Seewölfe Paket 24. Roy Palmer

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Название Seewölfe Paket 24
Автор произведения Roy Palmer
Жанр Языкознание
Серия Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783954399925



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ist es etwas kühler geworden“, sagte Nils Larsen. „Ich hätte nichts gegen einen zweiten Schauer einzuwenden. Und auch die verdammten Moskitos sind endlich verschwunden.“

      Eine Stunde verging, dann eine weitere, wie sie schätzten. In dieser nächtlichen Monotonie auf dem einsamen Fluß hatten sie außer der Orientierung auch noch das Zeitgefühl verloren.

      „Etwa zwei Stunden dürften wir schätzungsweise unterwegs sein“, meinte der Kutscher nach einer Weile. „Eine halbe Stunde hat etwa unsere Abreise gedauert. Dann dürfte es spätestens in einer Stunde zu dämmern beginnen. Dann wird uns auch die Orientierung etwas leichter fallen.“

      „Richtig“, sagte der Profos sarkastisch, „und spätestens dann werden die Kesselkocher etwas gerochen haben und die Verfolgung aufnehmen. Aber bis dahin sind wir längst in Sicherheit.“

      „Wenn wir erst auf der ‚Empress‘ sind“, sagte Old O’Flynn, „dann sollen sie nur antanzen in ihren Kanus. Ich werde es ihnen schon besorgen.“

      „Klar, mit leergesoffenen Rumbuddeln“, sagte Carberry, „damit hast du es ihnen ja schon einmal besorgt – oder sie uns, wenn man das ganz genau ausdrücken will.“

      „Hört endlich mit eurer läppischen Streiterei auf“, bat der Kutscher, „das ist ja nun alles hinlänglich bekannt. Daran ist auch nichts mehr zu ändern. Es ist aber durchaus möglich, daß uns die Arawaks bei Beginn der Dämmerung folgen werden.“

      „Wir können ja einen Schlag zulegen“, sagte Martin. „Das Kanu bewegt sich leicht und schnell. Auf die Art können wir noch einen Vorsprung herausschinden.“

      Das fand auch der Profos gut, und so hieben sie die Paddel wie die Wilden ins Wasser. Das Kanu jagte nur so über den Creek dahin.

      Doch schon nach einigen Minuten wurde die schnelle Paddelei sehr schweißtreibend, denn die stickige Hitze legte sich wieder wie ein feuchter Schwamm über sie und wirkte ermattend. Daher paddelten sie im vorherigen Rhythmus etwas langsamer weiter.

      Ein neuer Schauer brachte nochmals eine halbe Stunde später weitere und willkommene Erfrischung. Er zog über sie hin wie eine Wand aus Wasser. Dann rauschte der Schauer weiter und regnete über den Wäldern ab. Ein einziger hallender Donnerschlag begleitete ihn – und ein lilafarbener Blitz, der im Zickzack über den Himmel jagte.

      Bei dem lilafarbenen Blitz zuckte Old O’Flynn so heftig zusammen, als hätte der ihn selbst getroffen. Er war gerade wieder in die Geisterwelt der Chickcharnies abgeentert und fuhr mit einem leisen Schrei hoch.

      Martin kriegte ihn gerade noch am Arm zu fassen, sonst wäre der Alte über Stag gegangen.

      „Was ist denn los?“ fragte der Bootsmann.

      „Da waren leuchtende Augen“, stammelte Old Donegal entsetzt. „Sie haben mich ganz scharf angeglotzt. Das war ein Vampir oder ein anderer Drache, wie der Kutscher gestern gesagt hat. Und gedonnert hat er auch.“

      „Das war ein Blitz“, sagte der Kutscher, „und kein Geist oder gar Vampir. Und gewöhnlich folgt dem Blitz auch der Donner, das ist ganz normal. Aber du hast sicher gerade gedöst und wieder alles in den falschen Hals gekriegt.“

      Old O’Flynn wischte sich mit der Hand das Wasser aus dem Gesicht und starrte mit brennenden Augen dorthin, wo ihn die „leuchtenden Augen“ angeglotzt hatten. Wieder spürte er das Unheimliche dieser Nacht, die einsame Fahrt, hörte das Quaken von Fröschen, die anderen Geräusche und sah die Schatten um sich herum.

      „Aber er hat gedonnert“, behauptete er.

      „War vielleicht ein Drache, der ’ne Blähung hatte“, meinte der Profos grinsend. „So wie mein Eselchen auch, der Diego, der donnerte öfter mal. Mann, das war ein ganz normaler Blitz.“

      „Na, ich weiß nicht“, sagte Old Donegal unbehaglich. So richtig wollte er das nicht glauben, dazu war diese Insel zu unheimlich. Da gab man sich nicht mit einem normalen Blitz zufrieden, wenn es vor Geistern nur so wimmelte.

      Er war jetzt hellwach und versuchte, mit seinen Blicken die Finsternis zu durchdringen. Und alle Augenblicke glaubte er, es irgendwo am Land rötlich aufblitzen zu sehen.

      Der Kutscher bedauerte erneut lebhaft, so viel über die Inselgeister erzählt zu haben, denn das war für den abergläubischen Kerl jedesmal Wasser auf seine Mühle. Der zog sich richtig daran hoch und kriegte es fertig, noch ein paar Geister zu erfinden.

      Doch auch diese Flußfahrt hatte einmal ein Ende. Die Dunkelheit wich einem tristen Grau.

      Sie befanden sich gerade unter einem gewaltigen Blätterdach, wo der Creek nur ganz schmal war. Auf ihre Köpfe tropfte es noch, und sie zogen das Genick ein, als die Blätter sie streiften.

      „Ha, wir haben es geschafft“, sagte der Profos, „wir sind da!“

      Was er als „da“ definierte, war allerdings nur kurze Zeit ein Anlaß zum Jubeln.

      „Das Meer“, sagte Nils Larsen andächtig. „Jetzt finden wir auch bald unser Schiffchen wieder.“

      Alle starrten sich jetzt die Augen aus, um auf das Meer zu blicken. Eine bleigraue, noch immer etwas finstere Wasserfläche lag vor ihnen. Der Creek spie sie aus, aber nicht ins Meer, denn das war eine durch die Dämmerung hervorgerufene optische Täuschung, sondern in einen See von allerdings beachtlichen Ausmaßen. So schien es jedenfalls.

      Die Strömung wurde immer schwächer, als sie das Paddeln einstellten und sich treiben ließen. Es ging kaum noch vorwärts.

      Der Profos blickte sich aus zusammengekniffenen Lidern um, als könne er so besser das Dämmerlicht durchdringen. Auch der Kutscher wandte langsam den Kopf, um die Umgebung erkennen zu können.

      Da war ein Kreischen und Schnattern zu hören, ein Zetern und Krakeelen, als würden sich ganze Vogelschwärme gestört fühlen.

      „Flamingos“, sagte der Kutscher leise und enttäuscht, „und da vorn ist das ‚Meer‘ zu Ende.“

      Old O’Flynn sah natürlich keine Flamingos, sondern rosafarbene Elfen, die auf endlos langen Beinen durch sumpfiges Wasser stelzten, aus feuerroten Augen blickten und dabei hämisch kicherten.

      Er wollte gerade zu einer Antwort ansetzen, aber da entzog sich alles ihren Blicken und wurde dunkelgrau.

      Ein neuer Platzregen prasselte mit aller Macht nieder und durchnäßte sie erneut von oben bis unten. Alles verschwamm vor ihren Blicken, und nach jedem Schauer stiegen wieder Nebel aus dem Wasser auf.

      Bei dem Regen hörte auch das Kreischen und Schnattern auf. Als dann die Sicht etwas besser wurde, lag vor ihren Blicken ein fast undurchdringlich scheinender Tropenwald, aus dem es dampfte. Dieser Dschungel begrenzte den See von allen Seiten.

      Rechts von ihnen standen immer noch die rosafarbenen Flamingos vor einer total verfilzten Kulisse aus Mangroven. Es war eine riesige Kolonie, so viele, wie sie noch nie auf einmal gesehen hatten.

      Das Gekreische und Geschnatter nahm an Heftigkeit zu und wurde zu einer wilden Kakophonie aus Tönen.

      Dann erhob sich kreischend eine bunte Wolke aus Hunderten von Vögeln und strich über den Dschungel ab. Auch der Rest rannte flügelschlagend durchs Wasser und schwang sich unter nervtötendem Kreischen in den Himmel.

      Sie starrten den Flamingos nach, blickten sich gegenseitig an und sahen dann wieder zu der üppig wuchernden Vegetation.

      „Ein Binnensee“, sagte Martin Correa, „mehr ist das nicht. Umwuchert von allen Seiten durch Wälder, Dickicht und Mangroven. Und ich dachte, der Creek führe direkt ins Meer.“

      „Das ist allerdings sehr enttäuschend“, gab der Kutscher zu, „obwohl es sehr malerisch aussieht.“

      „Darauf kann ich verzichten“, brummte der Profos. „Malerisch oder nicht, wir befinden uns immer noch in der Nähe der Fleischtöpfe und haben uns gehörig verfranzt. Der Tag fängt lieblich an.“

      Im Osten