Drei Zimmer, Küche, Sarg. Heinz von Wilk

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Название Drei Zimmer, Küche, Sarg
Автор произведения Heinz von Wilk
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783839268803



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weh, wie du weißt. Und der Riese schlang die Arme um ihn und drückte ihn an sich, dass dem Max die Luft in einer Geschwindigkeit aus dem Körper strömte, wie wenn du eine prall aufgeblasene Luftmatratze mit einem Teppichmesser der Länge nach aufschlitzt.

      Dem Auer wurde rot vor den Augen, er sah noch, wie hinter dem Monster eine kleine, rundliche Gestalt in einem glänzenden, pflaumenfarbenen Polyester-Anzug heranrannte.

      Der Kleine schrie: »Der Max, ja so was. Das ist eine Freude. Schau nur, wie sich der Arnie freut.«

      Der Riese drückte dem halb bewusstlosen Auer einen nassen Schmatz auf die Stirn und setzte ihn vorsichtig ab.

      Du erinnerst dich doch noch an die beiden? Danny und Arnie, die Zwillinge? Natürlich waren sie keine echten Zwillinge, aber der kleine dicke Danny und der 2,13-Meter-Mann Arnie waren so verschieden, wie Menschen nur sein können.

      Auch deswegen nannte sie der Chili nur »seine Zwillinge«. Arnie, der Finne, sprach nie. Er grunzte meist nur, und der Einzige, der ihn verstand und bei Bedarf übersetzte, das war der kleine Danny, der wirklich ein bisschen wie Danny DeVito aussah. Arnie hatte ein Holzbein. Links, gleich unter dem Knie. Die Prothese konnte er, wenn es die Situation erforderte, sehr schnell abnehmen und die darin befindliche abgesägte Schrotflinte rausziehen.

      Der Auer holte tief Luft, klopfte den beiden auf die Schultern und betrat den Laden. Über der runden Tanzfläche drehte sich die silberne Discokugel und warf Millionen von tanzenden Diamanten durch das Halbdunkel.

      An der langen Bar-Theke saßen fünf oder sechs Kerle, einer versuchte, die Blonde hinter dem Tresen anzubaggern, und die anderen schauten der Schwarzen im weißen String-Tanga zu, die sich lässig an einer der Stangen vor ihnen bewegte. Aus den Lausprechern dröhnte »Knock on Wood«, in der Fassung von Amii Stewart.

      Diese Fassung gefällt mir persönlich ziemlich gut, die von Otis Redding ist aber besser, obwohl es Eddie Floyd, der es zusammen mit Steve Cropper geschrieben hat, auch saucool singt.

      Ich hab Steve Cropper 1968, glaube ich, in Saigon in einer Bar in der »Bring Cash Alley« getroffen. Er hat mir erzählt, er und Eddie haben das Lied während eines mächtigen Sturms geschrieben. Da ist ihnen diese einzigartige Zeile eingefallen: »It’s like thunder, lightning …«

      Egal, der Auer ging um Arnie herum: »Ist der Chef da?«

      Danny zeigte mit dem Daumen über die Schulter: »Im Büro. Du siehst schlecht aus, Max. Wer hat dich so fertiggemacht?«

      »Längere Geschichte. Aber du solltest mal sehen, wie der andere aussieht.«

      Max ging schnell über die Tanzfläche, warf der Blonden hinter der Bar eine Kusshand zu und verdrehte die Augen zu einem Schielen, als er an der schwarzen Tänzerin vorbeikam. Die streckte ihren erstaunlichen Hintern in seine Richtung und ließ ihn kurz und heftig zittern. »Twerken« nennt man das, glaube ich.

      Der Chili saß hinter seinem Schreibtisch, trug ein aufgeknöpftes blaues Jeanshemd, und seine Beine, die in gelben Western-Boots steckten, lagen auf der verschrammten Schreibtischplatte. Vorne rechts, am anderen Ende der Platte, konnte man immer noch den Fleck sehen. Du weißt schon, wo ihm einer den blonden Pferdeschwanz mit Sekundenkleber auf die Tischplatte geklatscht hat und der Auer ihm später das geliebte Teil mit einer Schere abschneiden musste.

      Wie dem auch sei, die Haare sind nachgewachsen, der Zopf war wieder da und der Chili sah aus wie immer: ein in die Tage gekommener Surfer. Rechts hinter ihm, über dem Safe, hing das fast quadratmetergroße Foto seiner einzigen und wahren Liebe: ein 68er-Ford-Mustang Cabrio, V8, innen die rote »Red Crinkle«-Ausführung, außen knallroter Lack und, jetzt kommt’s, das äußerst seltene 4-Speed-Getriebe.

      Woher ich das weiß? Weil der Chili jedem, aber auch wirklich jedem, der es hören will oder auch nicht, davon erzählt. In aller Ausführlichkeit. Besonders, wenn er betrunken ist. Was nicht oft der Fall ist, aber oft genug.

      Geh in das »Wild Wild West«, setz dich an die Theke und bestell dir einen Jackie D., drei Finger hoch, mit einem einzigen Stück Eis. Und wenn der Chili auf einem seiner Kontrollgänge vorbeikommt, sieht er den Drink. So was bestellen nur Kenner. Dann drehst du dich lässig um, schnippst mit dem Finger und sagst: »Kann es sein, dass ich dich neulich in einem 68er-Mustang-Cabrio gesehen habe? So eine rote Sahnetorte mit dem Klang einer Magnaflow-Special-Auspuffanlage? Ich hab nicht so auf den Fahrer geachtet, weil mich der Wagen einfach umgehauen hat? Aber das am Steuer warst doch du, oder?«

      Wenn du noch einen draufsetzen willst, dann sag: »Täusche ich mich oder hat der Mustang einen 2-Klappen-Auspuff, so, wie der geklungen hat? Da kannst du jeden Ferrari in die Tonne klopfen.«

      So, und spätestens jetzt setzt sich der Chili neben dich, sieht anerkennend auf deinen Drink und fängt an, von seiner Liebe zu erzählen. Und alles, was du an dem Abend trinkst, das geht aufs Haus. Wollen wir wetten? Du musst nur viel Zeit haben, denn wenn der Chili bei den Weißwandreifen auf Speichenfelgen anfängt, über das Getriebe und den Motor zur Innenausstattung kommt und dann liebevoll von der Sechs-Schichten-Sonderlackierung erzählt, dann gehen ungefähr drei Stunden von deiner Lebensuhr ab.

      Zurück ins Büro: Direkt hinter dem Schreibtisch befindet sich das doppelflügelige Fenster, das von außen durch ein massives Eisengitter geschützt ist. Auf der anderen Seite steht immer noch das alte, grün gestrichene Holzregal, in dem Bilder, Aktenordner und Miniatur-Mustangs als Cabrio oder Fastback stehen.

      Chili schaute den Auer verwundert an: »Oha, was ist denn mit dir passiert?«

      Der winkte ab, setzte sich auf den einzigen, unbequemen Besucher-Stuhl und sagte: »Das werde ich jetzt innerhalb von zwei Minuten zum zweiten Mal gefragt. Aber wenn es dich interessiert: Ich war unten am Innspitz beim Löwenjagen.«

      Chili verzog keine Miene, während er nach unten fasste, mit Daumen und Zeigefinger zwei Gläser aus einer der Schubladen fischte und gleich danach eine Flasche Jack Daniel’s hervorholte: »Da schau her. Am Inn gibt es also Löwen. Seit wann denn?«

      Er goss in beide Gläser circa drei Fingerbreit und schob dem Auer eins davon über den Tisch.

      »Jetzt nicht mehr.« Der Max hob sein Glas, prostete dem Chili zu, trank und merkte, wie der Bourbon eine wohlige Wärme in seiner Kehle und im Magen entfachte: »Was heißt, dass ich mich nun anderen Herausforderungen stellen kann.«

      »Wenn du so geschwollen redest, willst du was von mir. Wenn du bisher was von mir wolltest und ich es getan habe, habe ich meistens fürchterlich eine aufs Maul gekriegt oder Ähnliches. Und das, wo du genau weißt, dass es für einen wie mich keine Ersatzteile mehr gibt. Aber was soll’s, fang an.«

      Jetzt grinste der Auer Max und beugte sich auf seinem Stuhl nach vorne: »Der Schiermeier Alfons. Was klingelt da bei dir?«

      Der Chili trank seinen Jackie D. aus, schenkte sich nach und hielt die Flasche fragend über den Tisch. Der Auer winkte ab und Chili füllte sich nach: »Der Schiermeier war vor einiger Zeit hier. Das war, warte mal …« Er schaute nach oben, schnippte dann mit den Fingern und meinte: »Vorige Woche Montag. So gegen zwei Uhr in der Früh. Er hatte drei Kerle von einem Imker-Verein dabei, denen wollte er ein Grundstück abluchsen.«

      »Imker, was? Da kannste mal sehen. Immer diese Imker.«

      »Lass mich ausreden. Der eine, so ein mehläugiger dicker Schmierlappen, sagte zu meinem Mädel da draußen: ›Jetzt machst uns schnell einmal vier doppelte Biena-Coladas, Schnucki‹, und die blonde Torte kommt doch glatt zu mir rein und fragt, was ein Biena-Colada ist. Ob das was mit Bienen zu tun hat, ob da Honig reinkommt. Und ich sag: kein Honig, sondern ganze Bienen. Die Imker essen keinen Honig, die kauen die Bienen. Und Blondie staunt mich an und sagt: ›Ihhhh, echt jetzt?‹, und dann noch: ›Aber Chef, wir haben doch gar keine Bienen hier.‹ Max, mein Alter, mit so einem Personal musst du heutzutage arbeiten. Auf jeden Fall, der Schiermeier fängt mich bei einem Gang durch den Laden ab und meint, ich soll die drei schlappen Willis an der Bar richtig abfüllen, Preis spielt keine Rolle. Was hast du mit dem zu tun? Sind denen ein paar Bienen entflogen?«

      Der Chili lehnte sich lächelnd in seinem Stuhl zurück: »Und der junge