Hinter hessischen Gittern. Esther Copia

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Название Hinter hessischen Gittern
Автор произведения Esther Copia
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783839269206



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es bei dem Gedanken.

      4

      Senior: Glaubst du, er ist der Richtige?

      Bursche: Ich nehme heute Kontakt zu ihm auf. Ich bin zuversichtlich, dass er den Auftrag übernimmt. 20.000 ist eine schöne Summe und die Aufgabe nicht sonderlich schwer.

      5

      Frank Hattinger zog den Reißverschluss seiner Sportjacke noch etwas höher. Er sah aus, als wäre er auf dem Weg ins Fitnessstudio, lediglich die Knastblässe passte nicht zu diesem Outfit. Er ging mit großen Schritten zur Bushaltestelle. Einige Passanten standen schon dort, starrten vor sich hin oder schauten auf ihr Smartphone. Als Hattinger sein Handy anschaltete, ertönten viele Signaltöne. Einige SMS und WhatsApp-Nachrichten waren eingegangen.

      Darunter befand sich auch eine SMS seines Kumpels Thomas Enders mit den Worten 7 Uhr, DA Hauptbahnhof. Sehr gut. Hattinger lehnte sich zufrieden zurück und lachte in sich hinein. Der Bus fuhr nur ein kurzes Stück durch Dieburg, um dann nach wenigen Minuten auf die Schnellstraße B26 abzubiegen. Eine seltsame Nachricht befand sich noch in seinem Posteingang: Du bist clever und möchtest mit wenig Arbeit Geld verdienen? Warte auf neue Informationen. Die SMS kam von einem Schweizer Anschluss. Er rief zurück, konnte aber lediglich einen Anrufbeantworter erreichen. Er nannte seinen Namen und sagte nur, er habe Interesse. Als er alle Neuigkeiten in seinem Handy gecheckt hatte, sah er sich ein wenig um. Der Bus war bis auf den letzten Platz besetzt. Müde Gesichter auf dem Weg zur Arbeit. Für Schüler war es um diese Zeit noch zu früh. Etwa 30 Minuten später stoppte der Bus am Eingang des Hauptbahnhofs in Darmstadt. Hattinger sprang leichtfüßig aus dem Bus und schlenderte in die Bahnhofshalle im Jugendstil, die erst kürzlich renoviert worden war. Es herrschte geschäftiges Treiben, und die verschiedenen Stände mit Croissants und Kaffee waren gut besucht. Er stellte sich vor den Zeitungsladen und hielt Ausschau nach Thomas Enders. Die vielen Leute hier und die Hektik, die alle ausstrahlten, stressten ihn. Vieles war nach neun Jahren anders. Das Tempo der Passanten war eindeutig schneller geworden. Oder kam es ihm nur so vor, als ob alle rannten? Einige quälende Minuten vergingen. Eine innere Stimme sagte ihm, dass es keineswegs sicher war, dass sein Kumpel kam. Wo blieb dieser Idiot nur? Er atmete auf, als er ihn in Richtung Bahngleise entdeckte. Mein Gott, war der fett geworden. Sie hatten fünf Jahre in der JVA Schwalmstadt zusammen ihre Haft abgesessen. Mit ihm auf Doppelzelle gab es nie Probleme. Er konnte die Schnauze halten, das hatte er damals schon bewiesen. Enders trug verwaschene Jeans, ein schwarzes T-Shirt und ein schwarzes Basecap mit der Aufschrift »Jungle Boy«. Vor Jahren war er eine beeindruckende Erscheinung gewesen. Bodybuilding machte er offensichtlich nicht mehr.

      »Guten Morgen, du Träne, ich dachte schon, du kommst nicht.« Hattinger sah Thomas grimmig an und streckte ihm die Ghettofaust entgegen. Thomas zog seine rechte Augenbraue etwas in die Höhe und sah Frank entspannt in die Augen.

      »Guten Morgen, Alter. Bist noch ein bisschen blass, geh mal unter den Toaster, so glaubt noch einer, du kommst aus dem Knast«, konterte er und lachte.

      »Du musst pünktlich sein, sonst gibt es gleich Theater.« Hattinger riss Enders das Basecap vom Kopf. »Und lass dieses hässliche Teil von deinem Schädel. Damit siehst du ja aus wie ein Idiot.«

      Die Miene von Enders verfinsterte sich. »Mann, ich glaube, du gehst mir schon jetzt auf die Eier. Wenn ich nicht so dringend das Geld bräuchte, könntest du mich mal …«, er sprach nicht aus, was er dachte.

      »20 Euronen für heute und für jeden anderen Schultag, okay? So hatten wir es abgemacht.« Hattinger griff in seine Hosentasche und holte 20 Euro heraus. Er hielt sie Enders vor die Nase, als dieser sie greifen wollte, zog er sie blitzschnell zurück.

      »Lass die Scheiße und gib die Kohle her.« Enders verlor langsam die Nerven. Hattinger gab ihm zögerlich das Geld, und Enders schüttelte nur den Kopf.

      »Okay, wenn die Schule heute fertig ist, schicke ich dir ’ne SMS!« Enders drehte sich um und ging langsam in Richtung Innenstadt.

      »Tommy, verarsch mich net«, rief Hattinger hinter ihm her. Diese Worte gingen fast im allgemeinen Lärm des Bahnhofs unter. Hattinger zog die Stirn in Falten.

      »Würd’ ich niemals tun, bis Mittwoch dann, gleiche Zeit hier. Ich kann ja nicht jeden Tag hierher pilgern. Wenn die irgendwas Besonderes in der Schule wollen, sage ich dir sofort Bescheid. Vergiss am Mittwoch die Kohle nicht«, rief Enders. Kurz darauf war er in den Menschenmassen Richtung City verschwunden.

      Ein wohliges Gefühl durchströmte Frank Hattinger. Wie lange hatte er darauf gewartet. Neun Jahre und drei Monate musste er das tun, was andere von ihm verlangten. Nun endlich konnte er einige wenige Stunden genießen. Auf Enders war Verlass, er würde ihn nicht hängen lassen.

      Er entdeckte den Fahrplan, der nur wenige Schritte entfernt von ihm an der Wand hing, um die nächste Verbindung nach Frankfurt herauszusuchen. Alle 30 Minuten fuhr eine Bahn nach Frankfurt. Ein Blick auf die Uhr zeigte ihm, dass er noch etwas Zeit hatte. Der Duft von frisch aufgebrühtem Kaffee und warmen Croissants wehte ihm um die Nase. Das Wasser lief ihm im Mund zusammen, und er hielt an einem Stand kurz an, kaufte sich ein Schokocroissant und einen Espresso. Wie hatte er das vermisst. Kurz darauf saß er im Zug und schaute aus dem Fenster, die Landschaft glitt ruhig an ihm vorbei, da erhielt er die nächste SMS.

      Es war wieder die Telefonnummer aus der Schweiz: Außergewöhnliche Arbeit erbringt außergewöhnlich hohen Lohn!!! Kontakt über Darknet! Er stutzte. Wie war jemand an seine Telefonnummer gekommen? Er konnte sich keinen Reim darauf machen, aber er antwortete: Bin interessiert!! In seinem Hirn ratterte es, wer konnte ihm diese SMS geschickt haben? Und was sollte er tun? Kurz darauf erhielt er den Code für das Darknet.

      In Frankfurt angekommen, staunte er nicht schlecht, der Bahnhof sah anders aus als in seiner Erinnerung. Geschäfte und Schnellrestaurants belebten die Bahnhofshalle, aber leider war auch die Polizei überall präsent. Sofort zog er sich das Basecap von Thomas Enders tiefer ins Gesicht. Die freien Stunden, die er sich dank der Mithilfe seines Kumpels verschafft hatte, würde er für die wichtigen Dinge im Leben nutzen, da war er sich sicher.

      6

      Vor einem Jahr hatte sich Marias Leben schlagartig verändert. Immer wieder tauchten vor ihrem inneren Auge diese Bilder auf, wie sie in der Zelle die Rasierklinge an ihrem Hals spürte. Der Überfall hatte Spuren hinterlassen. Sie schüttelte den Kopf, als könnte sie so ihre düsteren Gedanken vertreiben. Zellenkontrollen standen an, und so zog sie ihre Handschuhe an und klopfte an die Zelle II523 und schloss sie auf.

      »Guten Morgen!«, rief Maria laut in Anbetracht der Tatsache, dass der Insasse noch in seinem Bett lag und schlief.

      Walter Schneider richtete sich auf und blinzelte Maria müde an. Mürrisch fragte er: »Was gibt es denn?« Die Gardine war halb vor das Fenster gezogen, und ein unbeschreiblicher Gestank schlug Maria entgegen. Mit einem offenen und einem zugekniffenen Auge versuchte der Gefangene Schneider, in der Wirklichkeit anzukommen. Er spiegelte das Klischee eines Knackis wider. Seit Tagen unrasiert, die Haare wie auch der gesamte Körper hatten wer weiß wann das letzte Mal Wasser gesehen, und auch das T-Shirt, welches unter der Bettdecke hervorlugte, stand vor Dreck.

      »Bitte stehen Sie auf, ich komme in zehn Minuten, dann möchte ich Ihre Zelle kontrollieren.« Maria war schon im Begriff zu gehen, da bekam sie die Antwort: »Sie können mir mal ’nen Kaffee bringen, dann klappt das auch.«

      Mit einem leisen Grunzen drehte sich Schneider noch einmal entspannt in seinem Bett um und zog sich die Bettdecke über die Schulter. Maria kannte derlei Allüren schon von anderen Gefangenen. Leise flüsterte sie zuckersüß: »Sie glauben wohl, ich bin der Roomservice? Sie verwechseln das hier mit einem Hotel?« Dann erhob sie ihre Stimme: »Schauen Sie mal aus dem Fenster.«

      Schneider setzte sich abrupt in seinem Bett auf und sah sie verblüfft an.

      »Ja, sehen Sie mal raus.«

      Schneider setzte sich blitzartig auf und tat, wie ihm befohlen.

      Maria lächelte süffisant. »Na, was sehen Sie da? Gitter, oder? Sie träumen nicht, Sie sind