Für Lotte Landberg und ihre zehnjährige Tochter Ronja ist die Welt in Ordnung – bis eines Tages Bodo, ihr Exmann, auf der Schwelle steht und das Sorgerecht für seine Tochter fordert. Empört weist Lotte ihn zurück. Doch sie weiß auch um die Gefahr, die von Bodo ausgeht. Er schreckt selbst vor Gewalt nicht zurück, um seine Ziele durchzusetzen. Die Mutter beschließt, Ronja nach Sophienlust zu bringen – in Sicherheit, wie sie glaubt …
Elise, die braune Mischlingshündin, hatte die letzte Stunde damit verbracht, im Schatten des kleinen Fliederstrauchs auf der Wiese zu liegen und die laue Luft zu genießen. Jetzt stand sie auf, streckte sich, gähnte dabei herzhaft und trabte schließlich über die Terrassentür in die Wohnung. Drinnen war Lotte Landberg gerade damit beschäftigt, die frisch gebügelte Wäsche zu sortieren, und schaute der mittelgroßen Hündin mit dem flauschigen Fell entgegen. Elise strebte zur Eingangstür der Erdgeschosswohnung und ließ sich dort auf den Fliesen nieder. Lotte schüttelte verständnislos den Kopf. «So langsam wirst du mir unheimlich, Elise. Dass du genau weißt, wann Ronja aus der Schule kommt und fünf Minuten vor ihrer Ankunft zur Tür gehst, hat Frau Hansen mir ja schon erzählt. Aber dass dir klar ist, dass Ronja in ein paar Minuten von der Geburtstagsfeier ihrer Freundin heimkehren wird, ist doch eigentlich unmöglich.» Obwohl sie es als unmöglich bezeichnet hatte, war Lotte Landberg sicher, dass ihre Tochter innerhalb der nächsten Minuten nach Hause kommen würde. Elise hatte ein unerklärliches Gespür dafür, wann Ronja aus der Schule kam. Egal, wo die Hündin sich gerade aufhielt, einige Minuten vor Ronjas Ankunft ging sie zur Eingangstür, legte sich dort hin und wartete auf das Mädchen. Das hatte ihr Frau Hansen berichtet, die rüstige Rentnerin, die unter der Woche auf Elise aufpasste, wenn Ronja in der Schule und sie, Lotte, bei der Arbeit war. Nun war die Schule ja meistens um dieselbe Zeit zu Ende, und man hätte annehmen können, dass Elise einer Art inneren Uhr folgte. Aber wann Ronja von der Geburtstagsfeier heimkehren würde, konnte die Hündin nicht wissen, und trotzdem ahnte sie es genau. Und tatsächlich: Nur wenige Minuten nachdem Elise ihren Platz an der Eingangstür bezogen hatte, wurde die Tür von außen aufgeschlossen. Die zehnjährige Ronja trat in die Diele und umarmte Elise, von der sie stürmisch begrüßt wurde. «Ich habe dir etwas mitgebracht», sagte Ronja, griff in ihre Jackentasche und zog eine Serviette hervor, in die sie ein Cocktailwürstchen eingewickelt hatte. Elise nahm den Leckerbissen freudig entgegen und folgte anschließend dem Mädchen, das zu seiner Mutter eilte. «Das war eine ganz tolle Geburtstagsfeier»
Völlig verschüchtert kommt der kleine Sascha nach Sophienlust. Die Ehe der Eltern ist zerbrochen. Für die Mutter, eine ehrgeizige Opernsängerin, ist das Kind einfach nur lästig, aber auch Vater Erik ist letztlich nicht bereit, Opfer zu bringen und sein Leben auf seinen Sohn einzustellen. Es ist Marthe Schmidt, die Nichte der Heimleiterin Else Rennert, die den Kleinen unter ihre Fittiche nimmt. Schon bald ist Sascha überzeugt: Tante Marty wäre eine prima neue Mutter für ihn! Allerdings will Vater Erik von der streitbaren jungen Frau, die ihm deutlich die Meinung sagt, überhaupt nichts wissen …
"Der Hölle Rache kocht in meinem Herzen", sang die Mama nun schon beinahe zwei Stunden lang mit sehr hoher Stimme und immer und immer wieder. Manchmal sang sie auch von einem lieben Sohn, der nicht zittern sollte. Ob sie ihn damit meinte? Aber er zitterte doch gar nicht. Und ihr lieber Sohn war er auch nicht. Na ja, ihr Kind war er schon, aber lieb hatte sie ihn wohl nicht. Meistens sagte sie nur: "Sascha, hau ab! oder: «Junge, du nervst mich.» Sie wollte immer nur singen. Einmal hatte sie ihm von einem Prinzchen vorgesungen, das einschlafen sollte. Das hatte ihm gefallen, denn es war ein leises und sehr schönes Lied gewesen. Heute sang die Mama jedoch laut und kraftvoll, sodass man es in allen Räumen der Wohnung und wahrscheinlich auch vor dem Haus und auf der Straße hören konnte. Alexander Janzen, von allen stets ›Sascha‹ genannt, spielte wie so oft in seinem schön eingerichteten Zimmer mit seiner Autorennbahn, hielt sich inzwischen aber schon die Ohren zu. Sagen durfte er allerdings nichts, sich beschweren schon gar nicht. Die Mutter wurde dann richtig unfreundlich und machte ihm überdies noch nachdrücklich klar, dass man sie unter keinen Umständen bei den Gesangsproben stören durfte. Sie musste ja die neue Partie einstudieren. Damit verdiente sie schließlich Geld, viel Geld. Gina Janzen war eine gefeierte Operndiva, die bereits an der Mailänder Scala und anderen großen Opernhäusern gesungen hatte, was sie oft genug betonte. Der Papa machte dann immer ein Gesicht, als hätte er in eine Zitrone gebissen.
"Nick, willst du in diesem Jahr mit unseren Kindern auch wieder ein kleines Theaterstück an einem der Adventssonntage aufführen, zu dem wir Gäste einladen können?", erkundigte sich Denise von Schoenecker bei ihrem Sohn. «Natürlich, Mama!» «Wenn ich mir dein Gesicht mit dem verschmitzten Lächeln ansehe, dann hast du sicher schon ein Stück ausgesucht und steckst bereits in den Vorbereitungen.» Nick lachte. «Wie gut du mich doch kennst», erwiderte er, stützte seine Ellbogen auf die Schreibtischplatte und sah die Frau, die ihm gegenübersaß, liebevoll an. Dann schob er das Manuskript, das ihm als Grundlage für seine Inszenierung dienen sollte, ein wenig zur Seite, damit sie den Titel nicht lesen konnte. «Du machst mich neugierig, Nick. Welches von den klassischen Märchen hast du denn ausgewählt?» «Keines, eher ein modernes. Bestehst du darauf, dass ich es dir erzähle, oder möchtest du dich in diesem Jahr vielleicht einmal von mir überraschen lassen?» Nick beobachtete seine Mutter aus den Augenwinkeln. Sie war bis heute immer noch seine wichtigste Stütze, ohne sie hätte er sein Erbe, das Kinderheim Sophienlust, gar nicht annehmen können. Jetzt seufzte sie, als stünde sie vor einer wichtigen Entscheidung, zu der sie sich nur schwer durchringen konnte. «Letzteres!», erwiderte sie endlich zögernd. «Okay, Mama.» «Gut, dann wäre das ja geklärt.» Denise stand auf, küsste ihren Sohn auf die Wange und sagte im Hinausgehen: "Du kannst bestimmt heute Nachmittag auf meine Anwesenheit verzichten.
Vicky Langenbach, das Mädchen aus Sophienlust, sorgt sich um ihre Schulfreundin Eva Lohner, die schon seit Längerem bedrückt und traurig wirkt. Endlich kann Vicky aus ihr herausfragen, dass die Mutter krank ist und der Vater offenbar nichts von seiner Tochter wissen will. Warum das so ist, weiß Eva nicht. Für Vicky ist klar: Die Freundin muss nach Sophienlust kommen, damit sie wieder fröhlich werden kann!
Melodisch läutete die Schulglocke die nächste Unterrichtsstunde ein. Der Pausenhof war voll Kinder jeglicher Jahrgangsstufen, die nun in das Gebäude zurückströmten. Vicky Langenbach allerdings, die im Kinderheim Sophienlust lebte und dort sehr glücklich war, marschierte zielstrebig auf die nicht sehr hohe Mauer zu, die den Pausenhof in zwei Hälften teilte. Mühelos schwang sie sich auf das Mäuerchen und ließ die Beine baumeln. Aus einer Stofftasche holte sie eine Dose mit dem Pausenbrot hervor. Unvorhergesehen würde nämlich die nächste Schulstunde ausfallen, weil Herr Krämer, der Fachlehrer für Kunstunterricht, plötzlich krank geworden war. Vicky mochte Herrn Krämer sehr gern, doch eine Freistunde war natürlich auch nicht zu verachten. «Eva, magst du dich zu mir setzen? Du kriegst auch die Hälfte von meinem Pausenbrot!» Vicky hob die rechte Hand und winkte ihrer Freundin zu. «Hier bin ich!» Sie klatschte mit der Handfläche auf den freien Platz neben sich und strahlte Eva an. Eva Lohner, ein hübsches blondes Mädchen von zwölf Jahren, blieb abrupt stehen. Sie, die sonst so fröhlich und aufgeschlossen war, schien über die Einladung gar nicht begeistert zu sein. Mit gesenktem Kopf marschierte sie auf die Mauer zu. «Ich mag nichts essen», brummelte sie, setzte sich jedoch neben Vicky. Die spürte sofort, dass etwas ganz und gar nicht in Ordnung war mit der Schulfreundin. "Geht es dir nicht gut, Eva? Du siehst traurig aus.
Bisher hat der zehnjährige Simon van Beek ein behütetes Leben bei seiner Großmutter geführt. Als die alte Dame schwer krank in die Klinik kommt, bricht eine Welt für den verwaisten Jungen zusammen. Zwar plant die Jugendfürsorge, Simon in Sophienlust unterzubringen, doch der Junge hat schreckliche Vorstellungen von einem Kinderheim. Dass er seinen Papagei Hugo mitnehmen kann, ist immerhin ein erster Trost für ihn. Wird es den Menschen in Sophienlust gelingen, Simons Vertrauen zu erringen?
Vorsichtig legte Simon die beiden Bügel des Nussknackers um die Paranuss und drückte mit seinen Fingern behutsam zu. Die Nuss sollte nicht geöffnet werden, sondern nur einen kleinen Riss bekommen. Wie oft der zehn Jahre alte Junge das schon gemacht hatte, konnte er nicht sagen. Meistens war es ihm gelungen, genau den gewünschten kleinen Riss zu erzeugen. Manchmal war die Nuss aber auch in mehrere Teile zersprungen, worüber er dann immer recht enttäuscht war. Aber heute hatte es wieder funktioniert. Deshalb nahm der Junge die Nuss und trug sie zu dem Kletterbaum, auf dem der Papagei Hugo saß. Die Blaustirnamazone gehörte Simons Oma, war jetzt ungefähr sechs Jahre alt und hatte sich vom ersten Tag an als regelrechtes Sprachtalent gezeigt. Hugo plapperte alles nach, was er einmal gehört hatte, und konnte inzwischen auch so manche Redewendung den jeweils geeigneten Situationen zuordnen. «Danke! Leckeres Nüsschen. Lecker, lecker für Hugo», sagte der Vogel klar und deutlich, bevor er Simon die Nuss vorsichtig mit seinem Hakenschnabel aus der Hand nahm. Der winzige Riss in der Schale reichte dem Papagei, um dort anzusetzen und die Schale innerhalb weniger Sekunden vollständig aufzubrechen. «Irgendwann knacke ich dir die Schale nicht mehr an», erklärte Simon. «Du kommst ja ohne Probleme ganz allein mit den härtesten Nüssen zurecht. Dein Schnabel ist wirklich super.» "Schnabel super. Hugo super.
Weil ihre Eltern einen Forschungsauftrag im fernen Peru angenommen haben, kommt die fröhliche Clara nach Sophienlust. Ganz besonders freundet sie sich mit Angelika Langenbach an, deren kleine Schwester Vicky auf Klassenreise ist. Bei einem Spaziergang finden die beiden Mädchen einen niedlichen weißen Hund. Doch er ist verletzt …
"Das Frühstück ist fertig und ein weich gekochtes Ei wartet auf dich. Ich glaube, es ist perfekt. Also, das Ei! Kommst du jetzt, Schätzchen?", rief Julia Bauer laut durch den Flur im Erdgeschoss. «Sonst wird es kalt, und dann schmeckt es nicht mehr!» Da sie keine Antwort bekam, trat sie aus der Küche in den Flur und ging zur breiten Holztreppe, die in den ersten Stock führte. Erneut rief sie nach ihrer Tochter: «Clara? Hast du gehört, was ich gesagt habe?» «Jaaa, Mamsi. Bin schon auf dem Weg zu dem leckeren Eichen», antwortete Clara, die nun oben an der Treppe auftauchte. Immer zwei Stufen auf einmal nehmend, sprang sie hinunter und stand auf einmal ganz dicht vor ihrer Mutter. Die erschrak ein wenig und zuckte mit dem Oberkörper zurück. «Hoppla, das ging ja jetzt doch überraschend schnell», sagte sie, schüttelte den Kopf mit den blonden Locken und kniff ihre blauen Augen zusammen. Clara beugte sich vor und umarmte ihre Mutter. Die beiden waren fast gleich groß, dazu noch die gleichen wilden Locken auf dem Kopf. Nur dass Clara braune Haare und braune Augen hatte, ihre Mutter blonde Haare und blaue Augen. Auch charakterlich waren sie sich sehr ähnlich: Beide waren sie geborene Optimisten und schauten immer positiv in die Zukunft.
Das Schicksal meint es nicht gut mit der jungen Nelly. Von ihrem Stiefvater als Haushälterin ausgenutzt, glaubt sie an die große Liebe zu ihrem Freund Daniel. Doch kaum erfährt der, dass Nelly ein Kind von ihm erwartet, trennt er sich eiskalt von ihr. Als auch noch der Stiefvater ausrastet, bleibt Nelly nur noch eins: die Flucht zu ihrer entfernt lebenden Großmutter. Doch auf dem Weg dorthin bricht sie zusammen …
Die Frau mochte Anfang siebzig sein, war schlank, gut frisiert und elegant gekleidet. Aber sie war sichtlich nervös, ihre Hände zitterten, und manchmal war sie sogar den Tränen nahe. Denise von Schoenecker vermutete, dass sie krank war oder einfach nur überfordert. Ihre Enkelsöhne – zehnjährige Zwillinge mit Namen Bodo und Benno – schienen an der Verfassung der Oma einen erheblichen Anteil zu haben. Die beiden saßen zwar wie Unschuldslämmer auf der gepolsterten Bank, kicherten aber von Zeit zu Zeit und stießen sich gegenseitig bedeutungsvoll an. «Mein Sohn hat gesagt, dass er und seine Frau höchstens ein Vierteljahr wegbleiben werden», erklärte Charlotte Neumüller nun. «Das wäre ja noch zu ertragen, habe ich mir gedacht. Nun aber erklärt er mir, dass der Forschungsauftrag ein ganzes Jahr und vielleicht noch länger dauert und er und Lena unbedingt dabei sein müssen. Ein ganzes Jahr diese beiden Rangen, das halte ich nicht aus. Nie tun sie, was ich ihnen sage …» «Aber Oma, wir können doch nicht den ganzen Tag stillsitzen und mit Bauklötzen spielen», warf Bodo laut und entrüstet ein, und Benno fügte hinzu: «Ist doch echt langweilig, ey.» Denise musterte die beiden einige Augenblicke und sagte dann ungewohnt resolut: «Ich habe mit eurer Großmutter zu reden. Da habt ihr euch nicht einzumischen. Seid also leise. Ist das klar, Jungs?» Der strenge Tonfall schüchterte die Zwillinge zwar nicht ein, sie grinsten nur, hielten aber doch den Mund. Sie sagten auch nichts, als die Großmama schluchzend hervorstieß: «Ich bin 71 Jahre alt und habe neben einigen anderen Beschwerden ein Augenleiden, das ständig behandelt werden muss. Ich kann die Jungen einfach nicht über einen so langen Zeitraum betreuen und bitte Sie daher, Bodo und Benno hier aufzunehmen, bis die Eltern wieder da sind.»
Schweren Herzens bringt Steffen von Rabenau seine Tochter Florentine nach Sophienlust. Er muss beruflich nach Norwegen, und seine Mutter, die sich eigentlich um das Mädchen kümmern wollte, hat sich kurz entschlossen eine Weltreise gegönnt. Aber Florentine fühlt sich in Sophienlust auf Anhieb pudelwohl. Was für ein Unterschied zu der düsteren Familienvilla, in der sie sonst leben muss! Und dann erwacht ihre Neugier, als Henrik von Schoenecker Stein und Bein schwört, dass er jemanden kennt, der Florentine total ähnlich sieht …
Das schicke schwarze Cabriolet fuhr die lange Auffahrt zum Herrenhaus Rabenau in einem hohen Tempo entlang. Dann bremste die Fahrerin scharf und kam direkt vor der breiten Eingangstreppe zum Stehen. Sie zog schnell und fest die Handbremse an und öffnete die Fahrertür, während sie den Schlüssel aus dem Zündschloss zog. Ein kurzer kritischer Blick in den Rückspiegel sagte ihr, dass sie trotz ihrer 58 Jahre eine schöne Frau war. Die halblangen braunen Haare waren immer sorgfältig gefärbt und in sanfte Locken gelegt. Ihre Augen hatte die Farbe von klarem Eiswasser und der Teint ihrer Haut wirkte frisch und gesund und war zudem fast völlig faltenlos. Isolde von Rabenau atmete einmal tief durch und stieg dann elegant aus ihrem teuren Sportwagen. Lässig warf sie die Tür zu und blickte dabei wohlwollend an sich herab. Sie war stolz darauf, so gut in Form zu sein und strich sich, zu ihrer eigenen Bestätigung, mit der Hand über ihren eng anliegenden Rock und fühlte die darunter liegenden trainierten Bauchmuskeln. Das war alles harte Arbeit und viel Verzicht, ging es ihr durch den Sinn, und hochmütig warf sie den Kopf in den Nacken. Dabei schaute sie zum Himmel und sah, dass sich dunkle Wolken vor die Sonne schoben. Schnell drückte sie noch einen Knopf auf dem Autoschlüssel, um das Verdeck des Autos zu schließen. Sie beobachtete, wie es langsam über den teuren Wagen glitt und sich dann mit einem hörbaren Klacken schloss, während sie schon Stufe für Stufe die Treppe zum Herrenhaus hinaufstolzierte. In diesem Moment kam ihr Sohn Steffen aus dem Haus und nickte ihr zu, als er schnell an ihr vorbei die Treppe hinunterlaufen wollte. «Du scheinst es eilig zu haben», stellte sie fest und schaute ihn kalt an. «Ich muss mit dir reden. Nein, nicht reden», sagte sie und schüttelte den Kopf. "Ich will dir etwas mitteilen.
Schon wieder kommt eine junge Praktikantin nach Sophienlust: Bella Feldmann will hier erste Erfahrungen für ihren zukünftigen Beruf sammeln. Besonders viel Freude hat die junge Frau bald an David und Ellen Geissler. Die Geschwister werden immer dann in Sophienlust einquartiert, wenn ihr alleinerziehender Vater Hans, der Schauspieler ist, zu auswärtigen Dreharbeiten muss. Als sie ihn kennenlernt, gesteht sich Bella ein, dass ihr Hans Geissler sehr gut gefällt. Aber er scheint trotz der Trennung noch immer mit seiner reichen Frau Liane verbandelt zu sein …
Verblüfft stoppte Bella Feldmann ihren rosaroten Cooper Mini vor dem weit geöffneten schmiedeeisernen Einfahrtstor von Sophienlust und betrachtete das Transparent mit den krakeligen bunten Buchstaben, von denen einige fantasievoll als Tierfiguren oder Blumen ausgestaltet waren: ›Herzlich willkommen! ‹, lautete die Aufschrift. Bestimmt hatten die Kinder von Sophienlust dieses kleine Kunstwerk geschaffen! Bellas Herz schlug höher. Ob… ob der Willkommensgruß ihr galt? Unsinn, wies Bella sich zurecht. Wieso sollten die Kinder ausgerechnet ihr eine so freudige Überraschung bereiten? Sie kam schließlich nur als Praktikantin nach Sophienlust. Und auch das nur für ein paar Monate. Trotzdem holte Bella ihr Handy aus der Jackentasche, um ein Erinnerungsfoto zu schießen. Sie konnte einfach nicht anders. Gerade war sie im Begriff, den Auslöser zu drücken, als wie aus dem Nichts eine johlende, lärmende Kinderschar auf sie zugelaufen kam. Die meisten der Kinder hielten einen Luftballon in der Hand. Als sie ganz nahe waren, ließen sie wie auf ein stummes Kommando fast gleichzeitig ihre Luftballons los, sodass diese in einer bunten, in allen Regenbogenfarben leuchtenden Traube in den Himmel stiegen. Völlig überwältigt starrte Bella den Luftballons nach. Im nächsten Moment war sie von der Kinderschar umringt. «Willkommen bei uns! Du bist bestimmt die Pra-Praktiantin», ergriff ein vorwitziger kleiner Junge das schwierige Wort. Bella musste lachen.
Im Supermarkt beobachtet Nick von Wellentin-Schoenecker, wie ein Mädchen vergeblich versucht, Hundefutter zu stehlen. Der kleinen Diebin gelingt die Flucht, aber Nick geht die Kleine nicht aus dem Kopf. Sein Instinkt sagt ihm, dass sie dringend Hilfe benötigt. Wenig später berichtet ihm sein Halbbruder Henrik aufgeregt, im alten Schuppen von Schoeneich spuke es. Und Denise hört spät am Abend ein schwaches Bellen …
Zufrieden verließ Nancy Hagen das kleine, aber erlesene Modegeschäft, das im Ortszentrum direkt am Marktplatz lag. In einer Hand trug sie die aus Leinen gewebte Tragetasche, in der sich die erstandene Kleidung befand, mit der anderen Hand zerrte sie ihren sechs Jahre alten Neffen Benjamin hinter sich her zum Auto und forderte ihn auf, einzusteigen. Der Junge gehorchte, seinem Gesicht war allerdings deutlich anzusehen, dass dies widerwillig geschah. «Muss ich diese Sachen wirklich an meinem ersten Schultag anziehen?», erkundigte Benjamin sich, nachdem auch seine Tante eingestiegen war und hinter dem Lenkrad Platz genommen hatte. «Sie gefallen mir überhaupt nicht, und die schwarze Hose kratzt ganz doll auf der Haut.» «Ach was, das kommt dir jetzt nur so vor», meinte Nancy abwinkend. «Wenn du sie erst einmal eine halbe Stunde getragen hast, kratzt da nichts mehr. Diese Hose ist aus wertvollem englischen Tuch gefertigt. Das ist einer der teuersten Stoffe, die man sich vorstellen kann. Die anderen Kinder, die zusammen mit dir in die Schule kommen, werden dich um dieses schöne Stück beneiden. Auch das hellblaue Hemd steht dir ausgezeichnet und ist von bester Qualität. Damit fällst du sofort auf, und alle merken, dass du aus einem guten Haus stammst, in dem man sich etwas leisten kann.» «Ich will aber gar nicht beneidet werden», erklärte Benjamin. «Und ich will auch nicht angeben. Kann ich nicht einfach ganz normale Sachen anziehen, so wie die meisten anderen Kinder auch? Es reicht doch, wenn alles sauber und ganz ist.» Nancy schüttelte den Kopf.