Karin Bucha ist eine der erfolgreichsten Volksschriftstellerinnen und hat sich mit ihren ergreifenden Schicksalsromanen in die Herzen von Millionen LeserInnen geschrieben. Dabei stand für diese großartige Schriftstellerin die Sehnsucht nach einer heilen Welt, nach Fürsorge, Kinderglück und Mutterliebe stets im Mittelpunkt.
Eröffnung der Wintersaison in der Pariser Opéra. Die Place de l'Opéra scheint zu klein für die chromblitzenden Wagen, die in endloser Kolonne über die Boulevards heranrollen, vor dem Portal der Opéra halten, ihre Gäste aussteigen lassen und sich dann auf die Parkplätze verteilen. Obgleich der sich seinem Ende zuneigende Tag ein Herbsttag war, ist die Luft flirrend weich und süß – wie im Frühling. Sie ist so verlockend, dazu das große gesellschaftliche Ereignis, der Wiedereröffnung der Opéra, daß ein nicht endenwollender Strom Neugieriger am Haus der Musen vorüberzieht. Wenigstens die Auffahrt der eleganten Wagen will man gesehen haben. Der heutige Abend steht ganz im Zeichen des Balletts. An den Litfaßsäulen, auf den Programmen prangt in großen Lettern der Name des weltbekannten und berühmten Geschwisterpaares Cary. Sie sind bezaubernd, diese beiden talentierten Geschöpfe, die sich äußerlich wie ein Ei dem anderen gleichen, nur die Farbe des Haares ist von einem geradezu faszinierenden Kontrast: die eine tiefschwarz – die andere silberblond. Barbara und Bettina Cary! Auch der Großindustrielle Alexander Kostan findet die beiden Tänzerinnen allerliebst. Vor allem Barbara, die mit den dunklen Locken, verehrt er ganz besonders. Er hat sich an ihre Fersen geheftet, nachdem er auf einem Schiff nach den USA Gelegenheit hatte, sie bei einer Wohltätigkeits-Veranstaltung zu bewundern. Aber sie führten auf allen Reisen ein sehr zurückgezogenes Leben, die beiden Tänzerinnen, von ihrem Vater und zwei Bediensteten behütet und betreut. Alexander Kostan ist es nicht gelungen, sich Barbara irgendwie zu nähern, obgleich er nichts unversucht ließ. Wie vernarrt in dieses zarte Geschöpf, hat er ihr folgen müssen, über vier Erdteile hinweg. Fast täglicher Gast war er bei ihren Auftritten, und täglich wanderten die kostbarsten Blumenarrangements in die Garderobe Barbaras. Die Blumen wurden angenommen, die teuren, äußerst wertvollen Angebinde dagegen beharrlich zurückgesandt. Nun ist er dem berühmten Geschwisterpaar auch nach Paris gefolgt, um zugleich einen für ihn sehr wichtigen Verkauf zu tätigen, nämlich ein Haus in der Rue de Rivoli, das ihm durch ein Erbe mütterlicherseits zugefallen ist und das er überhaupt noch nicht kennt. Augenblicklich wohnt er im Ritz. Er hätte zu dieser Eröffnungsvorstellung auch zu Fuß in die Opéra gehen können.