Название | Nacht über der Prärie |
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Автор произведения | Liselotte Welskopf-Henrich |
Жанр | Исторические приключения |
Серия | |
Издательство | Исторические приключения |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783938305607 |
»Gibt es so viele Gangster in New City?« fragte Queenie. »Soviel ist dort doch gar nicht zu holen.«
Stonehorn lachte leise, aber hörbar. »Es ist wirklich nicht viel zu holen in dem Städtchen, außer ein wenig Rauschgift im Zwischenhandel. Aber durch die neue Industrie ist allerhand Volk dahin gezogen, und es ist mit seinen Slums eine Art Arbeitskräftereserve und Vorschule für Banditen geworden, die dann später zu lukrativeren Plätzen gehen. Manchmal sind die Anfänger nicht die Schlechtesten. Sie müssen erst etwas werden, und sie riskieren unbedachter. Sie geben sich auch noch mit verhältnismäßig kleinen Sachen ab. Natürlich sind in New City keine bedeutenden Gangs. Es kann aber sein, und es wird so sein, dass sich zum Rodeo auch Leute von außerhalb einfinden, und an mir wollen sie ein Exempel statuieren, was es bedeutet, abtrünnig zu werden. Ich will nicht lebend in ihre Hände fallen. Dann wäre ich noch lieber an den Marterpfahl meiner Vorfahren gegangen. Das war wenigstens ein zeremonielles Ereignis mit achtungsvollen Zuschauern, und der Nachruhm blieb. Wenn die aber anfangen zu arbeiten, von denen ich jetzt spreche, so bleiben höchstens ein paar Fleischklumpen übrig.«
»Kannst du die Verbrecher nicht der Polizei melden?«
»Liebes Kind! Bevor sie etwas getan haben? Und wenn es erst geschehen ist – nun, Tashina, ein Toter redet nicht mehr.«
»Du darfst da nicht hingehen, Stonehorn.«
»Hör mir auf mit solchen Sentimentalitäten. Das kann ich nicht vertragen. Ich habe mich hier mit dir zusammengesetzt, damit wir vernünftige Pläne schmieden, und nicht, damit wir Schwachheiten flüstern. Es kann also sein, dass du in ein oder zwei Tagen ohne mich auf der Welt stehst. Du weißt, ich habe es mir lange überlegt, ob ich zu diesem Rodeo gehen soll. Ich gehe auch nicht deswegen hin, weil Eivie mich dazu überredet hat. Stonehorn ist nicht der Mann, der sich beschwatzen lässt. Ich gehe hin, weil es einmal ausgetragen werden muss, und bei diesem Rodeo wird mehr los sein und mehr Aufsehen entstehen, und ich kann ihnen mehr zusetzen, als wenn ich irgendwann einmal allein in diesem New City auftauche, um Hafer zu kaufen oder Elk zu besuchen oder mich bei meiner Schwester sehen zu lassen. Da können sie mir auflauern und mich unter der Hand verschwinden lassen. Sie könnten auch auf die Reservation kommen. Ich warte jedenfalls nicht ab, was die anderen planen, sondern ich stelle mich. Ich stelle mich in einer Situation, die ich mir ausgesucht habe und die ich ausnützen werde bis zum letzten Atemzug.«
»Ich heirate aber keinen anderen, Stonehorn. Nie.«
»Du musst wissen, was du willst. Verdienen kannst du allein genug mit deiner Malerei – für dich und für das Kind. Aber ich dachte, du würdest hier auf der Reservation etwas ausrichten … auch für die anderen … damit sie ein Vorbild haben und wieder Mut bekommen. Deshalb musst du entweder die Ranch weiterbetreiben, und dazu brauchst du einen Mann, besonders im Winter, oder du musst dich einem Betrieb anschließen.«
»Du hast mit der Ranch angefangen. Ich will, dass es damit weitergeht.«
»Mit dem Wollen allein ist es nicht getan. Man muss es können. Du wirst ja sehen. Jedenfalls weißt du jetzt, worum es geht. Aber es gibt noch eine Neuigkeit, die du erfahren sollst.«
»Hoffentlich eine bessere.« Queenie wunderte sich selbst, wie sachlich zu sprechen sie imstande war, weil Stonehorn es so wollte.
»Eine spaßhafte jedenfalls. Harold Booth ist wieder da.«
»Harold? Auf der Farm?«
»Noch nicht. Ich habe ihn in New City gesehen.«
»Ein Glück! Nun ist aller Verdacht aus der Welt geschafft.«
»Ehe es mit mir aus sein wird, Tashina, wünsche ich ihn in das Konzert um Gottes Thron, und er kann dort den Bass singen. Wenn er nicht falsch singt. Er sollte nicht der Nachbar von Joe Kings Witwe werden.«
Ehe Tashina auch nur das geringste Zeichen einer Antwort geben konnte, war Stonehorn aufgestanden, und als sie das gleiche tat, legte er seinen Arm um ihre Schulter. Die beiden schauten zu den weißen Bergen hinüber, die nach Sonnenuntergang in einem Nebelschleier ihre Geheimnisse bargen.
»Hat mein Vater dir gesagt, dass jene Berge das Grabmal unseres größten Häuptlings sind …?«
»Er sagte es.«
»Wir brauchen kein Monument. Wir wissen nicht, wo er begraben liegt. Seine Mutter ruht auf dem Friedhof neben uns. Du kannst dich manchmal auch zu diesem Stück Erde setzen.«
»Ja.«
Langsam gingen die beiden zu ihrem Haus zurück.
Als sie gegessen hatten und beieinander lagen, fragte Tashina: »Stonehorn, was kann ich tun? Ich liebe dich viel mehr als mein Leben.«
»Ich nehme dich beim Wort. Bleib daheim, wenn ich zum Rodeo gehe.«
Tashina erschrak: »Nein. Das nicht. Das darfst du nicht verlangen.«
Er sagte nichts weiter. Es war die letzte Nacht, die sie daheim beisammen waren, denn als Teilnehmer fuhr Stonehorn einen Tag früher zur Rodeo-Stadt als die Zuschauer.
Auch der neue Morgen war wieder stürmisch. Gegen Mittag kam Tashinas Großmutter, zu Pferd. Sie wollte das Opfer bringen, wollte auf das Rodeo verzichten und unterdessen für die Pferde sorgen und das Haus behüten. Sie war eine alte magere Indianerin mit strengen Zügen und dünnem, grauem Haar, das sie in der Mitte gescheitelt trug. Sie war über neunzig Jahre alt und hatte die letzten Freiheitskämpfe und die schwersten Anfangszeiten der Reservation als Kind noch miterlebt. Es gab kaum etwas, was sie erschrecken konnte. Als Tashina diese Frau sah, wurde sie im Innern ruhiger. Wie oft hatten Indianerfrauen es erlebt, dass ihre Männer in den Kampf zogen, und nie hatten sie gewusst, ob sie wiederkehren würden.
Um Mittag saßen Stonehorn und Tashina in ihrem Wagen. Die Großmutter winkte nicht, aber sie schaute den beiden noch nach, als der Wagen schon auf der Talstraße unten angelangt war und seine Geschwindigkeit beschleunigen konnte. Der Wagen hatte als Sportwagen die Karosserie eines Cabriolets. Es war ein Zweisitzer. Stonehorn fuhr ihn offen.
Tashina dachte einen Augenblick, dass man ohne Dach einem Schuss noch mehr ausgesetzt war, und Stonehorn schien ihrem Blick und vielleicht einer Kopf- und Schulterbewegung entnommen zu haben, woran sie dachte, denn er sagte:
»Unsere Vorfahren haben nackt gekämpft. Ich tue das auch gern, wo es möglich ist. Nackt im offenen Gelände. Kleider und Wände behindern nur die Bewegung und die Übersicht. Aber das ist natürlich Geschmackssache. Mike zum Beispiel will immer etwas um sich haben, und ich kann nicht sagen, dass er darum viel schlechter sei als ich.«
»Wer ist das, Mike?«
»Er ist Gangsterboss, und er ist mein Boss gewesen. Er wird morgen nach New City kommen, daran gibt es keinen Zweifel. Wenn du schon durchaus mit dabeisein willst, kannst du mir etwas helfen. Ich muss wissen, wo und wann Mike und Jenny auftauchen.«
»Wie sehen sie aus?«
»Mike hat eine Boxernase. Er war Schwergewicht, nicht Weltklasse, aber nahe daran. Ein Nierenschlag hat ihn ausgebootet. Das ist nach wie vor seine schwache Stelle. Er hat eine unverständige Angst davor, dass sich so etwas wiederholen könnte. Aber das geht dich nichts an. Du musst auf das rechte Auge schauen. Das Lid ist zerfetzt. Er wirkt wie ein Bär, nicht wie ein alter Grizzly, sondern wie ein geprügelter, heimtückisch gewordener Zirkusbär. Er hat auch eine Brummstimme. Was er bevorzugt, sind rosa Halstücher mit blauen Streifen. Er lässt sie sich anfertigen. Das ist eine kindische Manie von ihm. – Ich muss also wissen, wo er auftaucht. Er ist viel schneller, als ihm einer zutraut, vor allem mit der Maschinenpistole. Colt hat er schon halb verlernt. Er ist der Eintreiber gegen mich.«
»Warum will er dich vernichten?«
»Er hat mich seinerzeit herangeholt, ich galt als sein Geschöpf, und darum ist er als erster mein Femerichter. Jenny hasste mich von der ersten Begegnung an, wie ich ihn. Jenny hat mir auch meine Gang aus der Hand gewunden und zu einem Haufen Dreck gemacht, während ich in Untersuchungshaft war. Sie hatten mich in einem Mordprozess als Strohmann