Leni Behrendt nimmt längst den Rang eines Klassikers der Gegenwart ein. Mit großem Einfühlungsvermögen charakterisiert sie Land und Leute. Über allem steht die Liebe. Leni Behrendt entwickelt Frauenschicksale, wie sie eindrucksvoller nicht gestaltet werden können.
Kaum hatte Melanie die Küche betreten, begehrte der Mann auch schon Einlaß. Er lebte mit seiner Frau von einer Rente, mit der sie gerade so schlecht und recht auskamen, doch er verdiente sich durch Gelegenheitsarbeiten etwas dazu. Er blieb aber nur da, wo es ihm gefiel, und hier gefiel es ihm nicht. Daß er überhaupt noch herkam, geschah um des Mädchens willen, das ihm leid tat. «Das ist vielleicht ein Wetter!» schimpfte er an der Küchentür, die zum Hof führte, den triefenden Regenmantel kräftig schüttelnd. «Am liebsten wäre ich zu Hause geblieben, aber dann hätten Sie armes Wurm auch noch die Heizung versorgen müssen.» Brummend verschwand er im Keller, und als er in die Küche zurückkehrte, stand auf dem Tisch sein Frühstück, ein Topf Kaffee, zwei dickbelegte Schnitten und ein Schnaps. Wohl stand ihm nach Vereinbarung ein Frühstück zu, wäre aber nicht so üppig ausgefallen, wenn die Hausfrau es ihm zugeteilt hätte. Das wußte der Mann, der die Verhältnisse hier kannte. «Na, Fräuleinchen, das ist wieder mal recht reichlich», zwinkerte er Melanie zu. «Man gut, daß es die Geizig nicht sieht!» «Die Dame heißt Geisig», verbesserte das Mädchen, und er lachte. «In unserer Ecke hier ist sie Geizig, weil sie geizig ist und ihr Sohn nicht weniger. Allerdings nicht in der eigenen Familie, da schlemmen sie.» Damit machte er sich über sein Frühstück her, während Melanie die Morgenschokolade kochte. Die Küche, sonst immer blank, war heute unaufgeräumt. Im Spülstein stapelten sich gebrauchte Töpfe und Geschirr, auf das Melanie verlegen zeigte.