Seewölfe - Piraten der Weltmeere 422. Roy Palmer

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Название Seewölfe - Piraten der Weltmeere 422
Автор произведения Roy Palmer
Жанр Языкознание
Серия Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783954398300



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dumm, wenn wir uns von den paar Lauseaffen beeindrucken lassen“, sagte der Profos. „Hölle, denen haue ich doch notfalls ganz allein die Affenärsche weich. Was ist eigentlich los mit uns?“

      Sie blickten sich untereinander an. Ja – Hasards Zustand und die ganz prekäre Lage setzten ihnen erheblich zu. Sie waren nervös und ziemlich gereizt. Wie lange sie diese Situation, die keine Veränderung brachte und sich über einen großen Zeitraum ausdehnen konnte, noch hinnehmen würden, konnte keiner von ihnen sagen.

      „Die Sache ist so, daß Hasard auf keinen Fall durch Lärm gestört werden darf“, sagte Ben. „Es darf keine weiteren Angriffe geben. Nur wissen unsere Gegner jetzt, wo wir ankern. Das ist schlecht für uns.“

      „Sie müssen die ‚Caribian Queen‘ gestern gesehen haben“, sagte Siri-Tong. „Vielleicht haben sie uns von irgendeiner Nachbarinsel aus beobachtet. Aber das konnten wir nicht ahnen.“

      „Es war reiner Zufall“, sagte Carberry.

      „Und dir macht keiner einen Vorwurf“, fügte Ben zu Siri-Tong gewandt hinzu. „Es geht jetzt darum, daß wir uns gegen weitere Überfälle schützen müssen. Es darf kein einziger Schuß mehr fallen.“

      Die Ungewißheit, die an ihnen nagte, war darauf zurückzuführen, daß sie die genauen Verhältnisse auf der Grand-Cay-Insel nicht kannten. Sie waren auf Vermutungen angewiesen, die sich wiederum in erster Linie aus dem ergaben, was Siri-Tong über den Zustand im feindlichen Lager zu berichten wußte.

      Weder die Männer der „Isabella“ noch Siri-Tong und ihre Mannen ahnten jedoch, daß sich Kapitän Charles Stewart, der Kommandant der versenkten Kriegsgaleone „Dragon“, Sir Robert Monk, der in dieser Nacht sein verdientes Ende gefunden hatte, Joe Doherty, der persönliche Profos des verblichenen Sir Andrew Clifford, sowie die sechzehn Kerle der „Lady Anne“ mehr oder weniger gewaltsam von den anderen getrennt hatten, wobei es zu einem heftigen Handgemenge und Steinwürfen gekommen war.

      Stewart und O’Leary, der Bootsmann des alten Killigrew, sowie die Meute hatten ursprünglich vorgehabt, nach der „Lady Anne“ und ihrer Goldladung zu suchen, auf die sie geradezu versessen waren.

      Daß sie dabei die „Caribian Queen“ gesichtet hatten, die in der Südbucht der östlichsten Insel der Pensacola Cays einlief, war tatsächlich ein reiner Zufall. Daraufhin hatte Stewart gemeinsam mit Monk und O’Leary beschlossen, in der Nacht die „Isabella“ zu entern und sofort in die Kapitänskammer einzudringen, wo der angeschossene „Bastard“ Killigrew ihrer Meinung nach liegen mußte. Hatten sie Hasard erst in der Gewalt, so hatten sie sich das ausgemalt, war alles andere nur noch ein Kinderspiel.

      Sie hatten sich gründlich verrechnet. Doch Hasards Crew und die Rote Korsarin und ihre Mannschaft konnten nur herumrätseln. Wie sollten sie sich jetzt verhalten?

      „Es ist völlig gleichgültig, welche Gründe für diesen Angriff maßgebend waren“, sagte Siri-Tong schließlich. „Ich bin entschlossen, dem Spuk ein Ende zu bereiten.“

      „Wie?“ fragte Ben Brighton.

      „Ich werde noch einmal zu der Insel der Grand Cays zurückkehren.“

      „Das kommt gar nicht in Frage“, empörte sich der Profos. „Vielleicht warten sie nur darauf, weil sie inzwischen einen entsprechenden Hinterhalt gelegt haben.“

      „Merkst du nicht, daß du nur Unsinn redest?“ fuhr sie ihn an. „Es muß auf jeden Fall verhindert werden, daß die Hunde einen solchen Angriff noch einmal unternehmen.“

      Carberry schob das Kinn vor und stemmte die Fäuste in die Seiten. „Paß bloß auf, daß du dir kein nasses Grab holst. Du hast schon genug unternommen, jetzt sind wir mal dran.“

      Fast hätte sie freudlos aufgelacht. „Und wie stellst du dir das vor?“

      „Hasard müßte auf die ‚Caribian Queen‘, dann könnten wir auslaufen“, sagte der Profos. „Mir juckt es in den Fingern.“

      „Und an deinen Kapitän denkst du nicht, was?“ Der Kutscher war näher getreten. „Einen solchen Transport würde er kaum überleben, das sagt jedem vernünftigen Menschen der logische Verstand.“

      Carberry schnaufte wie ein wütender Stier. „Ich bin aber kein vernünftiger Mensch, und deinen Logik-Kram kannst du dir sonstwohin stecken. Ich will mir diesen Stewart-Hurensohn und die O’Leary-Ratte vornehmen, kapiert? Und das wegen Hasard. Klar?“

      „Das verstehe ich schon“, sagte Ben einlenkend. „Aber leider geht es so nicht, wie du dir das vorstellst, Ed. Siri-Tong hat meiner Ansicht nach völlig recht mit ihrem Plan, noch einmal zu der Insel zu segeln.“

      „Ja“, sagte sie. „Dort hocken ja schließlich noch die Mannschaften der ‚Orion‘ und der ‚Dragon‘ am Ufer der Bucht, und sie haben immerhin noch einige Jollen, mit denen sie weiteres Unheil stiften können, solange die ‚Isabella‘ hier in der Bucht festgenagelt ist. Deine Einsatzbereitschaft in Ehren, Ed, aber es muß auch dir in den Kopf gehen, daß wir handeln müssen, nicht ihr.“

      „Meinetwegen“, brummte Carberry. „Hölle, ich kapier’s ja auch, aber es ist großer Mist, daß uns so die Hände gebunden sind.“

      „Hasard braucht Ruhe, Ruhe und noch einmal Ruhe“, erklärte der Kutscher erneut. „Daran wird sich auch in den nächsten Stunden nichts ändern. Wir sind zur Tatenlosigkeit verdammt und können nichts unternehmen.“

      Die Augenbrauen von Siri-Tong hatten sich ärgerlich zusammengezogen. „Eigentlich habe ich selbst schuld, daß die Stewart-Bande uns hier aufgespürt hat. Ich habe den Männern der ‚Orion‘ und der ‚Dragon‘ ja den Rat gegeben, sich nach einer größeren Insel umzuschauen – mit Hilfe der Jollen. Das war ein Fehler von mir.“

      „Nein“, sagte Ben. „Es war ein faires Angebot, denn du hättest die Jollen auch in Trümmer schießen können. Aber wenn sie jetzt statt dessen meinen, sich mit uns anlegen zu können, müssen sie auch mit den Konsequenzen rechnen, die sich daraus ergeben.“

      „Eben“, sagte die Rote Korsarin grimmig. „Das können sie haben.“

      Auch die anderen Männer pflichteten ihr bei. Es wurden nur noch wenige Worte gewechselt, dann verließ Siri-Tong die „Isabella“ wieder und kehrte mit der Jolle zur „Caribian Queen“ zurück.

      Gegen vier Uhr morgens verließ die „Caribian Queen“ die Südbucht der Insel und ging auf der Atlantikseite der Inseln auf Nordwestkurs Richtung Grand Cays. Schon bald waren ihre Umrisse in der Dunkelheit verschwunden.

      Ben Brighton ließ von jetzt an verschärft Ausguck gehen. Die „Isabella“ blieb gefechtsbereit. Der Kutscher war wieder in den Krankenraum zurückgekehrt, sein Aufenthalt an Deck war nur von kurzer Dauer gewesen. Schweigend setzte er sich zu Mac Pellew und den Zwillingen, die nach wie vor am Lager des Seewolfs Wache hielten.

      Hasard lag in einem unruhigen Fieberschlaf. Der Kutscher blickte Mac Pellew an und nickte ihm zu. Es war richtig, daß sie ihn angeschnallt hatten, sehr leicht hätte er sonst von seiner Koje fallen können. Sein Zustand war unverändert bedenklich, eine Besserung zeichnete sich nicht ab. Der Kutscher und Mac Pellew bewachten ihn aufmerksam. Noch verspürten sie keine Müdigkeit. Philip junior jedoch fielen im Morgengrauen die Augen zu, er schlief im Sitzen ein.

      Sein Bruder wollte ihn wachrütteln, aber der Kutscher schüttelte den Kopf, stand auf und bettete den Jungen vorsichtig auf der Bank.

      „Zwei Mann genügen für die Wache“, flüsterte er Hasard junior zu. „Warum legst du dich nicht auch ein bißchen hin?“

      Hasard junior preßte die Lippen zu einem Strich zusammen und gab keine Antwort. Sein Blick war auf seinen Vater gerichtet. Bei der Schlacht um die Schlangen-Insel hatten sie bereits einmal geglaubt, ihn verloren zu haben, doch dann war er – völlig unerwartet – wieder aufgetaucht und hatte in das Gefecht eingegriffen. Dieses Mal aber sah es weitaus übler aus – mehr als das, was vorgenommen worden war, konnten sie für ihn nicht tun.

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