentren wie das Memorial Sloan Kettering Cancer Center in New York, das als weltweit bestes Krebszentrum gilt, wenden Lean-Methoden an, um ihre Prozesse zu verbessern und Bauprojekte zu entwickeln.
Damit konnten sie die Geschwindigkeit und die Sicherheit erheblich verbessern. Vor allem aber konnten sie die Leistungen für Patient:innen besser bündeln. Dadurch ist es möglich, dass diese innerhalb von 36 Stunden ihren individuellen Behandlungsplan ausgehändigt erhalten (inklusive abgeschlossener Diagnostik, Tumorboard und Ressourcenplanung). Patient:innen haben weltweit ähnliche Bedürfnisse. Ihre Krankheitsbilder mögen unterschiedlich sein, aber grundsätzlich sind sich Menschen genetisch in hohem Masse ähnlich. Deshalb sind erfolgreiche Therapien weltweit anwendbar.
Europa hat einen hohen Anteil hochbetagter Patient:innen. Sie leiden unter chronischen Krankheiten und Multimorbidität. Gerade für diese Patientengruppe ist Lean ein Segen. Durch die Betonung der Patientensicherheit werden sie durch einen Krankenhausaufenthalt weniger gefährdet. Lean fördert die Teamzusammenarbeit und den integralen Blick auf Patient:innen, was die Sicherheit erhöht.
3. Lean kann nicht aufs Krankenhaus angewendet werden
Gewisse Unternehmensberater:innen vertreten die Ansicht, dass das Toyota-Produktionssystem in zwei Schritten übersetzt werden muss: zuerst in die Logik der Dienstleistungsindustrie und dann in jene der Krankenhauswelt. Das generiert erst einmal viele Beratungsstunden. Dass es auch auf direktem Wege geht, haben erstklassige Krankenhäuser eindrücklich bewiesen. Die Toyota-Philosophie fokussiert auf den/ die Kund:in, den Fluss und die Sicherheit. Aufwendige Methoden-Übersetzungen und komplizierende Konzepte bringen keinen Mehrwert. Am schnellsten lernt man von