Die beiden Guffas mi den je vier Arwenacks an Bord hatten sich losgerissen und befanden sich zwischen den tückischen Felsen in der Biegung. Das rauschende sprudelnde Wasser packte die leichten Boote und zog sie unwiderstehlich mit sich. Die Gefahr bestand, daß sie trotz ihrer Stabilität kenterten. Mit verbissenen Gesichtern versuchten Smoky und Stenmark mit ihren beiden Crews, einen Aufprall auf die Felsen zu verhindern. Wie von einem Katapult befördert, rasten die beiden Guffas zwischen die gefährlichen, scharfkantigen Steine. Die Paddel knallten gegen Widerstände. Die Rundboote taumelten und torkelten durch diese Wasserhölle. Sie drehten sich immer wieder um ihre eigene Achse. Und dann rasten sie auf die engste Stelle zu…
Unerlaubterweise übernahm Kapitän Granville von der «Discoverer» weitere Auswanderer, die mit zwei Booten zu der Galeone gepullt wurden. Das sollte alles schnell gehen und so passierte, was passieren mußte, als die beiden Boote längseits lagen. Von den Kerlen der «Discoverer» zur Eile angetrieben, drängten sich die Auswanderer an den Jakobsleitern, um aufzuentern. Dabei wurde das eine Boot einseitig belastet und kenterte. Im Nu war der Teufel los. Zwei der Rudergasten gingen über Bord, ein etwa zehnjähriger Junge versank schreiend in den Fluten. Ein hagerer Mann sprang ihm mit einem Schrei der Verzweifelung nach, erreichte ihn jedoch nicht mehr. Fast alle Auswanderer des gekenterten Bootes landeten in dem kalten Wasser. Sie begannen um sich zu schlagen und laut um Hilfe zu brüllen. Hasard und seine Arwenacks platzten fast vor Wut, während sie mit der Schebecke heransegelten…
Die Dschunke änderte nicht ihren Kurs. Der Kapitän und Opiumhändler Surya Bahadur ließ offenbar jeden Fetzen Tuch setzen, weil er eine Verfolgung der Arwenacks auf der «Santa Barbara» befürchtete. So kam, was kommen mußte: Das Schicksal der Kerle auf der Dschunke nahm seinen Verlauf. Mit einem unheimlichen Bersten, das bis zur «Santa Barbara» zu hören war, lief die Dreimast-Dschunke auf die höllischen Riffe. Sie bäumte sich auf und wurde wie von einer unsichtbaren Faust geschüttelt. Die Segel krachten samt ihrer Bambuslatten auf die Decks hinunter, an vielen Stellen ergossen sich sofort große Wassermengen in den Schiffsrumpf. Die meisten der Kerle sprangen über Bord und bemühten sich, das sinkende Schiff zu verlassen…
Chalid Abu Bakir hatte es geschafft, sich heimlich in der Nacht an Bord der «Santa Barbara» zu schleichen und unter der großen Jolle zu verstecken. Wenn er es richtig anpackte, würde die Galeone der Giaurs bald ihm gehören. Inzwischen war es Tag geworden, und er lauschte den Geräuschen an Deck des Schiffes. Und da erschien ein Schatten vor der schmalen Öffnung unter dem Bug der Jolle. Chalid erstarrte. Graues Fell, Pfoten. Ein heiseres Knurren war zu hören. Die Männerstimmen an Bord verstummten. Vor der Jolle schoben sich die Pfoten und das graue Fell der muskulösen Hundeläufe näher heran. Ein Bordhund! Chalid griff nach seinem Dolch. Das Knurren verstärkte sich…
Die Welt ging unter. Über die felsige Halde auf der Südseite des Silberbergs stach ein grellweißer Blitz, der meilenweit zu reichen schien und für Bruchteile von Sekunden aus der Dunkelheit die Konturen einer bizarren Mondlandschaft erscheinen ließ. Gleichzeitig zerriß ein berstender Donnerschlag die Nachtstille. Der Berg schien zu wanken, eine Druckwelle raste fauchend an der Höhle vorbei, obwohl sie mit der Südseite des Cerro Rico gewissermaßen in Lee lag. Aus der Höhlendecke lösten sich Steinbrocken. Hasard, Carberry und Dan O'Flynn zogen die Köpfe ein. Draußen vor der Höhle prasselte ein Trümmerhagel nieder, Steine zerplatzten beim Auftreffen auf felsigen Grund…
Es wurde ein Katz- und Mausspiel auf den Inseln der Falkland-Gruppe und zwischen den Passagen der öden Eilande. Immerhin hatte der irische Pirat Brian O´Lear eine Geisel – die hübsche Portugiesin Severa, mit der er meinte, den verhaßten Engländer Philip Hasard Killigrew erpressen zu können. Er verlangte von dem Seewolf die Übergabe der «Isabella» und des Viermasters der Roten Korsarin. Wenn nicht, so drohte er an, würde die Geisel über die Klinge springen. Die Seewölfe und die Männer der Roten Korsarin saßen ganz schön in der Patsche. Aber dann schien ihnen die Natur selbst zu helfen, denn auf der Insel, die der irische Pirat zu seinem Schlupfwinkel erkoren hatte, begann ein Vulkan Feuer zu spucken…
Es begann das fürchterliche Finale. Zwei brüllende Horden, fanatischen Glanz in den Gesichtern, brachen übergangslos aus den beiden Türen des großen Hauses. Haß stand in ihren Gesichtern, den sie wild in die Welt hinausschrien. In den Fäusten hatten sie Entermesser, Säbel, Degen und lange Piken. Sie waren vom Kampfrausch befallen. Wahnsinnige, die nur noch Haß, Vernichtung und Verderben kannten – und wenn es ihr eigenes Verderben war. Von dem «Liebet Eure Feinde» waren sie so weit entfernt wie der Mond. Einige hatten Schaum vor dem Mund. Sie rasten heran wie losgelassene unberechenbare Verrückte, und sie hieben mit ihren Waffen bereits um sich, noch bevor sie auf die Mannen vom Bund der Korsaren stießen…
Die Insel lag einsam in der unendlichen Weite des Stillen Ozeans. Daß eine Bande von Halsabschneidern und Meuterern auf dieser Insel gestrandet waren, wußten die Seewölfe nicht. Zuerst verschwanden Dan O´Flynn und der Gambia-Neger Batuti. Philip Hasard Killigrew ging mit einigen seiner Männer selbst nach den beiden auf die Suche – sie verschwanden ebenso spurlos. Als nächster Suchtrupp kehrten Carberry und seine Männer nicht mehr zurück. Erst jetzt demaskierte sich der unbekannte Feind und zwang die restlichen Seewölfe zu einer folgenschweren Entscheidung…
Batutis Fäuste wirbelten. Er hatte die Lippen zusammengepreßt. Er sah den Kutscher mit von sich gestreckten Gliedern im Staub liegen, und die Wut verlieh ihm ungeheure Kräfte. Wieder brachte er einen der Kerle mit einem Rundschlag von den Beinen. Zwei Männer hingen ihm auf dem Rücken und zerrten an seinem Burnus, der ihn beim Kampf ziemlich behinderte. Er bückte sich ruckartig, und einer der Kerle auf seinem Rücken flog ihm über die Schulter und riß einen weiteren Mann mit sich zu Boden. Der andere hatte sich so fest an Batutis Burnus geklammert, daß der Stoff auseinanderfetzte…
Smoky zitterte wie Espenlaub. Er war hinter Hasard auf eins der Riffe geklettert: wenn er schon von Geistern und Dämonen geholt werden sollte, wollte er wenigstens sehen, welcher Art sie waren. Jetzt sah er es. Seine Augen quollen vor, er hielt den Atem an und fiel fast ins Wasser, als er sich bekreuzigte. Sein Blick hing an dem Schiff mit der schwarzen Flagge. Sein Herz begann zu hämmern. Gerippe! Totenköpfe! Dämonenfratzen! Ein Geisterschiff, aber ein Geisterschiff mit geöffneten Stückpforten. Es wollte die «Isabella» angreifen…