Название | Seewölfe - Piraten der Weltmeere 100 |
---|---|
Автор произведения | Roy Palmer |
Жанр | Языкознание |
Серия | Seewölfe - Piraten der Weltmeere |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783954394241 |
Hidduk – der einzige, der Hasard zu der Mine der Esmeraldos führen konnte – hatte sich daher bereit erklärt, als „Lotse“ zu fungieren. Sechs seiner besten Männer hatte er als Begleiter ausgewählt, er würde sie vor allem dann brauchen, wenn sich die Krieger wieder von den Seewölfen und Siri-Tong-Piraten trennten. Er allein konnte die Piragua nicht zu den Galápagos zurücknavigieren.
Hasard griff mit beiden Händen in die Schatulle und ließ den Diamantschmuck durch seine Finger gleiten. Er zweifelte nicht daran, daß die Anhänger und Diademe, die Broschen, Reifen und Ringe von den Chibcha-Indianern hergestellt worden waren. Die Chibchas galten als geschickte Goldschmiede und Handwerker, sie sollten sogar eine große Krone verfertigt haben, über und über mit Smaragden besetzt – zur Ehrung ihrer Götter.
Sie hatten eine ziemlich hohe Kulturstufe erreicht, diese Ureinwohner von Neu-Granada. Bevor die Konquistadoren erschienen waren, hatten sie friedlich Mais und Kartoffeln gezogen, Gold geschmiedet, baumwollene Gewänder gewebt und gute Straßen gebaut. Wie die Azteken und Inkas beteten auch sie zur Sonne, und bei ihrem großen Götterfest sollte ein ganz mit Goldstaub bedeckter Kazike in einem See gebadet haben.
El Dorado und Berge von grünfunkelnden Diamanten, so viele, wie Fische im Meer waren – Legenden, die Wirklichkeit waren. Wo immer die Conquista auf solche Schätze in der Hand von friedfertigen Völkern gestoßen war, hatte sie ihre abstoßendsten Triumphe gefeiert. Francisco Pizarro und seinesgleichen waren dereinst Schweinehirten und Hidalgos, Verbannte und Geächtete gewesen, aber das änderte nichts an ihren Erfolgen.
Völker wie die Chibchas waren heute nur noch Schatten ihrer selbst. Die Unterdrückung, die Dezimierung, die Maßlosigkeiten der Spanier hatten sie zu willenlosen Sklaven herabgewürdigt. Sie lebten nicht, sie vegetierten nur dahin.
Hasard war weder Fanatiker noch Idealist, verband jedoch seinen Auftrag, Englands Einfluß zur See und in der Neuen Welt zu stärken, mit diesem zweiten Ziel: den zu Unrecht Gequälten zu helfen.
Hasard hätte Sabreras an dessen Befehlshaber verraten können, denn der Kommandant scheffelte fleißig in die eigene Tasche, während er doch eigentlich die gesamte Ausbeute der Smaragdmine über Panama heim nach Spanien zu bringen hatte. Er betrog somit die Casa de Contratación und Seine Allerkatholischste Majestät, König Philipp II. – doch das schien ihn wenig zu stören.
Aber es war nicht Hasards Stil, ein solches Schlitzohr zu verpfeifen. Hinten herum handeln wie die Intriganten und Hofschranzen, das lag ihm ganz und gar nicht. Ganz abgesehen davon, daß die Spanier als ersten ihn festnehmen würden, sobald er sich ihnen zeigte. Ihr Eifer, ihn zu packen, würde noch durch die Belohnung geschürt, die die spanische Krone auf ihn ausgesetzt hatte.
Eine weitere Möglichkeit wäre es gewesen, Sabreras auf San Cristóbal aufzulauern. Aber nach Hidduks Angaben würde Sabreras erst in „ein, zwei Monden“ mit einer neuen Ladung Esmeraldos die Insel anlaufen, und das dauerte dem Seewolf zu lange.
Statt auf Sabreras zu warten, suchte er ihn auf. Es brachte ihn noch mehr von seinem ursprünglichen Kurs ab – von dem Weg nach China. Aber das nahm Hasard in Kauf. Er verschob die Überquerung des Großen Ozeans um ein paar Wochen. Was spielte das jetzt noch für eine Rolle! Er hatte so viele Aufenthalte gehabt, auf einen Monat mehr oder weniger kam es auch nicht mehr an.
Dabei nahm er sich natürlich vor, die Dinge in Neu-Granada so rasch wie möglich zu forcieren und abzuwickeln.
Er war so tief in seine Gedanken verstrickt, daß er das Geräusch hinter sich kaum zur Kenntnis nahm.
Dann aber, urplötzlich, sagte er sich, daß der Laut nur von der Tür herrühren konnte, die auf die Heckgalerie führte. Er hatte die Galerie vorher für kurze Zeit betreten, um nach dem schwarzen Segler, Wind, See und Stand der Sterne zu schauen. Danach hatte er sich in seine Kammer begeben und die Tür zugezogen, jedoch nicht verriegelt.
Seine Gedanken rissen ab. Er konzentrierte sich nur noch auf das, was hinter seinem Rücken war. Seine Muskeln spannten sich, sein Gesicht war starr und hart. Er saß noch genauso da wie vorher.
Wer ihn von hinten am Pult hokken sah, ahnte nicht, daß er bereits etwas bemerkt hatte.
Yalic und Tezoura hatten es riskiert, in die See zu stürzen, als sie auf den Berghölzern der „Isabella“ entlanggeturnt waren. Aber jetzt hatten sie es vollbracht, jetzt standen sie auf der Heckgalerie, und Tezoura hatte bereits durch die Butzenscheiben eines Bleiglasfensters gespäht und den Seewolf grübelnd dasitzen sehen.
Yalic kauerte vor der Tür. Auf Tezouras Zeichen hin drückte er langsam die Klinke nach unten. Es gab einen schwachen Laut. Yalic verharrte wie gelähmt. Tezoura lugte wieder in die Kapitänskammer, huschte zu seinem Kumpan und nickte ihm zu.
Yalic schob die Klinke bis zum Anschlag. Er hielt das Hartholzmesser in der rechten Hand – zum Todesstoß bereit.
Ein Ruck, und die Tür stand offen. Der Wind blies in die Kammer, und mit dem ersten Hauch flog Yalic auf den Seewolf zu. Tezoura war dicht hinter ihm. Sie warfen sich stumm auf ihren Feind und verzichteten auf ihren schrillen Kampfruf, um ja nicht die Crew auf den Plan zu lokken.
Bevor Yalic Hasard erreichte, geschah es.
Hasard schnellte hoch. Seine Kniekehlen beförderten das mit Schnitzwerk versehene Holzgestühl rückwärts – auf den Indianer zu. Hasard schwang vor, drehte sich und lag plötzlich auf der Platte des Pultes. Er rollte über sie weg und räumte dabei die Schatulle mit dem Chibcha-Schmuck, ein paar Karten, einen Astrolab und noch einiges mehr ab. Als er vor dem Möbel auf dem Boden landete, regneten die Utensilien neben ihm nieder, und die Smaragde verteilten sich in alle Himmelsrichtungen.
Es kümmerte ihn nicht.
Hier ging es um mehr als materiellen Besitz.
Um sein Leben.
Yalic prallte gegen den Holzstuhl. In einer wilden Reflexbewegung hieb er mit dem Hartholzmesser zu. Die Klinge schlug auf die Fläche, auf der Hasard eben noch gesessen hatte.
Tezoura war etwas nach rechts getänzelt und schleuderte seine Waffe hinter dem Seewolf her. Das Messer surrte über Hasard weg, als er gerade vor dem Pult gelandet war. Klappernd stieß es hinter ihm gegen die Wand, die zum Gang des Achterkastells wies. Es fiel auf die Planken, und Tezoura mußte an dem Gegner vorbei, wenn er es wiederhaben wollte.
Hasard hätte jetzt nur die doppelläufige Radschloßpistole zu zücken brauchen, um die Partie für sich zu entscheiden. Aber auch das ging ihm entschieden gegen den Strich und paßte nicht zu seinem Stil, fair mit jedem Gegner zu verfahren.
Er nutzte die Überraschung der Angreifer aus und tat etwas, was sie wahrscheinlich zumindest in diesem Moment nicht erwarteten. Er erhob sich wieder, flankte noch einmal über das Pult – und griff sich Yalic.
Der hob gerade wieder sein Hartholzmesser. Aber Hasard drückte seine Arme nach unten. Dann ließ er ihn blitzschnell los und hieb ihm mit der Faust gegen die Schläfe. Yalic kam zu keiner Reaktion. Er stöhnte, stürzte hintenüber, und mit ihm kippte der geschnitzte Stuhl.
Yalic geriet mit seinem Stammesbruder ins Gehege.
Hasard tat einen Schritt und war bei Tezoura. Er wollte ihn auf die gleiche frontale Art angreifen wie den anderen, aber Tezoura war auf der Hut. Er duckte sich, blockte einen ersten Schlag Hasards ab und wurde dann selbst handgreiflich. Zwei trokkene Hiebe landete er auf der Brust des Seewolfs.
Hasard steckte sie ein, ohne mit der Wimper zu zucken. Er behielt den liegenden Yalic im Auge. Yalic wollte sich plötzlich wieder sein Hartholzmesser greifen. Er hatte es verloren und kämpfte noch mit seinen Schmerzen, aber der Haß in ihm war übermächtig. Mit verzerrtem Gesicht klaubte er die spitze Waffe auf.
Hasard trat zu. Sein Stiefelabsatz erwischte Yalics Messerhand und drückte sie auf dem Boden platt. Yalic gab einen