"Sie ist kein bißchen dämonisch bemüht, alles geht wie von selber. Sie hat eine geradezu unschuldige Art zu verführen. Mag die Situation noch so bedenklich, mag ihr Kostüm noch so frech und herausfordernd sein, sie breitet über Kleid und Welt ihr holdes Lächeln. Darin ist nichts, was erobern oder erobert werden will. Es ist sanftmütig erregend und stillend zugleich. Es gilt nicht nur dem, den es trifft, so gut es auch für ihn paßt, es geht durch ihn hindurch, an ihm vorbei in die ganze Welt. Mit diesem Lächeln hat Marlene Dietrich Europa und Amerika erobert. Es ist in einem göttlicher und gemeiner als das all ihrer Rivalinnen." Der von den Nazis verfemte und daraufhin lange vergessene jüdische Autor Franz Hessel, zentrale Gestalt unter anderem der Münchner Boheme zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts und Wohngemeinschaftsgenosse der «Königin von Schwabing» Fanny Gräfin zu Reventlow, hat dieses frühe Porträt der einzigen deutschen Hollywoodschauspielerin von Weltruhm 1931 geschrieben, als der Stern der Dietrich gerade erst am aufgehen war. Trotzdem erfasst das schmale Bändchen das Wesen und den ganz eigenen verführerischen Zauber dieser Jahrhundertschauspielerin besser als so manche später erschienene dicke Schwarte. Dieser Text ist mehr als nur ein Zeitzeugnis der frühen Dietrich-Rezeption, er ist auch ein hellsichtiges Psychogramm und ein erkenntnisreicher filmästhetischer Essay über die Macht der bewegten Bilder in einem. Ein in sich selbst schon bezauberndes Büchlein, das es unbedingt wiederzuentdecken gilt.-
Berlin im Jahr 1924 – damals wie heute: ein Durcheinander. Alle kein Geld, keinen Status. Was zählt ist das Gefühl etwas zu bewegen. Karola flüchtet nach einer Partynacht zu Wendelin aus gutem Hause. Sie will fliehen. Wohin? Raus aus dem schillernden und wilden Berlin aus dieser Zeit?
In seinem Brief, den Arnold Wächter seinem französischen Freund Claude als deutscher Soldat schreibt, beschwört er die gemeinsame Pariser Zeit vor dem Ersten Weltkrieg. Das Paris der sogenannten Belle Époque ist Hot Spot für Künstler, Bohemiens, Feuilletonisten und die Jugend aller Nationen. Die ganze Stadt mit ihren Plätzen, großzügigen Parks und verwinkelten Quartiers bildet die lebendige Kulisse für das leichte, unbeschwerte Leben, «als alle Nationen vom Montparnasse sich in der Closerie des Lilas versammelten»: der Maler aus Norwegen, der Russe Dimitry mit seiner italienischen Freundin, Pamela aus Chelsea und der Amerikaner Herold, der Holländer Bouts und der zarte Maler Ephrussi. Man trifft sich in den Cafés, Museen, Theatern, auf Künstlerfesten und in den Ateliers und diskutiert über Kunst, Literatur und die Vision eines friedvollen Europas. Über dem ganzen Flair der beginnenden Moderne liegt die verführerische (nicht nur sexuelle) Emanzipation der Frauen außerhalb jeglicher Konvention. Die «Pariser Romanze» erzählt von der Begegnung Arnold Wächters mit Lotte, die im Pariser Pensionat ihre Französischkenntnisse verbessern soll. Weil sie Paris kennenlernen will, wird Arnold ihr väterlicher Begleiter. Wahrer Hintergrund dieser literarischen Beziehung ist die Ehe des Autors Franz Hessel mit der Malerin Helen Grund, Vorbild der Catherine in Truffauts berühmten Film «Jules et Jim».-
Der berühmte Flaneur Franz Hessel hat die Berlinerinnen beobachtet und ein kleines Sittengemälde entworfen. Seine Berlinerinnen zeigen Anmut und Gelassenheit Sie wissen Bescheid in Liebe, Mode und vielerlei Dingen. Sie sind lebenspraktisch und tüchtig, aber zu Gefühlen durchaus fähig, ohne sentimental zu sein.
Wenn wir die kleinen Prosastücke dieses inzwischen heilichen Klassikers lesen, so stoßen wir auf Passagen «die fast von einer Frau geschrieben sein könnten.» (Kurt Tucholsky). So zum Beispiel sein hinreißendes Porträt über Marlene Dietrich –, die Hessel in ihremAlltagzeigt: «kess, selbstbewusst, menschlich, witzig und in jeder Weise glänzend» (ManfredFlügge). Dieser Sammelband ist die ideale Lektüre für alle Berlin-Flaneure und Besucher.